Zur Eröffnung des virtuell abgehaltenen Meetings sprach Thomas B. Cueni, IFPMA-Generaldirektor, über die Wichtigkeit einer akkuraten Voraussage in einer sich schnell ändernden Pandemie. Ein von der Firma Airfinity zur Verfügung gestellter Report verdeutlicht, wie das maßgebende Scale-up der Impfstoffproduktion den langersehnten Wechsel in der Pandemie bringen könnte.
Die weltweite Vakzinproduktion wird in diesem Monat 7,5 Milliarden Dosen übersteigen – im Juni 2022 werden 25 Milliarden erwartet. Der globale Bedarf wird somit gedeckt sein und es wird möglich, dass G7-Länder selbst nach Abzug der notwendigen Booster-Impfungen noch über 1,2 Milliarden Dosen zur Verfügung haben, um sie an andere Länder zu verteilen. Ebenso kommt es derzeit zu einem Scale-up der COVID-19-Medikamente, allen voran von monoklonalen Antikörpern und antiviralen Medikamenten.
Airfinity-CEO und Gründer Rasmus Bech Hansen präsentierte Daten zum Impffortschritt. Global sieht man immer wieder einen Anstieg der Fälle und sowie der Mortalitätsraten. Aufgrund der immerhin fast zu 30% vollimmunisierten Gesamtbevölkerung zeigt sich allerdings, dass sich Infektions- und Mortalitätskurven nicht mehr länger vollständig überlagern (Abb. 1).
Eine Mortalität, wie sie bisher beobachtet wurde, wird somit immer unwahrscheinlicher. Dies ist dem hervorragenden Impfstoff-Scale-up zu verdanken: Bis Ende des Jahres werden 12 Milliarden Dosen erwartet, darunter bis zu 50% aus China.
Der Report gab auch Aufschluss über die Wirksamkeit gegen die SARS-CoV-2-Varianten. Impfstoffe von AstraZeneca und Pfizer/BioNTech zeigen weiterhin einen sehr hohen Schutz vor Hospitalisierung, der Infektionsschutz wurde aber mit dem Auftreten der Delta-Variante deutlich verringert.
Pfizer-Geschäftsführer Dr. Albert Bourla gab einen Überblick über die Herausforderungen der Impfstoffherstellung und wie sich deren faire Verteilung ermöglichen lässt. Im Allgemeinen hat Pfizer vor der Pandemie etwa 200 Millionen Impfstoffdosen pro Jahr produziert – heute sind es 3 Milliarden. Die Infrastruktur für das Scale-up war dabei bereits vorhanden. Limitierend war die Verfügbarkeit der Ausgangsstoffe. Um Flaschenhalseffekte zu vermeiden, wurden die etablierten Supplier finanziell, technisch und wissenschaftlich unterstützt, aber es wurden auch neue Supplier geschaffen. Zudem hat Pfizer selbst mit der Produktion der Ausgangsstoffe begonnen.
Gerechte Verteilung: Für das Jahr 2021 sind die Dosen bereits zugeordnet, ein großer Teil des Kontingents des nächsten Jahres ebenfalls. Die Zuordnung erfolgt anhand von Bestellungen. 40% der 3 Mrd. Dosen gehen dabei an Länder mit geringem oder mittleren Einkommen. Preislich gibt es ein Abstufungssystem: Während Länder mit hohem Einkommen etwa den Preis einer Mahlzeit pro Dosis zahlen, ist es bei Ländern mit mittlerem Einkommen bereits nur noch die Hälfte. Länder mit geringem Einkommen kaufen die Dosen zum Anschaffungswert.
Über die Wichtigkeit des Technologietransfers berichtete Dr. Paul Stoffels, stellvertretender Vorsitzender der Konzernleitung und Chief Scientific Officer von Johnson & Johnson. Bei der Produktion von Adenovektoren bedarf es eines speziellen Equipments, welches Anfang 2020 noch nicht zur Verfügung stand. Für die Herstellung wurden dafür elf Produktionsstätten geschaffen. Bei der Impfstoffproduktion setzt man auf Technologietransfer: In Südafrika wurde eine Kooperation mit Aspen Pharmacare eingegangen, die Impfstoffe für COVAX-Länder (COVID-19 Vaccines Global Access) und die Afrikanische Union zur Verfügung stellt. In Indien werden gerade die Labore von Biological E. Limited validiert. Der Technologietransfer ist dabei sehr komplex, wobei das wichtigste Element die Ausbildung der Mitarbeiter darstellt.
