Das sagen die Patientenvertretungen

PHARMAustria: Wie bewerten Sie den derzeitigen Zugang von Patient:innen zu Therapien in Österreich, speziell hinsichtlich innovativer Therapien?

© HHÖ-Painer

Angelika Widhalm, Präsidentin des Bundesverbandes Selbsthilfe Österreich (BVSHOE): „Momentan ist der Zugang im intramuralen Bereich im europäischen Vergleich relativ gut, allerdings nicht österreichweit einheitlich geregelt, und die Belastungen für die Patient:innen, um zu einer Therapie zu kommen, sind teilweise sehr hoch. Im extramuralen Bereich ist der Zugang schlecht. Das Wohl der Patient:innen steht nicht im Vordergrund. Im Allgemeinen gilt: Bis Patient:innen zur richtigen Therapie kommen, ist es ein langer und mühsamer Weg, auf dem Betroffene sich gut über ihre Rechte informieren und diese permanent einfordern müssen. Das kann bedeuten, dass es notwendig ist, den oft langwierigen und teuren Klagsweg beschreiten zu müssen. Das ist aber leider nicht allen Patient:innen möglich, weil sie sich nicht trauen und/oder es sich nicht leisten können.“

Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe: „Österreich ist bei der Versorgung von Krebspatient:innen im internationalen Vergleich immer auf Rang 1 oder 2 zu finden. Das liegt vor allem an der raschen Zugriffsmöglichkeit auf wissenschaftlich überprüfte, erwiesen wirksame und modernste Therapien. Hier beobachten wir die Entwicklung rund um das Bewertungsboard mit Sorge.“

Wie werden sich Ihrer Meinung nach die derzeitigen Entwicklungen wie EU-HTA und Bewertungsboard auf den Zugang der Patient:innen auswirken?

Widhalm: „Selbstverständlich sind die EU-HTA-Regelungen sinnvoll und auch in Österreich umzusetzen. Wir begrüßen die grundsätzliche Intention, dass der Zugang zu innovativen Therapien und Medikamenten auch österreichweit einheitlich geregelt werden soll, und können die Einführung eines ,bundesweit einheitlichen, systematischen Bewertungsprozesses für ausgewählte Arzneispezialitäten‘ prinzipiell gut nachvollziehen. Aber so, wie das sogenannte ,Bewertungsboard‘ derzeit aufgesetzt ist, sehen wir es kritisch. Wir fürchten, es könnte dadurch für Patient:innen zu dramatischen Verzögerungen kommen bzw. EU-weit zugelassene innovative Medikamente und Therapien könnten in Österreich gar nicht erst angeboten werden und somit das Recht auf eine Behandlung nach ,State of the Science‘ verletzt werden. Unsere diesbezüglichen Bedenken konnten bisher vonseiten des Ministeriums nicht ausgeräumt werden.“

© Marina Probst-Eiffe

Sevelda: „Wir hatten im November 2023 nach der Ankündigung, dass künftig ein Bewertungs­board von Funktionären darüber entscheiden soll, ob im intramuralen Bereich Arzneimittel – auch und vor allem für Krebspatient:innen – ‚genehmigt‘ werden, scharfe Kritik geübt. Viele Organisationen und Ärzt:innen haben sich unserer Kritik angeschlossen. Wir verstehen die Notwendigkeit einer öster­reichweiten Harmonisierung, es muss jedoch sichergestellt sein, dass es zu keiner ‚Nivellie­rung nach unten‘ kommt. Erfreulich ist, dass Bundesminister Johannes Rauch auf die Kri­tik und Bedenken rasch reagiert, zu einem Round Table eingeladen und dabei versichert hat, dass unsere Bedenken in der Geschäftsord­nung für das Bewertungsboard berücksichtigt werden. Im Entwurf der Geschäftsordnung gibt es eine Reihe von Punkten, die einer Prä­zisierung bedürfen. Wichtig erscheint uns, dass in der Präambel festgehalten wird, dass es weiterhin im ­Entscheidungsbereich des be­handelnden Arztes bzw. der behandelnden Ärztin liegt, die nach wissenschaftlichen Kriterien wirksamste Therapie einzusetzen, um damit die hohe Qualität der onkologischen Versor­gung aufrechtzuerhalten.“

Vielen Dank für das Gespräch!