EKO Neu verfassungskonform?

Berechnung „EU-Durchschnittspreis“

Die neue Berechnungsweise des EU-Durchschnitts sieht die Berücksichtigung von gesetzlichen Rabatten anderer EU-Länder vor. In diesem Zusammenhang gab Prof. Mayrhofer zu bedenken, dass Rabatte in anderen Mitgliedsstaaten einem anderen Finanzierungssystem entsprechen und in keinem sachlichen Zusammenhang mit der finanziellen Lage des österreichischen Gesundheitswesens stehen. So sind etwa die gesetzlichen Rabatte in Spanien und Griechenland, die sich in einer völlig anderen ökonomischen Situation als Österreich befinden, einzubeziehen. Problematisch ist auch die schlichte Bildung des arithmetischen Mittels, wodurch Preise kleinerer Staaten überrepräsentiert werden und eine notwendige Umverteilung der Forschungs- und Entwicklungskostenlast von ärmeren zu reicheren Staaten nicht stattfindet. Generell ist eine gesetzliche Maßnahme, die in Rechte von Bürgern eingreift, vor ihrem wirtschaftlichen Hintergrund und der sich daraus ergebenden sachlichen Rechtfertigung zu prüfen. Angemessene staatliche Eingriffe in die Preisbildung sind möglich. Derzeit gibt es – im Gegensatz zur wirtschaftlichen Lage zum Zeitpunkt der VfGHRechtsprechung zum Solidarbeitrag – keine Steigerung der Ausgaben der Sozialversicherungsträger für Arzneimittel in Österreich, wenn man die Zahlungen der Pharmawirtschaft an den Hauptverband berücksichtigt. Auch das nominelle Wachstum bleibt signifikant hinter der Steigerungsrate der Beitragseinnahmen zurück. Auch absolut gesehen sind die Arzneimittelpreise in Österreich niedrig. So liegen die Preise für patentgeschützte Arzneimittel nach einer aktuellen Studie der AOK und der TU Berlin im Mittel um rund 21% unter den Preisen in Deutschland. Daher ist zweifelhaft, dass der nunmehrige staatliche Eingriff in Arzneimittelpreise gerechtfertigt ist. Aus dem Gesetzgebungsverfahren lässt sich keine Begründung für die weitreichenden Maßnahmen ableiten – der Gesetzgeber hat nicht nur den Begutachtungsprozess übersprungen, sondern auch die Änderungen ohne jede Beratung im Gesundheitsausschuss gleichsam wenige Minuten nach ihrer Einbringung im Nationalrat beschlossen.

Preisregelung für die No-Box

Der staatliche Eingriff in die Preisbildung bei Arzneimitteln, die nicht im Erstattungskodex gelistet sind, stellt für Prof. Mayrhofer einen Systembruch dar. Erstmals wird durch Bestimmungen im ASVG in Preise auf dem freien Markt eingegriffen. Der Eingriff ist im Licht des Art. 4 der EU-Preistransparenzrichtlinie wie auch grundrechtlich bedenklich, da beispielsweise überhaupt keine Ausnahmen vom gesetzlichen Höchstpreis definiert sind und eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Produkte – von sehr billigen Massen- bis zu sehr teuren Nischenprodukten – an den denselben Maßstäben gemessen wird. Als grundsätzlich problematisch erachtet Prof. Mayrhofer die 4. mögliche Festlegung des EU-Durchschnittspreises, die nach § 351c Abs. 6 (4. Satz) ASVG mit einer „Kann-Bestimmung“ im Ermessen der Preiskommission liegt. Bei der Preiskommission handelt es sich um ein – bislang – bloß beratendes Organ und nicht um eine Behörde, sodass sich die Frage aufdrängt, ob die Preiskommission in Bezug auf diese Befugnis – mit allen Konsequenzen – zur Behörde wird. Zur Verfassungsmäßigkeit fehlen aber zudem die gesetzlichen Kriterien zur Ausübung des Spielraumes, die die Preiskommission an eine Linie binden sollten und eine gewisse Rechtssicherheit für die Betroffenen bieten müssten.

Preisband

Auch bei dem nunmehr eingeführten Preisband für Produkte mit dem gleichen Wirkstoff ist die Angemessenheit der Maßnahme fraglich. Der VfGH hat in seiner Rechtsprechung betont, dass eine staatliche Regelung, wenn sie verfassungskonform sein soll, nicht zu unangemessen niedrigen Preisen führen darf. Auch der EuGH geht in seiner Judikatur davon aus, dass das Inverkehrbringen zugelassener Arzneimittel in einem Mitgliedsstaat nicht durch die nachteilige gesetzliche Gestaltung der ökonomischen Rahmenbedingungen verunmöglicht werden darf.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Prof. Mayrhofer vertritt die Auffassung, dass die Beschränkung der aufschiebenden Wirkung auf 90 Tage für bestimmte EKO-Verfahren den Rechtsschutz in verfassungsrechtlich problematischer Weise einschränkt. Seiner Ansicht nach kann es in bestimmten Fällen, in denen kein zumutbarer Umweg etwa über ein Gerichtsverfahren offensteht, möglich sein, direkt mit einem Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof heranzutreten. Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang, ob es zumutbar ist, erst ein Produkt durch potenzielle Streichung aus dem EKO „opfern“ zu müssen, um eine Klärung der Verfassungswidrigkeit von ASVG-Regelungen durch den VfGH herbeizuführen. Denkbar wäre auch, inhaltliche und verfassungsrechtliche Bedenken gegen den von der Preiskommission festgestellten EU-Durchschnittspreis in einem zivilrechtlichen Gerichtsverfahren über die Rückzahlung der Differenz zwischen dem vom Unternehmen festgesetzten Erstattungspreis und dem EUDurchschnittspreis geltend zu machen. Die Feststellungen der Preiskommission sind in Bezug auf ihre rechtliche Qualität jedenfalls im neuen System nicht umfassend geklärt, sodass es unsicher bleibt, ob diese in bestimmten Fällen auch direkt bekämpft werden können.