Seit März 2024 leitet Tatiana Tousi als neue General Managerin die Österreich-Niederlassung von GlaxoSmithKline (GSK). Sie sieht es als Ziel des globalen Biopharmaunternehmens, Wissenschaft, Technologie und Talente zu vereinen, um Erkrankungen einen Schritt voraus zu sein. Die Grundpfeiler des Unternehmens sind Leistung, Innovation und Vertrauen sowie die ESG-Agenda von GSK (ESG = Environmental, Social and Governance). „Wir fokussieren uns auf die Suche nach innovativen Produkten in Bereichen mit hohem ungedecktem medizinischem Bedarf und versuchen, so frühzeitig wie möglich einzugreifen, um den Krankheitsverlauf zu verändern. So wollen wir einen Beitrag zum Wohl der Menschen und auch zur Unterstützung der Gesundheitssysteme leisten“, sagt Tousi.
Dabei verfolgt das Unternehmen eine große Vision: „Wir wollen die Gesundheit von zweieinhalb Milliarden Menschen weltweit bis zum Ende des Jahrzehnts positiv beeinflussen. Mit unserem breiten Impfstoffportfolio können wir einerseits einen maßgeblichen Beitrag zur Prävention von Erkrankungen leisten, andererseits bieten unsere Medikamente Optionen für die Behandlung von unterschiedlichsten Krankheiten. Aktuell erreichen wir in Österreich mit unseren Produkten rund zweieinhalb Millionen Menschen. Mit Blick auf unser Portfolio bin ich überzeugt, dass wir in den nächsten zwei Jahren einen noch viel größeren Beitrag für die österreichische Bevölkerung leisten können.“
Seit 2017 befindet sich GSK laut Tousi auf einer „Reise der Transformation“: Die Pipeline wurde sowohl in den Bereichen Prävention als auch Behandlung gestärkt, wobei der Fokus klar auf Innovation sowie auf Bereichen mit hohem medizinischem Bedarf liegt. „Allein 2023 hat GSK 6,2 Milliarden Pfund in die Forschung und Entwicklung investiert! Wir konzentrieren uns auf die Entwicklung von Impfstoffen und Arzneimitteln in den Kernbereichen Infektionskrankheiten, HIV, Atemwegserkrankungen/Immunologie und Onkologie und nutzen dabei u.a. Humangenetik, funktionelle Genomik sowie künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen, um F&E voranzutreiben“, erläutert sie.
Ein großer Meilenstein im Bereich Prävention war für das Unternehmen zum Beispiel die Einführung eines Impfstoffes zum Schutz von Menschen vor RSV (humanes respiratorisches Synzytial-Virus). Auch in der Onkologie hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren stark aufgestellt. So konnte beispielsweise eine neuartige Behandlung für Myelofibrose-Patient:innen mit Anämie entwickelt werden – „bisher gab es für diese Menschen nur limitierte Therapieoptionen“, berichtet Tousi. Auch bei onkologischen Erkrankungen von Frauen ist GSK stark präsent und bietet zielgerichtete Therapien für Eierstockkrebs und Gebärmutterschleimhautkrebs an. „Im Bereich Multiples Myelom warten wir derzeit auf eine positive Bewertung der EMA für neue Behandlungsoptionen aus unserer Pipeline. Es tut sich also im Onkologiebereich aktuell wirklich sehr viel bei uns“, so Tousi.
Insgesamt befinden sich bei GSK derzeit 71 Wirkstoffe in der Erforschung, 18 davon in Phase III. „Wenn man sich diese Zahlen anschaut, können wir voraussichtlich schon bald eine Vielzahl an neuen Produkten launchen“, gibt die General Managerin einen Ausblick auf die nahe Zukunft.
Es geht dem Unternehmen neben Aktivitäten im Bereich „Unmet Medical Need“ auch darum, bestehende Therapieoptionen zu erweitern. Tousi erinnert in diesem Zusammenhang an HIV-Patient:innen, die heute in der Lage sind, von einem täglichen Behandlungsschema zu einer Injektion alle zwei Monate überzugehen. „Das hat einen enormen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen“, betont sie. Ähnliches konnte GSK für Patient:innen mit schwerem Asthma erreichen und will dies noch weiter fortführen: „Wir haben erreicht, dass sich die Betroffenen ihre Therapie derzeit einmal im Monat selbst verabreichen können, und arbeiten nun daran, dies auf alle sechs Monate ausweiten zu können.“ Und sie unterstreicht, dass dies nicht nur für die Patient:innen, sondern auch für das Gesundheitssystem enorme Auswirkungen haben könnte, „denn eine vereinfachte Verabreichung der Therapie verbessert nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Adhärenz. Und dies kann sich wiederum positiv auf die Krankheitskontrolle auswirken.“
Für Tousi ist personalisierte Medizin der Weg der Zukunft: „Mit fortschrittlichem Screening und dem Einsatz von Biomarkern, Tests und Genetik sind wir bereits heute in der Lage, den Patient:innen, die die besten Chancen auf ein Therapieansprechen haben, hochwirksame Medikamente anzubieten. Und das wird in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen.“ Die dadurch gewonnenen Vorteile liegen für Tousi auf der Hand: „Ärzt:innen finden schneller die passende Therapie für den oder die individuelle Patient:in. Zudem kann durch diese genetische oder Biomarker-gesteuerte Übereinstimmung zwischen dem Therapeutikum und dem bzw. der Patient:in eine bessere Wirksamkeit erzielt werden.“ Als bereits vorhandene Beispiele nennt sie die IL-5-Kategorie für Patient:innen mit schwerem Asthma sowie einige Mutationen bei onkologischen Erkrankungen wie z.B. Eierstock- oder Gebärmutterschleimhautkrebs. „Solange die Pharmabranche weiterhin in Innovation und moderne Technologien investiert und solange der Wert von Innovationen anerkannt wird, werden immer mehr personalisierte Therapien auf den Markt kommen, die das Leben von Patient:innen verlängern und die Lebensqualität verbessern“, ist sie überzeugt.
