Unsere Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt, zuletzt nochmals stark angestoßen durch die Rahmenbedingungen während der Pandemie. Dazu kommt, dass man jüngeren Mitarbeiter:innen – sowohl Generation Y (zwischen den frühen 1980er- und Mitte der 1990er-Jahre geboren) als auch Generation Z (Geburtsjahr ab ca. 1995) – eine andere Einstellung zur Arbeit attestiert als älteren. Aber stimmt das überhaupt?
„Eine ausgewogene Work-Life-Balance sowie eine möglichst große Flexibilität der Arbeitszeitgestaltung und des Arbeitsplatzes stehen bei den jüngeren Arbeitnehmer:innen sehr hoch im Kurs. Doch das sehen auch die älteren Mitarbeiter:innen oftmals so, nur die Gründe dahinter verändern sich“, erläutert Gabriele Gradnitzer, Managing Partner bei Amrop, einem führenden Executive-Search-Unternehmen, spezialisiert auf den Pharma- und Healthcare-Sektor. Während bei den Jüngeren mehr Zeit für Freizeit bzw. Familie dahintersteckt, sind es bei den Älteren zunehmend häufig gesundheitliche Gründe. Auch Mag.a Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin von Leitbetriebe Austria, sieht sowohl bei jüngeren als auch älteren Mitarbeiter:innen den Wunsch, Arbeit und Freizeit in Balance leben zu können: „Die Pandemie hat vieles in der Arbeitswelt verändert, auch im Bewusstsein. Dazu gehört auch der Wunsch, dem Privatleben wie Familie, Hobbys, Ehrenämtern etc. mehr Zeit und der Lebensqualität mehr Aufmerksamkeit zu widmen.“
Es gibt also gar nicht so einen großen Unterschied zwischen den Altersgruppen. Dies bestätigt auch Dr.in Martina Hartner-Tiefenthaler, Forschungsbereich Arbeitswissenschaft und Organisation, Institut für Managementwissenschaften, TU Wien: „Es gibt keine empirische Evidenz für Generationsunterschiede. Was wir allerdings feststellen, ist, dass Flexibilität bei allen auf individueller Ebene als angenehm empfunden wird. Die Umsetzung, was Flexibilität bedeutet, wird von den Unternehmen jedoch sehr unterschiedlich gehandhabt. Homeoffice hat grundsätzlich während der Pandemie sehr stark zugenommen, die Verbreitung ging seither wieder zurück, da sich viele auch den sozialen Austausch am Arbeitsplatz wünschen.“
Weitere Aspekte, die vor allem der jungen Generation am Arbeitsplatz wichtig sind: Chancengleichheit, Diversität – auch hinsichtlich der Altersstruktur, denn jüngere wollen von erfahrenen Kolleg:innen lernen –, hierarchiefreier Umgang, Wertschätzung und eine sinnstiftende Tätigkeit, fasst Gradnitzer zusammen. „Gerade junge Menschen wünschen sich zudem, dass ihre Arbeit sinnstiftend ist“, ergänzt Rintersbacher. Dem stimmt auch Gradnitzer zu: „Dass ihre Arbeit einen Sinn hat, ist vielen wirklich sehr wichtig. Zudem wollen die jungen Mitarbeiter:innen von Anfang an ihre Stimme erheben dürfen und gehört werden.“ Und Rintersbacher fügt hinzu: „Das bedeutet aber auch, dass man selbst Verantwortung übernimmt. Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen sind gemeinsam für das Unternehmen verantwortlich – und für die Gestaltung der Arbeit!“
Gehaltsperspektiven und Möglichkeiten der Karriereentwicklung sind laut Gradnitzer weitere Aspekte, die den jüngeren Mitarbeiter:innen wichtig sind. „Dabei wollen sie genau wissen, wann welcher Schritt möglich ist und mit welchen Weiterbildungen das unterstützt wird – das heißt, es ist ein starker Pluspunkt für ein Unternehmen, wenn es konkrete Karrierepfade aufzeigen kann.“ Gradnitzer betont aber, dass auch die älteren Arbeitnehmer:innen stark an Weiterbildung und Schulungen, z.B. hinsichtlich neuer Technologien, interessiert sind: „Veränderungsbereitschaft ist auch bei den älteren Mitarbeiter:innen noch absolut da. Sie wollen nicht aufs Abstellgleis geschoben werden, sondern erhoffen sich durchaus noch Karriereoptionen!“
„Um junge Talente anzulocken, braucht es ein entsprechendes Employer Branding. Dazu gehört beispielsweise, auf allen Social-Media-Kanälen präsent zu sein und in der Bewerbungs-Journey die Bewerber:innen mit vergleichbaren Peers zusammenzubringen, die dieselbe Sprache sprechen“, so Gradnitzer. Ihrer Erfahrung nach geht es darum, die Werte und die Kultur des Unternehmens zu vermitteln und, wie bereits erwähnt, die Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen. „Auch ein Mitarbeiterempfehlungsprogramm kann helfen, Top-Talente ins Unternehmen zu locken. Dabei werben Mitarbeiter:innen neue Kolleg:innen an und bekommen dafür Prämien. Gerade bei der jungen Generation kommt so etwas sehr gut an“, berichtet Gradnitzer aus der Praxis. An einem flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsortmodell führt in ihren Augen heutzutage kein Weg mehr vorbei. „30% Homeoffice sind absolut üblich, manche gehen auch noch einen Schritt weiter und bieten Mobile Working an, d.h. man arbeitet, von wo aus man will“, erklärt sie.