Wettlauf zwischen Impfstoff und Varianten: Je öfter sich das Virus replizieren kann, desto öfter kann es mutieren. Besser angepasste Varianten setzen sich durch – Delta hat dies innerhalb von drei bis vier Monaten geschafft. Die Impfung muss rasch erfolgen, damit das Auftreten neuer Varianten eingeschränkt wird. Dafür ist eine gute Zusammenarbeit von Regierungen und Gesundheitssystemen erforderlich. Regulatorische Prozesse müssen zusammengeführt und optimiert werden, beispielsweise, was die Zulassungen angeht.
Merck hat sich als Supplier während der Pandemie bemüht, über 80 verschiedene Impfstoffprojekte mit Labormaterialien wie Zellkulturmedien, Bioreaktoren oder Lipiden zu versorgen, berichtet Geschäftsführerin Belén Garijo. Dabei hat auch hier ein effizientes Scale-up eine zentrale Rolle gespielt: Um die existierenden Kapazitäten so schnell wie möglich aufzustocken, wurden über 1.000 neue Mitarbeiter rekrutiert und ausgebildet. Neben der aktuellen Versorgung der Medikamenten- und Impfstoffhersteller blickt das Unternehmen auch in die Zukunft, um sich langfristig auf zukünftige Pandemien vorzubereiten. Um beispielsweise im Zuge der Expansion auftretende Probleme beim Export zu umgehen, wurden regionale Produktionsstätten hochgezogen. Es soll künftig zur Aufgabe gemacht werden, jede Barriere anzugehen, die in dieser Zeit identifiziert wurde.
Herausforderungen für andere Erkrankungen: Die Pandemie hat die zeitgerechte Diagnose und Behandlung von vielen akuten und chronischen Erkrankungen beeinflusst. Hierbei sind für Merck drei Punkte von enormer Wichtigkeit:
1. Patienten müssen stets die Möglichkeit haben, behandelt zu werden. Dies war im Zuge von Lockdowns oft nicht der Fall.
2. Der Impfschutz muss auch für immunkompromittierte Patienten gewährleistet sein. Diese Patientengruppen sind besonders anfällig für einen schweren Verlauf und es muss sichergestellt werden, dass sie eine normale Immunantwort auf die Impfung durchlaufen.
3. Das Upscaling der Kapazitäten darf die Verfügbarkeit bestehender Medikamente oder Vakzine nicht gefährden.
Einen Überblick über die von Roche entwickelten COVID-19-Medikamente gab Geschäftsführer Bill Anderson. Zu Beginn der Pandemie kamen Berichte aus Wuhan, dass Roche-Medikamente zur Behandlung der Infektion eingesetzt wurden. Roche führte daraufhin mehrere Schlüsselstudien durch, unter anderem mit dem gegen Interleukin-6 gerichteten monoklonalen Antikörper Tocilizumab. Dabei zeigte sich deutlich, wie elementar die gewählten Studienendpunkte sind: Während anfängliche Studien eher negative Ergebnisse zeigten, konnte in späteren Untersuchungen festgestellt werden, dass Tocilizumab bei Patienten mit fortgeschrittener COVID-19-Erkrankung davon profitierten. In diesem Stadium richtet das Immunsystem oft mehr Schaden an, als es hilft, weshalb eine Immunsuppression vor maschineller Beatmung und Tod schützen kann.
Orale Tabletten in der Pipeline: Ziel muss es allerdings sein, die Krankheit gar nicht so weit voranschreiten zu lassen. Aus diesem Grund arbeitet Roche an einem small molecule, welches ähnlich wie das Grippe-Medikament Oseltamivir Symptome und Dauer der Erkrankung reduzieren soll. Im Gegensatz zu monoklonalen Antikörpern, deren Produktion aufwendig ist und nur in wenigen Produktionsstätten weltweit durchgeführt werden kann, wäre das Scale-up von wirksamen Tabletten ebenfalls deutlich einfacher.