Die türkise Personalreserve

Manche innerhalb der ÖVP und des Gesundheitswesens halten Christine Haberlander, OÖ Landesrätin für Bildung, Gesundheit und Frauen sowie Stellvertreterin von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), für ministrabel. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zur Regierungsbildung 2019 mit den Grünen auf Bundesebene verhandelte sie in den beiden Hauptgruppen Soziale Sicherheit, neue Gerechtigkeit und Armutsbekämpfung sowie Bildung, Wissenschaft, Forschung und Digitalisierung. Doch auch schon zwei Jahres davor, im Zuge der Regierungsbildung der Regierung Kurz, verhandelte sie nach der Nationalratswahl 2017 auf ÖVP-Seite in den Fachgruppen Bildung und Gesundheit. Und sie wird wohl auch nach dieser Wahl ein gewichtiges Wort mitreden.

Christine Haberlander ist die aktuell längstdienende Gesundheitslandesrätin in Österreich.; © Teamfotokerschi Max Mayrhofer/Land OÖ

eHealth-Strategie Österreich

Fakt ist, dass Haberlander selbst seit acht Jahren für das Gesundheitsressort zuständig ist und damit länger als jeder und jede andere ihrer Kolleg:innen in den Bundesländern. Nicht zuletzt deshalb bringt sie auch Erfahrung aus zwei Finanzausgleichen mit. Im jüngsten dieser Aufteilungen von Steuermitteln zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wird sie mit dem Start der Umsetzung im Herbst auch eine zentrale Rolle spielen. Denn Oberösterreich hat noch bis Ende 2024 den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne und Haberlander ist damit die oberste Gesundheitsreferentin der Länder.

Wo die Reise dabei hingehen soll, hat sie ­zuletzt Anfang des Sommers skizziert, als sie zusammen mit Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) die Österreichische ­eHealth-Strategie präsentierte. Die „eHealth-Strategie Österreich“ umfasst acht Ziele, um die Versorgung der Menschen in Österreich zu verbessern. Die wichtigsten Punkte betreffen etwa den digitalen Zugang zum Gesundheitssystem und zu den eigenen Gesundheitsdaten für alle Bürger:innen sowie die Schaffung und Verbesserung telegesundheitlicher Präventions- und Versorgungsangebote. Ab dem kommenden Jahr sollen im Rahmen eines Pilotprojekts digitale Gesundheitsapps zur Verfügung stehen.

Die Gesundheitshotline 1450 soll ab 2026 Terminbuchungen und Videokonsultationen erlauben. Mit dem Ausbau von ELGA sehen Patient:innen und Angehörige von Gesundheitsberufen die wichtigen Gesundheitsdaten auf einen Blick. Nach dem Leitsatz „Digital vor ambulant vor stationär“ stellen Bund, Länder und Sozialversicherung im Zuge der Gesundheitsreform jährlich 51 Mio. Euro zusätzlich für die Digitalisierung des Gesundheitssystems zur Verfügung. Für einen vollständigen Überblick werden Kassenärzt:innen ab 2025 zur Diagnosekodierung verpflichtet, ab 2026 folgen auch die Wahlärzt:innen. Auch alle Bild- und Laborbefunde werden künftig über ELGA zugänglich sein. Patient:innen steht es nach wie vor frei, sich von ELGA abzumelden.

Oberösterreich hat aktuell den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz inne. Haberlander ist damit eine wichtige Stimme in der Umsetzung der Gesundheitsreform auf Länderebene.; © Denise Stinglmayr

Haberlander: „Gesundheit ist unser höchstes Gut, Gesundheitsversorgung daher unser wichtigster Auftrag. Um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen, müssen wir unser Gesundheitssystem noch fitter für digitale Anwendungen machen, die viele Vorteile für Patientinnen und Patienten, aber auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten.“ In Oberösterreich habe man mit dem „DigiBoard“ und der Gesundheitsberatung 1450, bei der man unter anderem auch telefonisch im Krankenhaus einchecken kann, schon wichtige Schritte gemacht. „Ein weiterer großer Schritt wird die digitale oberösterreichische Gesundheitsplattform mit Terminverwaltung sein, deren konzep­tionelle Umsetzung bereits gestartet wurde. Die eHealth-Strategie ist ein weiterer wichtiger Schritt, der uns österreichweit vereint und dazu beiträgt, unsere Gesundheitsversorgung weiter zu verbessern und zukunftsfit zu machen. Es ist erfreulich, dass wir diese Strategie nun vorstellen können.“

