Die wichtigsten Themen der Pharmabranche 2024

AUSTROMED: Fokus auf Erstattung, Nachhaltigkeit und Digitalisierung

Mag. Philipp Lindinger; © Oliver Miller-Aichholz

Mag. Philipp Lindinger, Geschäftsführer der AUSTROMED, Interessenvertretung der Medizinprodukte-Unternehmen in Österreich (www.austromed.org), erklärt, welche drei Aspekte die AUSTROMED 2024 besonders beschäftigt haben und wa­rum man sich heuer vordringlich auf diese fokussiert hat und dies auch 2025 so bleiben wird: In unserer Arbeit als Verband hat die Erstattung 2024 eine besondere Rolle gespielt. Der Erstattungsprozess für DiGAs (digitale Gesundheitsanwendungen) wird soeben vom Dachverband evaluiert und voraussichtlich ab 2026 umgesetzt werden. Auch für In-vitro Diagnostika haben wir heuer wesentliche Schritte zur Schaffung eines einheitlichen Einreich- und Erstattungsprozesses getätigt. Im Falle der Heilbehelfe und Hilfsmittel begleiten wir die Phase der Leistungsharmonisierungen der Sozialversicherungsträger und drängen weiterhin auf einen zentralen, transparenten, nachvollziehbaren und verbindlichen Erstattungsprozess.

Weiters haben wir zum Thema Nachhaltigkeit bereits 2023 in Kooperation mit der PHARMIG einen Leitfaden erarbeitet. Dieser soll unsere Mitglieder dabei unterstützen, sich schon jetzt auf dieses breite Thema vorzubereiten und Nachhaltigkeit in ihren Unternehmen zu implementieren. Dieser Leitfaden wird in Abstimmung mit aktuellen Gesetzesänderungen laufend adaptiert.

Zudem haben wir uns heuer intensiv dem Thema Digitalisierung gewidmet. Bezüglich der E-Health-Strategie des Bundes konnten wir alle diesbezüglichen Workshops begleiten und unsere Positionen einbringen. Da die Digitalisierung ein sehr umfangreiches Thema ist, hat die AUSTROMED dazu eine eigene Taskforce eingerichtet. Diese hat u.a. im Oktober 2024 eine Um­frage bei den AUSTROMED-Mitgliedern durchgeführt, um die wesentlichsten ­Branchenthemen im Zusammenhang mit dieser Querschnittsmaterie zu identifizieren. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass es in Österreich zentrale Maßnahmen zur Förderung von digitalen Anwendungen braucht, um die Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben. Dabei bestehen noch einige Hürden, z.B. in Bezug auf die vorhandene Infrastruktur.

Auf das ausklingende Jahr zurückblickend kann ich sagen, dass 2024 ein Umsetzungsjahr für uns war – wesentliche Eckpfeiler konnten gesetzt werden, auf denen wir unsere Verbandsarbeit im nächsten Jahr auf- und ausbauen können. Gerade im Bereich Digitalisierung und speziell in Zusammenhang mit KI gilt es zudem auch, Verunsicherung und Ängste abzubauen, damit hier Chancen im positivsten Sinne und zum Wohle aller im österreichischen Gesundheitssystem genutzt werden können.

FOPI: Es geht um Nutzen und Nutzenbewertung!

Julia Guizani; © Zsolt Marton

Julia Guizani, Präsidentin des FOPI, dem Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (www.fopi.at), erläutert, welche drei Begriffe aus Sicht der forschenden Pharmaindustrie das gesundheitspolitische Jahr 2024 geprägt haben – und betont, dass diese drei Aspekte auch 2025 noch große Bedeutung ­haben werden:

  1. Gesundheitsreform: Nach intensiven Vorbereitungen im Jahr 2023 haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung im Juni 2024 auf die konkrete Umsetzung der Gesundheitsreform geeinigt. Damit wurden wesentliche Weichenstellungen für die Verbesserung des Gesundheitssystems getroffen. Doch das Thema wird uns auch im nächsten Jahr weiter begleiten, da vieles noch auf den Weg gebracht werden muss – etwa im Bereich Digitalisierung (bessere Nutzung von Daten, Auf- und Ausbau telemedizinischer Angebote) oder was den Ausbau des öffentlichen Impfprogramms betrifft.
  2. Bewertungsboard: Das Bewertungs­board für ausgewählte Arzneimittel wurde intensiv und kontroversiell diskutiert. Als forschende Pharmaindustrie stehen wir zu einer Nutzenbewertung von Innovationen und befürworten Maßnahmen, die den Zugang zu neuen Medikamenten für Patient:innen regeln und beschleunigen. Doch viele Expert:innen im Gesundheitssystem befürchten, dass mit der Einführung dieses Gremiums genau das Gegenteil passieren könnte – nämlich, dass der rasche Zugang zu Innovationen im intramuralen Bereich gefährdet wäre. Vor allem, wenn die medizinische Perspektive neben der rein ökonomischen in der Entscheidungsfindung zu wenig Gewicht erhält. Dieses Spannungsfeld wird uns auch 2025 erhalten bleiben. Denn welche Wirkung das Bewertungsboard entfaltet, bleibt abzuwarten.
  3. Nutzen: Nicht zuletzt durch europäische Projekte wie die Nutzenbewertung EU-HTA wurde und wird der Wert von innovativen Therapien vielfältig debattiert. Aus unserer Sicht hat das auch auf einer Metaebene größte Bedeutung. Denn über allen strukturellen Debatten steht für uns der Nutzen für das Individuum, d.h. für die Patient:innen.

