Mehr als 2.000 Teilnehmer wurden vom 31. März bis 3. April 2020 beim eyeforpharma-Kongress in Barcelona erwartet. Doch die Reise nach Barcelona musste aufgrund der Corona-Situation ausfallen; stattdessen trafen sich die Pharma-Entscheidungsträger aus den Bereichen Handel, Vertrieb, Marketing/Digital, IT, Medizin, Patientenbindung und Marktzugang online.
Paul Simms, Vorsitzender von eyeforpharma, Reuters Events, moderierte eine Diskussion über technische Innovation zwischen Dr. Ali Abusnina, Senior Data Scientist bei Boehringer Ingelheim Digital Lab – BI X, und Haider Alleg, Global Head of Digital Excellence bei Ferring Pharmaceuticals. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wo technische Innovation echten Mehrwert im Gesundheitswesen bringt und wie Pharmaunternehmen hier Schritt halten können.
Abusnina betonte seine Überzeugung, dass es wichtig sei, sich auf die Technologie zu konzentrieren und gleichzeitig die Denkweise der Menschen zu verändern. Beide Aspekte sind sehr wichtig und ergänzen einander gegenseitig, ist Abusnina überzeugt.Hinsichtlich der menschlichen Probleme, die es in Bezug auf die technologische Innovation zu lösen gelte, unterstrich Alleg die Bedeutung des Scheiterns, denn Innovation zu versuchen, beinhalte immer auch die Möglichkeit, zu scheitern. Unter den Medizinprodukten verändere sich beispielsweise derzeit vieles in Richtung mobiler Anwendungen. Bisher hielten Unternehmen mobile Anwendungen für zu komplex und fokussierten lieber auf ihre Kernkompetenzen. Nun brauche es entsprechende Führungspersonen, die bereit seien, Dinge zu erforschen und dabei eventuell zu scheitern – und das auch zuzugeben. „Mut – ich glaube, das ist das Schlüsselwort“, gab ihm Abusnina recht. „Es ist sehr gut, den Erfolg zu planen, aber wir neigen dazu, alle Risiken auszuschalten, bevor wir überhaupt anfangen. Die meiste Zeit haben wir Angst vor dem Scheitern. Aber man muss stolz darauf sein, wenn man scheitert.“
Abusnina ist überzeugt, dass alle Daten der unterschiedlichen Bereiche eines Unternehmens zusammengeführt werden müssen, um alle möglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erhalten. Eines der Probleme in der Pharmabranche ist seiner Meinung nach die Frage, wo diese Daten verortet werden sollen – und zwar nicht nur die Daten selbst, sondern auch die Expertise zur Datenauswertung. In den meisten Fällen sollte dies innerhalb des Unternehmens geschehen, so Abusnina, sodass die Daten innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette Vorteile bringen können.Für Alleg ist die Datenverwaltung nicht unbedingt eine Kernkompetenz. Er gibt Abusnina allerdings recht, dass der Kampf um die Datensteuerung gang und gäbe ist. Für ihn brauchen Führungspersonen die Kompetenz, damit umzugehen; derzeit gäben sie die Informationen eher an Experten und Berater zur Analyse weiter.
Zum Thema „Wie können Social Media perfekt genutzt werden?“ fanden Vorträge von Cyril Mandry, Social Media & Digital Marketing Director bei MSD, und Manu Field, Social Media Strategy Leader bei Roche Pharmaceuticals statt.
Cyril Mandry widmete sich der Frage, wie die Macht der sozialen Medien als reaktiver und direkter Kanal freigesetzt werden könnte. Pharmaunternehmen haben in ihren Augen keine Wahl, ob sie Social Media nutzen sollten oder nicht, denn 60–80% des Pharmapublikums tun dies bereits. Ihrer Ansicht nach sind Social-Media-Möglichkeiten für die Pharmabranche vielfältig, vom Marketing über Verkauf und Employer Branding bis zur Unternehmensreputation und zu Dateneinblicken. Patienten und Betreuungspersonen, Entscheidungsträger, HCPs, aber auch Journalisten und potenzielle, talentierte Mitarbeiter stellen das breite Publikum dar.Mandry betonte, dass Social-Media-Kampagnen keine Soforteffekte zeitigen, sondern Langzeitvisionen sind. Soziale Medien können helfen, Unternehmensziele zu erreichen, indem z.B. Patienten informiert oder die Awareness für Krankheiten geweckt wird. Zudem können sie auch Partnerschaften mit Influencern und Organisationen sichern, um Reichweite und Anhängerschaft zu erhöhen. Um das zu erreichen, ist eine klare Definition des Zielpublikums und des Unternehmensziels erforderlich. Die Bedürfnisse der Zielgruppe müssen bestens bekannt sein, aber auch, welche Informationen und Erwartungen in welchen Social-Media-Kanal gesetzt werden.Social-Media-Marketing ist dann effektiv, wenn klare Botschaften verbreitet werden. Damit die Geschichte ankommt, muss der Inhalt laut Mandry 3 wichtige Ziele erfüllen: Awareness (Bewusstsein/Interesse) – Consideration (Erwägung) – Acquisition (Kauf/Inanspruchnahme). Bezahlte Social-Media-Aktionen sind für Mandry eine gute Wahl, denn jede Plattform bietet unterschiedliche Anzeigenformate für verschiedene Zielrichtungen. Klickraten alleine machen den Erfolg von Kampagnen jedoch nicht aus. Auch die Auswertung der Reaktionen auf Social-Media-Kampagnen ist Teil des Erfolges.
Der Social-Media-Stratege Manu Field ging der Frage nach, wie man wirklich wertvolle Social-Media-Kampagnen kreieren und umsetzen könnte. Ziele und KPIs sollten auf konkrete geschäftliche Ziele ausgerichtet werden, das Publikum sollte besonders sorgfältig ausgewählt und analysiert werden. Zudem muss wertvoller Content langfristig entwickelt werden sowie auf vielen und jedenfalls den richtigen Kanälen verbreitet werden. Am wichtigsten sei es schließlich, zu analysieren und zu optimieren – und das immer wieder. „Alles, was wir in sozialen Medien tun, sollte lückenlos in die übergeordnete Vermarktungsstrategie integriert werden“, sagte Field.Die Rolle der sozialen Medien reicht also von Awareness (Aufmerksamkeit) über Interest (Interesse) bis zu Consideration (Berücksichtigung) und Intent (Absicht). Für jedes Thema muss der optimale Punkt, an dem wertvolle Inhalte die besten Chancen haben, richtig anzukommen, gefunden werden.
Abschließend thematisierte Field noch drei Trends, die Berücksichtigung finden sollten, „ehe es zu spät ist“: die zunehmende Durchsetzung von Datenschutzgesetzen, die Möglichkeit des direkten Feedbacks des Publikums auf Social-Media-Anzeigen und der „langsame Tod des althergebrachten Marketings“. Zusammenfassend riet Field, keine Unmengen von Informationen mit minimalem oder fragwürdigem Wert für irgendjemanden zu verbreiten, glasklar das Warum jedes Plans, jeder Kampagne und jedes Wertes zu transportieren, wirklich publikumsorientiert zu sein, den Wert und nicht Maßstäbe der Eitelkeit zu fokussieren und sich für den unausweichlichen Paradigmenwandel im (Pharma-)Marketing vorzubereiten.n