Die derzeitigen multiplen Krisen – Ukrainekrieg, Energiekrise, gestiegene Kosten durch die Inflation etc. – setzen auch den Unternehmen der pharmazeutischen Industrie in Österreich zu. Die Auswirkungen werden u.a. bei den aktuellen Schwierigkeiten in der Arzneimittelversorgung sichtbar. Die Peter Hajek Public Opinion Strategies GmbH hat im Auftrag der Pharmig, des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs, den PHARMA Branchenbarometer erstellt und dazu unter den Verbandsmitgliedern erhoben, wie sie die zukünftige Entwicklung des Pharmastandorts Österreich einschätzen. Die Umfrage bei Mitgliedern der Pharmig fand im November 2022 statt und zeigt Verbesserungspotenzial bei Rahmenbedingungen in Österreich auf.
„Der Trend der Umfrage zeigt, dass die Rahmenbedingen in Österreich eher durchschnittlich eingeschätzt werden. Veränderungsbedarf und damit ein klares Verbesserungspotenzial am Standort sehen die befragten Geschäftsführenden insbesondere in den Bereichen Preisgestaltung, Erstattung sowie Förderung und Finanzierung von innovativen Arzneimitteln“, so Dr. Peter Hajek zu den Ergebnissen der Umfrage. Während dem wirtschaftlichen Umfeld generell ein positiver Befund ausgestellt wird, werden die mangelhafte Einbindung in die Gesundheitspolitik sowie die fehlende Inflationsanpassung bei Arzneimittelpreisen kritisch gesehen.
„Der PHARMA Branchenbarometer führt uns vor Augen, wie wesentlich eine Anhebung oder zumindest Angleichung der Arzneimittelpreise an die Inflation gesehen wird, um die Breite des Arzneimittelschatzes für Patient:innen in Österreich sicherzustellen. Eine derartige Anpassungsmöglichkeit ist für Arzneimittel in Österreich aber leider nicht vorgesehen, wodurch der reale Preis einer Arzneimittelpackung weiterhin jedes Jahr sinkt“, erläutert Dr. Bernhard Wittmann, Geschäftsführer von Sigmapharm/MoNo und Vizepräsident der Pharmig. Das niedrige Preisniveau in Österreich wirke sich ebenso wie der hohe Preisdruck auch auf die Wirtschaftlichkeit einer Produktion am Standort aus.
Viele Unternehmen haben daher in der Vergangenheit ihre Produktionen nach Asien ausgelagert. „Was Unternehmen in Österreich fehlt, ist eine langfristige Perspektive, um für die Zukunft planen und die Arzneimittelvielfalt erhalten zu können. Es geht dabei weniger um Förderungen, von denen es ausreichend gibt, sondern vielmehr um eine generelle, integrative Standortstrategie auf politischer Ebene, mit der positive Signale für die Wirtschaft und insbesondere für unsere Branche gesetzt werden“, betont Wittmann.
Mehr Produktion in Europa und damit auch mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung könne laut Ina Herzer, Geschäftsführerin von Merck Sharp & Dohme in Österreich und Vizepräsidentin der Pharmig, nur gelingen, wenn es nicht nur bei den bewährten Medikamenten, sondern auch bei den innovativen Arzneimitteln fördernde Maßnahmen gebe.
„Es muss ein Umdenken mit Blick auf den patentgeschützten Bereich, also die innovativen Arzneimittel, stattfinden. Hier dominiert der Blick auf die Kosten, anstatt dass der weitreichende Nutzen im Vordergrund steht. Dieser zeigt sich in vielen Bereichen – ob es nun beispielsweise kürzere Krankenstände sind, weniger Pflegeaufwand oder vermiedene Krankenhausaufenthalte. Das macht aus innovativen Arzneimitteln Investitionen in ein nachhaltig funktionierendes Gesundheitssystem“, erklärt Herzer und verweist zusätzlich auf die durch medizinische Fortschritte gestiegenen Überlebensraten von Menschen mit HIV, Krebs und Hepatitis.
Während innovative Therapien im Krankenhausbereich oftmals gut ihren Weg zu Patient:innen finden, werden sie laut Herzer im niedergelassenen Bereich sehr viel zögerlicher eingesetzt: „Gerade der Einsatz innovativer Medikamente bei Ärzt:innen im niedergelassenen Bereich könnte dazu beitragen, den kostenintensiven Krankenhausbereich zu entlasten. Dieses Potenzial wird allerdings noch unzureichend ausgeschöpft.“
Auch Mag. Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig, zieht aus dem PHARMA Branchenbarometer die entsprechenden Schlüsse für den Pharmastandort: „Die Unternehmen der pharmazeutischen Industrie können ihrer Verantwortung am Standort nur dann langfristig und dauerhaft nachkommen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wir sehen aber, dass es – je nach Portfolio – für manche Unternehmen eng wird. Das betrifft sowohl jene, die im Generikabereich tätig sind, als auch jene, die Forschung betreiben und Innovationen bereitstellen. Sie alle haben damit zu kämpfen, dass der Nutzen ihrer Produkte zu wenig oder gar nicht anerkannt wird. Folglich sind sowohl die Versorgung mit Arzneimitteln in ihrer Breite als auch die Innovationsführerschaft in der österreichischen Wissenschaft negativ betroffen.“ Denn das markante Maß an Wissenschaftsskepsis in Österreich sei ein Alarmsignal und schade laut Herzog dem Klima für Innovationen zusätzlich.
Fazit: „Anstatt immer nur Einsparungspotenziale im Gesundheitssektor zu verfolgen, könnte der gesamte Sektor als Chance für zukunftsgerichtete Investitionen gesehen werden. Diese Perspektive ist entscheidend für eine nachhaltige Entwicklung. Je attraktiver die Rahmenbedingungen in Österreich für Unternehmen gestaltet sind, desto mehr profitieren Produktion, Forschung, Wirtschaft, Gesundheit und nicht zuletzt wir selbst als Patient:innen und auch als Arbeitnehmer:innen“, so Herzog.