Drehscheibe im Marketingmix

Im doppelten Sinne gilt wohl, dass der Pharmaaußendienst das Beste, Wichtigste und Teuerste ist, was ein Unternehmen zur erfolgreichen Marktbearbeitung im Portfolio hat. Daher ist dieser Job für viele ein attraktiver Berufswunsch. Der direkte, persönliche Kontakt zum Arzt verspricht ein inte­ressantes und niveauvolles Aufgabenfeld bei freier Zeiteinteilung und hoher Eigenverantwortung, dabei genug Platz für Freizeit und Familie sowie ein attraktives Einkommen. Kurz gesagt: für kommunikative und organisierte Menschen mit klaren Vorstellungen genau der richtige Berufsweg.

Die Anforderungen steigen

Doch hier trennt sich auch schon die Theorie von der Praxis. Bedingt durch die sich verändernden Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen hat sich das klassische Berufsbild des Pharmareferenten den realen Umständen angepasst. Attraktiv ist der Job noch immer, in finanzieller wie intellektueller Hinsicht, doch der Einsatz ist ebenso hoch. Heute ist der Arzt längst nicht mehr der einzige Stakeholder, der zu betreuen ist. Wenn das eigene Produkt am Markt erfolgreich sein soll, ist auch die Zusammenarbeit mit Apothekern, Interessenverbänden oder Patientenvertretern vonnöten. Der Wind im Wettbewerb bläst längst schon schärfer, denn das ständig wachsende Angebot macht die Produkte leichter austauschbar und den eigenen Weiterbildungsaufwand größer.
Wer also den Kunden auf seiner Seite haben und halten möchte, hat einiges zu tun. „Es ist korrekt, dass der Außendienst eines der teuersten Instrumente im Marketingmix ist. Die Aufgaben sind im Laufe der Jahre nur deutlich komplexer geworden“, ist Mag. (FH) Elisabeth Keil, Country Managerin, Daiichi Sankyo, überzeugt und fügt hinzu: „Der Außendienst ist einer der zentralen Beziehungspunkte zum Arzt sowie zu allen wichtigen Stakeholdern. Damit ist er nach wie vor unverzichtbar.“ Und wird es ­vermutlich trotz oder gerade aufgrund der ­Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche auch weiterhin bleiben.

Mensch versus Technik

Das Stichwort „Beziehung“ bringt es wohl auf den Punkt, denn weder einem noch so gut durchdachten Erklärungsfilm noch einem fast menschlich anmutenden Avatar wird es gelingen, Emotionen ins Spiel zu bringen und damit das Gegenüber bei seinen aktuellen Bedürfnissen abzuholen. „Wir verstehen uns als hoch spezialisierte Partner unserer Kunden. Es ist uns wichtig, gemeinsam mit diesen auf Basis intensiver Gespräche sinnvolle Lösungen zu entwickeln, um dem Kunden einen optimalen, individuellen Mehrwert anbieten zu können“, erklärt Carmen Maria Knop, Key Account Manager Oncology bei MSD, und sieht keinen Verdrängungswettbewerb durch digitale Medien. Und dies, obwohl in den Arztpraxen langsam die Generation am Ruder ist, die als „Digital Natives“ bezeichnet wird – also mit der neuen Technik des digitalen Zeitalters aufgewachsen ist. Online-Learning, E-Mail-Kommunikation und Internetrecherche am mobilen Handheld gehören hier ebenso dazu wie Skype-Gespräche oder Chatbots.
Dennoch kann der Kontakt von Mensch zu Mensch in diesem Beruf nicht vernachlässigt werden. Digitale Kanäle haben das Spektrum sukzessive erweitert, aber nicht ersetzt. „Es gibt viele spannende Entwicklungen, um digitale Medien im Pharmabusiness einzusetzen, und die doch sehr traditionelle Gesundheitsbranche hat bestimmt noch Aufholbedarf. Für mich werden die vielen Touchpoints, die wir uns durch das Online-Marketing eröffnen, trotzdem nur flankierende und unterstützende Maßnahmen zum Außendienst bleiben,“ betont Keil.

