„Es ist eigentlich ein Missbrauch von Daten – wenn wir sie nicht nutzen. Wir sind es den Menschen schuldig, dass wir Daten nutzen, um ihre Gesundheit und die Versorgung zu verbessern“, appellierte der Simulationsforscher Niki Popper beim Austrian Health Forum (AHF) für eine raschere Nutzung digitaler Möglichkeiten. Und er versicherte, dass er keine Angst vor IT-Giganten wie Google habe. „Die haben zwar viele Daten, aber nicht die wichtigen. Deshalb wollen sie diese Filetstücke und deshalb dürfen wir das Gesundheitswesen nicht aus der öffentlichen Hand geben. Dann sind wir Google auch mit den besseren Daten überlegen.“ Man müsse den Menschen aber erklären, welchen Nutzen sie von der Digitalisierung haben.
Ähnlich argumentierte ÖGK-Obmann Andreas Huss: „Die Menschen erwarten sich, dass wir ihre Daten haben und diese auch vernetzen, um sie optimal zu versorgen. Sie kennen die komplexen Strukturen im Gesundheitswesen ja nicht, sie kommen zu mir und sagen: Ich war doch gerade im Spital, warum habt ihr diese Daten nicht?“
Ing. Dr. Christof Tschohl, Nachrichtentechniker, Jurist und wissenschaftlicher Leiter und Gesellschafter des Research Institute, betonte allerdings, dass man Vertrauen schaffen müsse für digitale Anwendungen. Man müsse Zusammenhänge mitdenken und darauf achten, dass kein sensibler Zusammenhang mit Daten entstehe, erklärte er und brachte das Beispiel der Corona-App des Roten Kreuzes, dessen Datenschutzbeauftragter er zum Zeitpunkt der Pandemie war. „Das war sicherlich die am besten geprüfte und sicherste App. Wir hatten eine sehr gute und aufwendige amtswegige Prüfung durch die Österreichische Datenschutzbehörde. Aber keine andere App hatte so schlechte Vertrauenswerte in der Bevölkerung.“ Man müsse deshalb auch proaktiv Vertrauen schaffen, denn „die App hätte tatsächlich ein Gamechanger werden können“.
Seitens der Patient:innen gebe es eine entsprechende Erwartungshaltung zur Nutzung von Daten im Sinne der Versorgungsverbesserung, und im Gesundheitssystem könnte sowohl der ambulante als auch der stationäre Bereich entlastet werden, lautete der Tenor beim AHF. Seit der Einführung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) sei aber zu wenig passiert. Österreich drohe bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens den Anschluss zu verlieren, warnten viele Expert:innen und forderten eine rasche Umsetzung der gesetzlichen Grundlagen für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). „Wir brauchen eine Gesetzgebung für dieses Thema“, fasste der Public-Health-Experte Sebastian Mörth (Medtronic) die Stimmung der Fachleute zusammen. Österreich werde soeben von der Schweiz überholt, wo ein Gesetz für die Nutzung digitaler Gesundheitsdaten bereits in Vorbereitung sei.
Dass Digitalisierung den Patient:innen nutze, unterstrich auch der stellvertretende ÖGK-Generaldirektor Mag. Rainer Thomas. Er sprach von „digital unterstütztem Empowerment“ und erklärte die ÖGK-Strategie so: „Wir denken digital vor ambulant vor stationär.“ Die Gesundheitskasse verfolge dabei drei Ziele: die bessere Patientenversorgung, die Entlastung der Vertragspartner und die Entlastung des Gesundheitswesens. Mag.a Sabine Klein, MBA, Leitung Digitalisierung der ÖGK, führte in einem Workshop ergänzend aus, dass die Daten von DiGAs auch ins System zurückfließen müssten, um zu helfen, das System zu verbessern.