Fokus auf Innovation und Gesundheitsvorsorge

Lieven Hentschel ist seit Oktober 2020 Geschäftsführer von Bayer Austria. Bereits seit Juli 2020 leitet er die Division Pharmaceuticals in Österreich. Für ihn besteht das Ziel des Unternehmens darin, mit Wissenschaft, Innovation und Forschung das Leben von Menschen zu verbessern – getreu dem Bayer-Motto „Science for a better life“. „Zudem fokussieren wir uns mit unserer Vision ‚Health for all, hunger for none‘ auf zwei wichtige Zukunftsthemen einer immer größer werdenden Weltpopulation. Damit dies gelingt, bieten wir unseren Mitarbeitern ein Umfeld, in dem sie sich bestmöglich entwickeln können, sodass sie für immer neue Herausforderungen immer wieder innovative Lösungen finden“, erklärt Hentschel. Dafür seien Diversität und Inklusion sehr wichtig, denn „diverse, also unterschiedliche Meinungen tragen dazu bei, dass gute Qualität entsteht“, so Hentschel. Neben Diversität und Inklusion wolle und werde Bayer auch das Thema Nachhaltigkeit aktiv vorantreiben, denn es sei global wichtig, diese Aspekte zu fördern, betont er.

Mit Innovationen punkten

An den bisherigen Erfolgen könne man den starken Innovationsgedanken von Bayer erkennen, so Hentschel: „In den letzten Jahren haben wir viele innovative Produkte auf den Markt gebracht, wie zum Beispiel im Bereich der Gerinnungshemmer unser Produkt Xarelto. Aber auch in der Ophthalmologie sowie in der Onkologie haben wir Produkte auf den Markt gebracht, die wichtige Innovationspreise erhalten haben. Besonders stolz sind wir auf ein Produkt in der Präzisionsonkologie, das als Erstes die EMA-Zulassung für eine tumoragnostische Indikation, die unabhängig von der Lokalisation des Tumors eingesetzt wird, erhalten hat. Diese präzisionsonkologischen Produkte setzen bei genetischen Veränderungen im Körper an, die das Tumorwachstum bzw. die Tumorentstehung fördern.
In Zukunft will Bayer mit genau diesem Innovationsantrieb weiter Mehrwert für Betroffene generieren. Ein besonders herausforderndes, aber auch vielversprechendes Gebiet, auf das sich das Unternehmen in den nächsten Jahren unter anderem fokussieren will, ist die Zell- und Gentherapie. Hier befinden sich aktuell sieben fortgeschrittene Präparate in unterschiedlichen Forschungsstadien der Entwicklung, die in unterschiedlichen Indikationen, u.a. Parkinson, Hämophilie A, Herzinsuffizienz und eventuell noch vielen weiteren, zum Einsatz kommen werden.
„Aber auch abgesehen von diesem innovativen Bereich der Zell- und Gentherapie haben wir eine beeindruckende Pipeline mit 50 Entwicklungsprojekten und -produkten, unter anderem im Herz-Kreislauf-Bereich, aber auch in der Onkologie und in der Frauengesundheit. Gerade in der Frauenheilkunde haben wir schon viele neue, innovative Produkte auf den Markt gebracht, denen weitere folgen werden, da uns die Forschung in diesem Bereich ebenfalls sehr am Herzen liegt. So sind wir beispielsweise in Österreich an mehr als der Hälfte der Studien, die in der Frauenheilkunde durchgeführt werden, beteiligt“, erläutert Hentschel.

Weniger Kostendenken, mehr Gesamtsicht

Das Gesundheitssystem in Österreich beurteilt der Geschäftsführer von Bayer Austria als sehr gut, denn „innovative Produkte kommen schnell zum Patienten“. Gerade das System der No-Box bewertet er als ­positiv, allerdings nur in Bezug auf kleine Indikationen wie beispielsweise im Bereich der Onkologie. Doch das No-Box-System hat in seinen Augen einen Nachteil: „Es findet nicht für breite Indikationen Anwendung, also z.B. Herz-Kreislauf oder Diabetes. Hier stehen in der Erstattung immer die Arzneimittelkosten im Fokus der Beurteilung, und dadurch wird der breite Markteintritt ­verzögert.
Für die Zukunft wäre es seiner Ansicht nach von Vorteil, wenn neben den reinen Arzneimittelkosten auch das mögliche Einsparungspotenzial bei ambulanter und stationärer Therapie sowie Pflege berücksichtigt würde. So könnte man den Einfluss neuer Behandlungen auf die gesamten Gesundheitskosten Österreichs miteinberechnen. Hentschel: „So ein kombiniertes System würde es ermöglichen, auch für große – und damit wichtige – Indikationsbereiche schnell und breit innovative Produkte in Österreich auf den Markt zu bringen.“