„Wir müssen digitaler werden.“

Der Einsatz von Telemedizin in Österreich hat durch die Coronapandemie an Fahrt aufgenommen. Doch gerade in dieser Zeit ist Oberösterreich auch einen anderen Weg gegangen – nicht zuletzt, weil die FPÖ und andere Impfgegner:innen im Land ob der Enns besonderen Zulauf hatten. Im Jahr 2021 hatte Oberösterreich mehr tägliche Neuinfek­tionen als ganz Spanien. Überraschend war das nicht, schließlich hatte Oberösterreich zu diesem Zeitpunkt bundesweit auch die geringste Impfquote: Nur 57,72% der Be­völkerung waren vollimmunisiert. Zum Vergleich: Im Burgenland waren es zum selben Zeitpunkt über 70%. „In Oberösterreich war der Zusammenhalt während der schwierigen Monate überaus stark, der Weg des Gemeinsamen spürbar. Corona hat uns gezeigt, dass es eine Grundversorgung im Gesundheitswesen braucht – auch für den Fall, der hoffentlich nie mehr eintreten wird“, sagt Haberlander. Natürlich bewerte man mit dem heutigen Wissen über das Virus manches anders. Deutlich geworden sei aber auch hier, dass die Digitalisierung unglaubliche Chancen bietet – „in der Gesundheit, genauso aber in der Bildung oder in der Arbeitswelt. Wir müssen digitaler werden – die Leute sind es schon. Die Systeme hinken oft hinterher.“

Das tun sie zum Teil auch in Oberösterreich: Das Land hat eine niedrigere Dichte an niedergelassenen Ärzt:innen als andere Bundesländer und zahlreiche unbesetzte Kassenstellen. Nicht zuletzt, weil man in den vergangenen Jahren einen starken Fokus auf den Ausbau der Spitäler gelegt hat. Sie setze sich laufend beim Bund und bei der ÖGK für mehr niedergelassene Ärzt:innen ein, betont Haberlander. Eine Mitverantwortung des Landes sieht sie nicht: „In Oberösterreich haben wir 2023 ein Rekordbudget für den Gesundheitsbereich verabschiedet. Wir investieren in unsere Krankenhäuser und in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Die ÖGK wäre allerdings gut beraten, zu hinterfragen, warum sich mehr Menschen für die Wahlarztordination und nicht für den Kassenvertrag entscheiden. „Das ist eine versorgungsrelevante Frage für Oberösterreich und für ganz Österreich. Die Wahlärztinnen und -ärzte sind natürlich versorgungsrelevant, aber die Frage ist, warum gehen da so viele hin und nicht in die Kassenstelle?“ Die in Wien angedachte Regelung mit einem Verbot von Privatordinationen für Spitalsärzt:innen will sie allerdings nicht übernehmen: „Mir ist wichtig, dass die besten Köpfe in unseren Krankenhäusern für die Patientinnen und Patienten arbeiten. Und ich schließe nicht jemanden aus der öffentlichen Grundversorgung aus, weil er oder sie nebenbei ein paar Stunden in einer Ordination arbeitet.“

Dass Haberlander versucht, möglichst viele Positionen einzubeziehen, sieht man auch an ihrem Lebenslauf. Sie ist nicht nur weiterhin Mitglied des Gemeinderates von Enns, wo sie auch lebt, sondern gehört auch dem ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB und dem Wirtschaftsbund an. Und das ist für die ÖVP durchaus ungewöhnlich, gelten doch beide Bünde als recht unterschiedliche Pole.