IGEPHA: Mission in drei ­Schlüsselbegriffen

Mag.a Christina Nageler und Mag.a Mirjana Mayerhofer; © IGEPHA/Katharina Schiffl

Bei der IGEPHA, The Austrian Consumer Health Care Association (www.igepha.at), nennen Geschäftsführerin Mag.a Christina Nageler und Präsidentin Mag.a Mirjana Mayerhofer die folgenden drei Begriffe als prägend für 2024:

  1. Künstliche Intelligenz (KI): Wir leben in spannenden Zeiten. KI-Systeme als Schlüsseltechnologie haben das Potenzial, Konsument:innen bei ihrer täglichen Health Care zu unterstützen und das Fachpersonal in Gesundheitseinrichtungen zu entlasten. Die IGEPHA hat das Thema KI 2024 aus Sicht der Consumer Health Care aufgegriffen und in vier Ausgaben der „IGEPHA Stakeholder News“ sowie in acht Podcast-Episoden mit Expertinnen und Experten aufgearbeitet. Um IGEPHA-Mitglieder im professionellen Umgang mit KI-Tools zu unterstützen, hat die IGEPHA zudem einen KI-Leitfaden publiziert, der sich mit dem Thema KI im Kontext des digitalen Marketings mit Fokus auf der OTC-Branche befasst.
    Richtungsweisend für viele andere Inte­ressenvertretungen ist der „Consumer Health Care Mate“, den die IGEPHA bei ihrer Jahrestagung Anfang Oktober 2024 in Wien präsentiert hat. Der Chatbot wurde am gesamten Wissenspool der IGEPHA trainiert und steht IGEPHA-Mitgliedern exklusiv zur Verfügung.
    Fortschritte bei der Nutzung der KI werden die Consumer-Health-Care-Branche auch 2025 beschäftigen.
  2. Consumer Health Care: Von Consumer Health Care profitiert jede und jeder Einzelne wie auch das Gesundheitssystem als Ganzes. Die IGEPHA macht diesen hohen Stellenwert von Consumer Health Care sichtbar und lädt Politik und Stakeholder dazu ein, den Aspekt der Eigenverantwortung noch nachhaltiger im Gesundheitssystem zu verankern. 2024 hat die IGEPHA mit ihrem neuen Claim „Der 1. Schritt in die gesunde Zukunft“ ihre Rolle als Wegbereiter für Consumer Health Care klar definiert. Gemeinsam setzen wir uns auch 2025 dafür ein, das ganze Potenzial von Consumer Health Care zu entfalten und damit die Gesundheit der Menschen zu fördern.
  3. Gesundheitskompetenz: Eine hohe Gesundheitskompetenz ist die Voraussetzung für eine eigenverantwortliche Gesundheitsfürsorge. Zweifellos bedarf die Gesundheitskompetenz in manchen Bevölkerungsgruppen einer Stärkung – darin sind sich Politik und Stakeholder einig. Die IGEPHA setzt sich dafür ein, dass die Gesundheitskompetenz in Österreich systematisch und strukturiert gefördert wird. Schon im Kindergarten und in der Volksschule muss Gesundheitsbildung kindgerecht angeboten werden. Für Verbesserungen am Weg zu einer hohen Gesundheitskompetenz wird sich die IGEPHA auch 2025 engagieren.

PHARMIG: Standortpolitik braucht strategischen Weitblick

Mag. Alexander Herzog; © Csaky

Für Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär der PHARMIG, Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (www.pharmig.at), stand das Ringen um eine andere Standortpolitik 2024 im Mittelpunkt – und das wird auch im nächsten Jahr weiterhin so sein: Begriffe wie Planbarkeit, Fairness und Wettbewerbsfähigkeit umreißen grob, was für uns in den letzten Monaten im Fokus gestanden hat. Da diese Faktoren essenziell für die Standortqualität sind und es hier noch viel zu tun gibt, werden diese Schlagwörter den Arzneimittelsektor auch nächstes Jahr begleiten. Inwieweit es wirklich Verbesserungen geben wird, hängt nicht zuletzt von der Politik ab. Sie gibt den Rahmen vor, in dem die pharmazeutischen Unternehmen ihre Wirkung entfalten können – Stichworte: Versorgungssicherheit und Wertschöpfung. Offene Baustellen gibt es viele: Zum einen droht das Bewertungsboard für innovative Medikamente den Zugang zu innovativen Therapien für Patientinnen und Patienten im Spitalsbereich sowie an der Schnittstelle zwischen niedergelassenem Bereich und Krankenhaussektor zu verzögern. Zum anderen erschweren zeitlich befristete gesetzliche Regelungen, dass Unternehmen vernünftig planen können. Gleichzeitig wird permanent Druck auf sie ausgeübt, die Versorgung mit Arzneimitteln auch unter den widrigsten Umständen sicherzustellen – etwa bei fehlender automatischer Inflationsanpassung der Arzneimittelpreise, ständig steigenden Kosten und einem ohnehin schon niedrigen Preisniveau beim Gros der erstattungsfähigen Medikamente.

Darüber hinaus kommt die bevorstehende Verpflichtung auf die Branche zu, den Großteil der Kosten für eine vierte Klärstufe in der Abwasserreinigung zu übernehmen – obwohl nicht nur Pharma und Kosmetik für die Verunreinigung des Abwassers verantwortlich sind.
Wo bleibt der Blick auf die Arzneimittelversorgung, wenn Unternehmen nur be- und nicht entlastet werden? Wie soll so die Wettbewerbsfähigkeit Europas gestärkt werden? Fairness sieht anders aus, strategischer Weitblick fehlt.

Damit nicht alles den Bach runtergeht, halten wir zwei Dinge hoch: die Hoffnung und unseren Einsatz dafür, Österreichs Attraktivität zu stärken und die Versorgungsqualität am Arzneimittelsektor weiterhin zu erhalten. Wir glauben daran, dass gute Lösungen möglich sind.