Das österreichische Gesundheitswesen kann laut Tousi stolz auf seine sehr guten Wissenschafter:innen und Angehörigen der Gesundheitsberufe sein. Auch die Innovationsfreundlichkeit sieht sie hierzulande grundsätzlich als gegeben. „Das ermöglicht es, dass selbst komplexe Erkrankungen in Österreich gut behandelt werden können“, unterstreicht sie. Doch sie sieht auch Nachteile im österreichischen Gesundheitssystem: „Es gibt starke Fragmentierungen, speziell hinsichtlich Zugang und Erstattung.“ Zudem wird in ihren Augen in Österreich zu wenig für die Prävention getan: „Im Bereich Impfungen für Erwachsene ist Österreich derzeit eher schlecht aufgestellt, auch im Vergleich zu Nachbarstaaten wie Schweiz und Deutschland, aber auch Slowakei und Griechenland.“ Gäbe es hier Veränderungen, würde das enorme Auswirkungen auf das Gesundheitssystem haben, z.B. durch sozialökonomische Effekte wie die Verhinderung von Krankheitsfällen, Frühpensionierungen oder Krankenhausaufenthalten, ist Tousi überzeugt und wünscht sich daher für das österreichische Gesundheitswesen eine schnellere Entscheidungsfindung, weniger Fragmentierung und einen Weg, Krankheiten nicht nur zu behandeln, sondern zu verhindern. „Wir haben die Werkzeuge dafür – aber es muss ein breiterer Zugang zu diesen Produkten ermöglicht werden“, so Tousi.
In diesem Zusammenhang betont sie nochmals die Bedeutung von Innovation und Prävention: „Innovation bedeutet nicht nur, eine Lösung für etwas zu finden, wofür wir vorher keine Lösung hatten. Innovation bedeutet auch, bessere Ansätze für Bereiche zu finden, in denen es bereits Behandlungsoptionen gibt. “ Zudem wünscht sie sich in Österreich die Schaffung eines Präventionskonzepts als wichtige Maßnahme, um das Gesundheitssystem zu entlasten, so z.B. ein Impfprogramm für Erwachsene: „Das haben wir in der Pädiatrie erreicht, jetzt sollten wir diese Errungenschaft auch für Erwachsene – unabhängig von individuellen finanziellen Möglichkeiten – zugänglich machen!“
Mit Blick auf die Zukunft sieht Tousi speziell in Europa die Inflation und die alternde Bevölkerung als die großen Herausforderungen. „Diese Faktoren üben einen großen Druck auf die Regierungen in ganz Europa aus. Das macht sich auch beim Budget bemerkbar. Am Ende schränkt dies die Finanzierung und damit die Fähigkeit ein, frühzeitig zu intervenieren und Krankheiten zu behandeln bzw. zu verhindern“, skizziert sie die aktuelle Situation. Versuche, budgetären Herausforderungen zu begegnen, sind in Tousis Augen grundsätzlich nachvollziehbar, doch würden diese oft unbeabsichtigte Konsequenzen mit sich bringen, wie z.B. erhöhte Bürokratie und Verzögerungen in der Entscheidungsfindung. Der Mechanismus, mit dem derzeit versucht wird, Behandlungen zu priorisieren und zu bewerten, birgt ihrer Meinung nach das Risiko, den Zugang zu innovativen Medikamenten zu verlangsamen bzw. einzuschränken. „Wenn ein Therapeutikum aufgrund von Budgetbeschränkungen nicht zur Verfügung steht, werden womöglich Patient:innen außen vor gelassen, die von diesen Therapien bzw. präventiven Maßnahmen profitieren könnten. Das ist ein Problem – für Österreich und ganz Europa!“
Doch Tousi bleibt optimistisch und vertraut darauf, dass solche Herausforderungen durch wissenschaftliche Fortschritte und den Wert innovativer biopharmazeutischer Interventionen sowie durch einen verstärkten Fokus auf Prävention gemeistert werden können.