Früher Verkäufer:in, heute Berater:in?

Mag.a Katharina Trimmel ist Sales Manager Commercial Business bei ratiopharm/Teva in Österreich. Die Pandemie hat sie als gravierenden Einschnitt in die Arbeitsweise des Außendienstes erlebt: „Von heute auf morgen waren keine Besuche bei Ärzt:innen mehr möglich, daher mussten Alternativen gefunden werden. Dies hat die Verwendung digitaler Medien wie Teams, Zoom etc. deutlich vorangetrieben – vorher waren diese kein Thema für den Pharma-Außendienst.“

Jürgen Meixner, Commercial Lead General Medicines bei Sanofi Austria, berichtet ähnliche Erfahrungen: „Jede Pharmafirma hat in der Pandemie die Außendienststruktur hinterfragt und umgebaut. Die veränderte Interaktion zwischen Außendienst und Ärzt:innen war eine Herausforderung, denn die Mitarbeiter:innen waren es gewohnt, seit Jahrzehnten gleich zu arbeiten.“ Doch man habe es geschafft, diese neue Situation gemeinsam zu bewältigen, so Meixner: „Heute sind unsere Außendienstmitarbeiter:innen in der Lage, die Kund:innen so genau zu analysieren, dass sie wissen, welcher Kanal individuell bevorzugt wird. Das heißt, die Kommunikation erfolgt maßgeschneidert für die jeweilige Person.“ Derzeit finden bei Sanofi 50% der Außendienstkontakte digital und 50% analog statt.

Ähnlich erlebt Trimmel den heutigen Außendienstalltag in Österreich: Es werden wieder viele Face-to-Face-Termine gemacht, aber auch digitale Meetings oder Videocalls. Sie sieht in den verschiedenen Kanälen unterschiedliche Qualitäten: „Ich bin überzeugt, dass man bei einem persönlichen Treffen mehr Gespür für sein Gegenüber entwickeln kann, was es einfacher macht, die Bedürfnisse des anderen zu verstehen.“ Onlinemeetings hält Trimmel für ein gutes Mittel, wenn man etwas rasch abklären möchte: „Wenn man sich gut kennt, kann man in einem solchen Fall auch mal schnell zum Telefon greifen.“

Mag. Christian Sturzeis, Head of Sales OTC bei Schwabe Austria, hat ähnliche Erfahrungen gemacht wie Trimmel und Meixner: „Videocalls waren in der Pandemie Standard und wir haben vermutet, dass das auch nachher ähnlich bleiben wird, doch der persönliche Besuch ist stärker zurückgekommen als gedacht.“ Generell hat sich seiner Meinung nach der Außendienst in den letzten Jahren tendenziell von Verkäufer:innen zu Berater:innen gewandelt, und dieser Trend wird sich voraussichtlich in Zukunft weiter fortsetzen.

Neue Tools im Einsatz

Sturzeis berichtet weiter, dass die Kommunikation nicht nur schneller geworden ist, sondern auch andere Kommunikationsfähigkeiten vom Außendienst erwartet werden: „Es kommen andere Tools zum Einsatz, z.B. Tablet statt Folder, Datei statt Broschüre etc. Das bedeutet, die Außendienstmitarbeiter:innen müssen bezüglich digitaler Technik fit sein! Auch die künstliche Intelligenz wird im Außendienstbereich Einzug halten und weitere neue Tools mitbringen.“ Generell seien die Unternehmen bezüglich künstlicher Intelligenz (KI) derzeit noch in der ­Findungsphase, „doch es gibt sinnvolle Möglichkeiten, diese einzusetzen, und dafür müssen wir die erforderlichen Ressourcen schaffen“, ist er überzeugt.

Im OTC-Bereich spielen zudem soziale Medien bereits jetzt eine wichtige Rolle, so Sturzeis weiter, da viele Apotheken beispielsweise auf Instagram aktiv sind, z.B. mit Produktwerbung, Imagebeiträgen und Teamvorstellungen: „Diese Aktivitäten müssen wir genau beobachten. Dafür sind schon jetzt digitale Tools notwendig, sonst könnten wir das gar nicht schaffen.“

Außendienst bleibt unverzichtbar!

Mit Blick auf die Zukunft betont Trimmel, dass die Digitalisierung natürlich voranschreiten und die KI Einzug in den Arbeitsalltag des Außendienstes halten werde. „Bereits jetzt werden KI-Tools für die Routenplanung bzw. Kontaktplanung eingesetzt“, berichtet sie. Auch die Nachhaltigkeit werde vermehrt in den Fokus rücken und eventuell digitalen Tools nochmals einen Schub geben. „Für die Außendienstmitarbeiter:innen bedeutet das, dass sie noch agiler und flexibler agieren müssen, um sich in der Vielfalt der Kanäle zurechtfinden und behaupten zu können“, so Trimmel.