Sind die jungen Talente einmal fürs Unternehmen gewonnen worden, sollen sie natürlich auch möglichst lange bleiben. „Hierfür muss die versprochene Flexibilität nun auch gelebt und die Karrieremöglichkeiten müssen erfüllt werden. Auslandseinsätze zu ermöglichen und ein enges Teambuilding zu fördern sind weitere wichtige Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung“, so Gradnitzer.
Für Rintersbacher werden junge Talente zudem von guten Führungskräften angelockt und gehalten: „Es ist nicht das Obstkörbchen, das ist nur ein nettes Goodie. Sinnstiftende Jobs, flexible Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung sowie Führungskräfte, die mit Menschen umgehen und gut leiten können – das sind die Faktoren, mit denen man die Besten der Besten für ein Unternehmen gewinnen kann.“ Auch Geld mache nur kurzfristig glücklich, wobei eine gute Bezahlung mit entsprechenden Bonifikationen durchaus wichtig sei, so Rintersbacher weiter: „Wir beobachten, dass viele Unternehmen gerade eine Abwerbungsstrategie fahren, bei der die angebotenen Gehälter immer weiter steigen – das wird aber auf Dauer nicht finanzierbar sein.“
Laut Nina Sattlegger, Senior Consultant Life Science & Healthcare bei Talentor Austria und Vorstandsmitglied im PMCA, wollen Mitarbeiter:innen heutzutage spüren, dass sie etwas bewegen und selbstbestimmt arbeiten können: „Dafür braucht es eine Speak-up-Kultur in den Unternehmen. Das heißt, Führungskräfte von heute müssen eine Unternehmenskultur schaffen, in der die Mitarbeiter:innen auch sensible Themen offen und ohne Angst vor negativen Auswirkungen ansprechen können. So können sich die Mitarbeitenden einbringen und ihr volles Potenzial entfalten.“ Ein moderner Führungsstil sei dabei unerlässlich, ist sie überzeugt. Hierarchische Strukturen und ein hierarchischer Führungsstil sind in ihren Augen nicht mehr zeitgemäß.
Doch gerade diese immer freier werdende Arbeitswelt braucht auch Regeln – oder besser: Vereinbarungen – bezüglich der Zusammenarbeit, erklärt Hartner-Tiefenthaler. Sie hat zum Thema hybrides Arbeiten und Wünsche der Mitarbeiter:innen an die moderne Arbeitswelt gemeinsam mit der Audi AG (Diversity & Inclusion) und der Universität St. Gallen (Stephan Böhm) eine Studie durchgeführt, bei der 109 Teams begleitet wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die individuelle Freiheit in der Gestaltung des Arbeitstages es erfordert, dass auf Teamebene konkrete Vereinbarungen zur Zusammenarbeit getroffen werden. „Die Betriebsvereinbarung auf Unternehmensebene setzt zwar einen allgemeinen Rahmen, dieser sollte allerdings von jedem Team spezifisch ausgestaltet werden. Dabei verhandelt jedes Team seine eigenen Vereinbarungen, denn jedes Team ist anders“, erläutert Hartner-Tiefenthaler.
Mehr Tipps für das Arbeiten in hybriden Teams sind im Kasten angeführt. Übrigens hat die Studie auch gezeigt, dass das Wort „Regeln“ allgemein eher unbeliebt ist. „Damit wird meist eine Verpflichtung verbunden, die als Bedrohung der individuellen Freiheit gesehen wird. Besser, man spricht von Vereinbarung statt von Regel“, erklärt Hartner-Tiefenthaler.
Man dürfe auch nicht vergessen, dass nicht alle Wünsche der Mitarbeiter:innen umgesetzt werden können. „Wir befinden uns aktuell in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, das spüren auch die Unternehmen. Die Politik muss zudem darauf achten, dass das wertvolle Sozialsystem erhalten bleibt – auch das wird nicht gehen, wenn man allen Forderungen der Arbeitnehmerseite nachkommt. Alle in Teilzeit, alle nur mehr 30 Stunden arbeiten – das geht nicht“, so Rintersbacher abschließend.
Auch der PMCA, der Pharma Marketing Club Österreich, hat bezüglich der Arbeitseinstellung von heute genauer hingeschaut und seine Mitglieder befragt, was ihrer Einschätzung nach die Marketer-Talente der Zukunft bewegt. Die Teilnehmer:innen – insgesamt 179 – kamen teilweise aus der Pharmaindustrie, teilweise aus dem Dienstleistungsbereich. Die Altersspanne reicht von unter 30 bis über 50 Jahre. Die Ergebnisse:
Die Details zur Umfrage sind auf
www.pmca.at
im Mitgliederbereich einsehbar.
Dr.in Martina Hartner-Tiefenthaler, Forschungsbereich Arbeitswissenschaft und Organisation, Institut für Managementwissenschaften, TU Wien, empfiehlt aufgrund ihrer Studienergebnisse, dass Teams beispielsweise folgende Aspekte für ihre hybride Zusammenarbeit klar definieren:
Als Fazit betont die Forscherin: „Unsere Studie hat gezeigt: Wenn diese Aspekte klar geregelt werden, ist die emotionale Erschöpfung der Mitarbeiter:innen niedriger und die wahrgenommene Performance höher“.
Mehr Informationen:
https://www.tuwien.at/mwbw/im/ao/forschung/new-ways-of-working