 

 

Forschungsförderung verstärken

Generell ist Österreich in Hentschels Augen ein sehr guter und attraktiver Forschungs­standort, allerdings sieht er auch Verbesserungspotenzial: „Die Forschungsförderungen könnten weiter vorangetrieben werden. Hier sind nicht nur die pharmazeutischen Unternehmen aufgerufen, sondern auch die anderen Stakeholder. Zudem halte ich eine aktivere Einbindung von Start-up-Unternehmen für wichtig. Auch die digitalen Chancen und das Potenzial von ,Big Data‘ sollten meiner Meinung nach intensiver genutzt werden. Hier hat Österreich – wie andere Länder auch – sicher noch einige Schritte zu absolvieren.“

Mehr auf Vorsorge setzen

In den nächsten Jahren werden neue technische Möglichkeiten weiter für Entwicklungssprünge der digitalen Welt sorgen, ist Hentschel überzeugt. Dies werde auch das Gesundheitswesen verändern. „Zudem glaube ich, dass es eine Veränderung der Sichtweise geben wird, und zwar hin zu einem allumfassenderen Blick auf die Gesundheit, bei dem die Prävention eine viel größere Rolle als bisher spielen wird. Es wird darum gehen, gar nicht erst krank zu werden. Das heißt, die Vorsorge wird viel stärker in das Gesundheitssystem eingebaut werden. Dafür braucht es natürlich auch entsprechende Rahmenbedingungen, die es in den nächsten Jahren zu schaffen gilt“, so Hentschel. In diesem Zusammenhang verweist er darauf, dass durch ELGA die Daten bereits vorhanden seien; nun gelte es, die Rahmenbedingungen zu erstellen, um diese zum gesundheitlichen Vorteil der Patienten nutzen zu können.
„Ich hoffe, dass wir in Richtung eines Gesundheitsökosystems steuern und nicht länger ein Krankenkassensystem bleiben. Diese Verschiebung des Fokus auf die Vorsorge muss sich im gesamten System niederschlagen. Das erreichen wir, indem wir die Datenbanken und die virtuellen Möglichkeiten nutzen, um so gut es geht vorzubeugen und um beispielsweise feststellen zu können, welche Kombination aus Vorsorge, Gesundheit, Ernährung, Bewegung und natürlich im Bedarfsfall Behandlung die optimale ist. Hier haben wir alle noch zu lernen, sowohl die Industrie als auch die Gesundheitsdienstleister. Als Erstes gilt es das entsprechende Umfeld zu schaffen, u.a. durch rechtliche Bestimmungen z.B. in Bezug auf Telemedizin, die Zulassung und Regulierung von Gesundheits-Apps sowie die Nutzbarmachung von Daten – natürlich voll anonymisiert und datenschutzrechtlich abgesichert“, skizziert Hentschel die notwendigen Schritte.

Nutzen der digitalen Welt

In der COVID-19-Pandemie hat Bayer von Beginn an nach dem Motto „Safety first“ gehandelt und daher sehr früh auf Homeoffice umgestellt, um für Mitarbeiter, Partner, Kunden und andere Stakeholder Verantwortung zu übernehmen. „Dieses ,Remote Mobile Working‘ wird auch nach der Pandemie in adaptierter Form bleiben. Ich hoffe, dass wir den Nutzen der digitalen Welt noch weiter verbessern und das hybride Arbeiten – sowohl bei den Mitarbeitern untereinander als auch in Bezug auf unsere Kunden – so einsetzen werden, wie es den Menschen am besten dient“, betont Hentschel.

Gesundheits-Outcome verbessern

„Aus der Bayer Zell- und Gentherapieforschung erhoffen wir uns bahnbrechende neue Entwicklungen in den nächsten 10–15 Jahren, und zwar auch wieder in Bereichen, in denen es zur Zeit keine adäquate Behandlung gibt. Aber auch in den nächsten fünf Jahren werden wir bereits Innovationen herausbringen, z.B. in der Kardiologie, der Onkologie und der Frauengesundheit“, sagt Hentschel über die Zukunft des Unternehmens. Dabei will sich Bayer nicht nur um Produkte kümmern, sondern auch versuchen, eine ganzheitliche Herangehensweise an das Thema Gesundheit gemeinsam mit den Ärzten, den Krankenhäusern und den Stakeholdern im Gesundheitsministerium sowie der Österreichischen Gesundheitskasse und dem Dachverband zu etablieren, „damit wir mit unserer Arbeit den ‚Health Outcome‘ der Patienten verbessern – und zwar über den reinen Effekt, den unsere Arzneimittel haben, hinaus. Das erfordert ein Umdenken und neue Regelungen im digitalen Bereich“.