Angebot und Nachfrage rückläufig

Während im Jahr 2008 in Österreich noch 300 Personen zur Pharmareferentenprüfung angetreten sind, hat sich die Zahl im Jahr 2017 auf 197 verringert. Insgesamt positiv haben vor zehn Jahren noch 108 – also gut ein Drittel – abgeschnitten, im Vorjahr freuten sich 81 über einen erfolgreichen Abschluss und damit gemäß § 72 Arzneimittelgesetz (AMG) über die Berufsberechtigung, im Pharmaaußendienst zu arbeiten. Nach Angaben der letzten Pharmig-Mitgliederumfrage (2015) sind derzeit knapp 1.400 Pharmareferenten in Österreich beschäftigt. Zieht man ins Kalkül, dass in den letzten zehn Jahren aufgrund von Fusionen weitaus weniger Pharmaunternehmen offene Stellen für Pharmareferenten anbieten können, so ist das Angebot an passenden Absolventen damit praktisch kaum kleiner geworden, sondern eher mit der Marktentwicklung Hand in Hand gegangen.

Expertentum nimmt zu

Dafür hat sich die Vielfalt an Profilen verändert: Was früher der klassische Pharmaaußendienst war, wird heute – je nach Unternehmen – additiv durch Key Accounter und/oder Market Access Officer unterstützt. Relativ jung ist das Berufsbild des Medical Science Liaison Managers (MSL), das vom Pharmareferenten klar abzugrenzen ist. Während Mitarbeiter des Pharmaaußendienstes mit Unternehmensfremden nur über zugelassene Medikamente sprechen dürfen, ist die Rolle der Medical Science Liaison Manager die eines Informanten mit hoher Expertise nicht nur zum jeweiligen Produkt, sondern zum gesamten Indikationsgebiet.
„Einige dieser Rollenbilder, wie zum Beispiel die des Market Access Managers, sind erst durch Fusionen und Firmenverkäufe entstanden, denn während Geschäftsführer oder Country Heads auf ihrem Karriereweg Österreich oftmals nur relativ kurz passiert haben und damit kein kontinuierliches Beziehungsmanagement und Know-how in diesem Bereich gewährleistet war, sind die Außendienstmitarbeiter geblieben“, resümiert Keil. Die dadurch veränderten und durchaus vielversprechenden Aufgaben haben letztendlich auch die Anforderungen an die Bewerber deutlich verändert. „Der Kostendruck ist spürbar. Der Trend zu Nischenprodukten und innovativen Arzneimitteln für personalisierte Therapien wird es erforderlich machen, dass der Außendienst wieder eine zentrale Rolle als Drehscheibe einnimmt und ebenso hoch spezialisiertes Wissen mitbringen muss. Customer Facing von heute braucht Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Gesundheitsökonomie, Gesundheitspolitik und natürlich einen soliden medizinisch-naturwissenschaftlichen Background“, sagt Mag. Vera Dallinger, Country Human Resource Manager bei Mylan. Zudem, so die Personalistin weiter, werde das erforderliche Nischenwissen je nach Produktgruppe immer umfassender und fordernder, allen voran in der Onkologie und Immunologie, wo Dallinger in den kommenden Jahren die meisten Entwicklungen erwartet. Immerhin steht der Firmenvertreter in Gestalt eines Außendienstmitarbeiters einem ebenso hoch spezialisierten Me­diziner gegenüber, der ihn als Partner bei Diagnose und Therapie anerkennt.

Solide, nachhaltige Partnerschaften

Das zeigt auch schon, dass sich die Arbeit vom Produktverkauf hin zum Projektmanagement entwickelt hat. „Im Außendienst wird man dann erfolgreich sein, wenn man die Bedürfnisse der Kunden, der Teams und Abteilungen versteht und darauf ­reagiert. Das erfordert weit mehr als Marktkenntnisse oder produktbezogenes Wissen. Gleichzeitig wird ein Unternehmen vertreten, das immer wieder Innovationen auf den Markt bringt. Das heißt, dass man nicht davon ausgehen kann, nur mit einem Produkt zu punkten. Es gilt daher, eine langfristige Partnerschaft mit den Entscheidungsträgern aufzubauen, die nachhaltig den Weg für immer neue Angebote offenlässt“, sagt Knop. Das sollte ein Pharmareferent auch im eigenen Interesse im Auge behalten, denn vermutlich wird bei einem Jobwechsel nicht das Produkt, sondern der Mensch in Erinnerung behalten werden. Das bestätigt auch Keil: „Kompetente und kundenorientierte Mitarbeiter leisten als Visitenkarte des Unternehmens einen wichtigen Beitrag zum Marken- und Unternehmensimage.“

Kein Job für Generation Y?