Davor, durch digitale Tools ersetzt zu werden, muss sich der Außendienst ihrer Meinung nach nicht fürchten: „Die menschliche Komponente ist durch nichts zu ersetzen, und bei der Kommunikation mit Ärzt:innen und Apotheker:innen geht es viel um Vertrauen – hier kann KI nicht mithalten.“ Die entscheidende Frage, die sich der Außendienst laut Trimmel stellen muss, lautet: Was kann ich meinen Kund:innen liefern, das sie woanders nicht bekommen? Denn nur dann ist ein Mehrwert für die Ärzt:innen und Apotheker:innen gegeben. „Das heißt, der Servicegedanke beim Außendienst wird in den nächsten Jahren noch stärker werden“, ist Trimmel überzeugt.

Noch individuellere Betreuungsleistung

Ohne Zweifel werde die individuelle Betreuung in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen, ist sich Meixner sicher: „Der Außendienst muss den Kunden bzw. die Kundin als Einzelperson abholen. Es geht nicht mehr darum, klassisch ein Produkt zu verkaufen, sondern es gilt herauszufinden, wo der jeweilige Arzt oder die jeweilige Ärztin Schwierigkeiten hat. Hier muss der Außendienst dann Unterstützung liefern.“

Für die Zukunft ist es laut Meixner wichtig, dass sich der Außendienst auf die junge Ärzteschaft einstellt, die sich auf anderen Kanälen bewegt und sich Informationen auf andere Weise beschafft. „Das bedeutet für die Außendienstmitarbeiter:innen, dass sie in Zukunft so flexibel wie möglich agieren müssen, um auf schnelllebige Trends wie z.B. neue Kommunikationskanäle rasch reagieren zu können“, betont er.

Verständnis für Kundenbedürfnisse

Sturzeis ist überzeugt, dass die Kommunikationsmodelle des Außendienstes zunehmend hybrid sein werden. Ansonsten sieht er vor allem die steigende Geschwindigkeit als Herausforderung für die Zukunft: „Der Beziehungsaufbau muss schneller passieren, auch, um auf den Zeitmangel der Kund:innen zu reagieren. Zudem steigt die Datenmenge, die analysiert werden muss.“ Zudem prognostiziert Sturzeis, dass auch der Außendienst selbst mit seinen zeitlichen Ressourcen unter Druck geraten werde: „Die Maxime der Zukunft wird nicht mehr lauten ‚Was tue ich‘, sondern ‚Was lasse ich weg‘.“

Generell ist er der Ansicht, dass sich die Rolle des Pharma-Außendienstes verändern wird: „Das Aufgabenfeld wird breiter werden und es wird noch mehr Verständnis für die individuellen Kundenbedürfnisse erforderlich sein. Daher brauchen Außendienst­mitarbeiter:innen in Zukunft noch mehr ­Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sowie die Bereitschaft, sich weiterzubilden. Denn in zehn Jahren wird es neue Anforderungen oder sogar neue Berufsbilder geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen ­können.“

Wow-Effekt beim Kunden erreichen

Außendienst und Medical Science Liason (MSL) sieht Meixner als unterschiedliche Berufsbilder, die nebeneinander bestehen bleiben werden: „Ein enger Austausch ist aber unbedingt erforderlich, um ein Gesamterlebnis für die Kund:innen aufzubauen!“ Gerade in großen Unternehmen und großen Ländern wird es daher seiner Meinung nach in Zukunft Netzwerkmanager brauchen. Meixner: „In kleinen Firmen werden dies Customer Experience Manager übernehmen: Diese stoßen sozusagen die Tür auf, holen die Sicht der Kund:innen ein, wodurch das Unternehmen genau die Informationen liefern kann, die benötigt werden. Ziel ist es, einen Wow-Effekt bei den Kund:innen zu erreichen.“

Interne Abstimmung erforderlich

Eine Verdrängung durch die MSL-Manager:innen müssen Außendienstmitarbeiter:innen auch laut Trimmel nicht befürchten. „Diese beiden Berufsbilder haben unterschiedliche Kompetenzen und unterschiedliche Topics: Pharmareferent:innen dürfen das, was in der Fachinformation steht, mit den Ärzt:innen besprechen. MSL liefern detailliertere medizinische Informationen, dürfen aber nie eine Sales-Rolle einnehmen. Sales und Medical agieren jedoch Hand in Hand, denn eine Abteilung braucht die andere, um einander zu ergänzen und zu unterstützen. Das gilt auch für die Marketingabteilung: Enger Austausch ist hier besonders wichtig, um rasch auf geänderte Kundenbedürfnissen zu reagieren und entsprechende Marketing Strategien anzupassen“, beschreibt Trimmel das Zusammenspiel der verschiedenen Abteilungen.

Auch Sturzeis plädiert dafür, in einem ­Unternehmen netzwerkartig zu agieren: „Themen sollten beispielsweise ins Netzwerk eingespeist und gemeinsam gelöst ­werden. Dafür bedarf es definierter Prozesse, an denen Marketing, Customer Service, Außendienst, Medical Services, IT, Administration etc. beteiligt sind.“