Angesichts der komplexen Anforderungen als Markenbotschafter, Produktexperte und Health-Care-Allrounder ist die Frage durchaus legitim, ob das Berufsbild des Pharmareferenten mit all seinen Facetten für die Vertreter der Generation Y oder Z überhaupt noch attraktiv ist, denn eine ausgewogene Work-Life-Balance ist nicht ohne Weiteres einzuhalten. Medizinische Kongresse an den Wochenenden und auch Abendveranstaltungen verlangen mehr Engagement als nur einen Nine-to-five-Alltag. Viele sehen daher die Aufgabe als Sprungbrett ins Marketing und wechseln so rasch es geht wieder in den Innendienst.
Als Durchgangsjob ist der Pharmaaußendienst ein aufwendiger Schritt im Lebensplan. Immerhin gilt es, die anspruchsvolle Pharmareferentenprüfung zu bestehen und sich laufend weiterzubilden. Die Tatsache, dass gerade der persönliche Kontakt zu den Entscheidungsträgern dem Außendienstler zeitlich, organisatorisch und letztendlich auch emotional sehr viel abverlangt, wird vielen oft erst klar, wenn sie die ersten Termine „im Feld“ absolviert haben. Gemeinsam kreative Lösungen zu finden, wo manchmal unüberwindbare Hürden im Weg zu stehen scheinen, muss Spaß machen, sonst ist man in diesem Beruf falsch. Damit darf der Außendienst keine Ware von der Stange abgeben, sondern muss ein gutes Gefühl für eine – oft überlebenswichtige – Therapieentscheidung vermitteln. Teamspiel muss ihm ebenso vertraut sein wie das Einzelkämpfertum. Damit das klappt, braucht es erfahrene Führungskräfte, die als Schnittstelle zwischen dem Unternehmen „innen“ und den Außendienstmitarbeitern „draußen“ fungieren. Da gilt es auch einmal Entscheidungen, die intern getroffen wurden, den Kollegen draußen schmackhaft zu machen und umgekehrt die Erfolge der Außendienstmitarbeiter intern auch gut zu verkaufen. In dieser Adapterfunktion sieht sich auch Knop: „Wir wandeln um, was von innen kommt und nach außen muss. Gleichzeitig transformieren wir den Input, den der Außendienst bringt, in Innovationen von morgen.“
Die Digitalisierung hat auch hier ihren Platz, aber keinen überaus dominanten. „Die Generation Y bringt hohe digitale Kompetenz mit. Damit entfällt bei der Einstellung ­junger Mitarbeiter durchaus ein gewisser Schulungsaufwand, weil sie mit vielen Werkzeugen intuitiv umgehen können“, formuliert Dallinger die positiven Aspekte, sieht aber auch die großen Herausforderungen für Unternehmen, aus der Generation Y loyale, langjährige Mitarbeiter zu rekrutieren: „Work-Life-Balance ist für diese Berufseinsteiger ein großes Thema und im Kampf um die besten Köpfe müssen wir uns schon einiges an attraktiven Benefits einfallen ­lassen, um dann auch bei der Mitarbeiterbindung zu punkten und in verschiedenen Lebensphasen attraktiv zu bleiben.“

Keine Angst vor Veränderung

Übereinstimmend ist die Meinung der Experten aus der Pharmaindustrie, dass die Branche nach wie vor eine attraktive und dementsprechend begehrte ist. Der Außendienst wird künftig dort seinen Schwerpunkt haben, wo auch Entscheidungen ­getroffen werden. Bei Produkten, die nicht erstattet werden, wird auch weniger in die Pharmareferenten investiert. Die Vermutung liegt daher nahe, dass es in Zukunft weniger, dafür aber noch spezialisiertere Mitarbeiter sein werden, die in ihrer persönlichen Verbindung zum Arzt wohl noch länger im Konzert der Marketingmaßnahmen die erste Geige spielen.

 

Elisabeth Keil

Der Außendienst ist einer der zentralen ­Beziehungspunkte zum Arzt sowie zu allen wichtigen Stakeholdern. Damit ist er nach wie vor unverzichtbar.

Carmen Maria Knop

Ein Außendienstler wird nur erfolgreich sein können, wenn er die Bedürfnisse von Teams und Abteilungen erfasst und darauf ­reagiert. Das erfordert weit mehr Markt­kenntnis als nur produktbezogenes Wissen.

Vera Dallinger

Customer Facing von heute braucht Kenntnisse in Betriebswirtschaft, Gesund­heitsökonomie, Gesundheitspolitik und ­natürlich einen soliden medizinisch-­naturwissenschaftlichen Background.