PHARMAustria: Herr Mag. Mraz, was sind Ihre Ziele für die GPMed in den nächsten Jahren?
Mag. Bernhard Mraz: Mir ist es ein Anliegen, die erfolgreiche Arbeit der GPMed fortzusetzen, denn unsere drei Circles – Clinical Operations Circle, Medical Affairs Circle und Research Innovation Circle – haben in den letzten Jahren Großartiges geleistet. Zudem überlegen wir aktuell, wie wir für unsere Mitglieder die bestehenden Services, die über unsere viermal jährlichen, immer sehr gut besuchten Veranstaltungen hinausgehen, noch weiter ausbauen können. Und zwar sowohl für bestehende Mitgliedergruppen als auch für neue Zielgruppen. So gibt es beispielsweise den Wunsch, auch die Clinical Study Coordinators und die Clinical Study Managers zusammenzubringen und miteinander zu vernetzen. Daher planen wir, einen vierten Circle aufzubauen, der sich genau mit diesem Thema beschäftigt und alle Study Coordinators, alle Study Nurses etc. zusammenbringt. Dieser Circle soll sich dann – analog zum Clinical Operations Circle, der sehr stark auf die operative Durchführung auf Sponsorseite abzielt – auf die Aspekte, die nachher auf der Prüfzentrenseite zu berücksichtigen sind, fokussieren. Auch der Research Innovation Circle wächst, und hier wird es in Zukunft bestimmt auch die eine oder andere Kooperation mit Behörden und weiteren Verbänden geben.
Wie ist es generell um den Forschungsstandort Österreich bestellt?
Mraz: Die Clinical Trail Regulation war als Verbesserung für den Studienstandort Europa gedacht. Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Viele Studien gehen zurzeit vorrangig an die Schweiz, USA, China, also an nicht-europäische Länder. Natürlich ist Europa nach wie vor ein wichtiger Player im internationalen klinischen Markt und daher finden Studien auch in Europa statt. Was wir aber verloren haben, ist unsere Wettbewerbsfähigkeit in Bezug auf Schnelligkeit. Durch die relativ kurzen Bewilligungs-Timelines, die wir vor der CTR und vor CTIS hatten, waren wir sehr schnell. Diesen großen Vorteil haben wir verloren. In einigen anderen Ländern gibt es bereits sogenannte Standardvertragsklauseln, die einzuhalten sind. Mit diesen läuft die Vertragsgestaltung viel schneller, als es derzeit bei uns in Österreich der Fall ist. Hier gibt es Verbesserungsbedarf. Dabei will und kann die GPMed eine wichtige Rolle einnehmen, denn es ist unsere Kernmission, den österreichischen Studienstandort weiterhin erfolgreich zu erhalten, um den österreichischen Forscherinnen und Forschern hier Studien anbieten zu können bzw. Studien nach Österreich zu holen und internationale Forschende anzulocken. Dies ist auch für Österreich als Wissenschaftsstandort ein wichtiger Aspekt und die GPMed setzt sich für eine Verbesserung der Situation ein. Dabei ist es von Vorteil, dass die GPMed ein unabhängiger Verein ist. Als solcher engagiert sie sich dafür, dass alle Stakeholder gemeinsam nach Lösungen suchen.
Sie haben den Research Innovation Circle, kurz RIC, erwähnt. Frau Mag.a Mikl, könnten Sie bitte kurz erläutern, was genau die Aufgabe des RIC ist?
Mag.a Veronika Mikl: Den Research Innovation Circle gibt es seit 2022 und er beschäftigt sich unter anderem mit Neuerungen in der Forschung, u.a. auch mit dem Thema Sekundärdatenutzung für Forschungszwecke, Real World Data, digitale Medizinprodukte – sogenannte Software wie Medical Devices, Artificial-Intelligence-Lösungen in der Gesundheitsforschung etc. Dabei wird der RIC von Expertinnen und Experten aus Behörden, Akademia und anderen Gesundheitseinrichtungen unterstützt, z.B. beim Studien-Set-up für Medizinproduktestudien bzw. Arzneimittelstudien.
Derzeit beschäftigt sich der RIC intensiv mit Real World Data. Welche Aktivitäten gibt es aktuell hierzu?
Mikl: Der RIC hat sich in der letzten Zeit intensiv mit der Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke in Österreich auseinandergesetzt. 2022 konnten wir gemeinsam mit zahlreichen Expert:innen das Thema Qualität von Real World Data (RWD) beleuchten und eine Publikation im Juni 2022 im Journal of Medical Informatics veröffentlichen. Darin haben wir uns näher mit der Frage beschäftigt, welche Qualität RWD haben sollten und was es braucht, um RWD für wissenschaftliche Zwecke oder zur Entscheidungsfindung im Gesundheitsbereich besser nutzen zu können. Diese Publikation („RWD-Qualität für Forschung & Entscheidungsfindung“; siehe Link im Kasten) enthält auch eine Checkliste bezüglich der Minimum-Voraussetzungen, die man berücksichtigen sollte, wenn man mit RWD arbeitet bzw. qualitativ hochwertige RWD-Quellen aufbauen und mit diesen auch später forschen möchte, Stichwort Sekundärdatennutzung.
Als nächsten Schritt haben wir uns mit der Frage beschäftigt, welche RWD-Quellen aus Österreich schon beforscht werden. Unter RWD verstehen wir im breitesten Sinne Daten, die in Routineprozessen – also nicht in klinischen Studien – erhoben werden. Das sind beispielsweise Registerdaten, Electronic Health Records, Daten in Krankenhausinformationssystemen, Sozialversicherungsdaten, Daten von Apps, Wearables etc. Hierzu haben wir über 70 Quellen gefunden, mit denen in Österreich bereits geforscht wurde. Die Publikation dazu („RWD-Quellen in Österreich“; siehe Link im Kasten) wurde im April 2024 veröffentlicht. Die GPMed hat den Rahmen geschaffen, damit sich die interdisziplinäre Expertengruppe zu diesem besonders relevanten Thema austauschen und auch diese Arbeit verfassen konnte. Es werden auch weitere Kooperationen überlegt, da es hier noch viel Wissensvermittlung und Aufklärungsarbeit in Österreich braucht.
Welche sind die wichtigsten Erkenntnisse der aktuellen Publikation?
Mikl: Unsere Recherche hat beispielsweise ergeben, dass einige Quellen, die bereits beforscht worden sind, nicht mehr gefunden werden konnten. Das hat uns gezeigt, dass es im Hinblick auf den Forschungsgedanken noch mehr Einsatz braucht, Datenquellen auffindbarer („findable“) und zugänglicher („accessible“) zu halten, also die FAIR Data Principles, die wir in der ersten Publikation hervorgehoben haben, auch zu leben. Unsere Arbeit unterstreicht auch, dass man an den Maßnahmen in der aktuellen eHealth-Strategie der Bundeszielsteuerungskommission konsequent weiterarbeiten muss, um Mehrwert im Gesundheitsbereich zu schaffen.
Zudem wird auch die Sekundärdatennutzung immer wichtiger. Schließlich wurde im April 2024 vom EU-Parlament die Gesetzgebung zum European Health Data Space in der geänderten Form akzeptiert. Dabei kommt den Secondary Use of Health Data besondere Bedeutung zu – auch in Bezug darauf, was mit RWD möglich sein sollte und wie diese die klinische Forschung unterstützen sollten. Unsere Publikation dient daher auch dazu, zu schauen: Ist Österreich bereit dafür bzw. was müssen wir noch tun, um bereit zu sein? Wo müssen sich die akademischen Einrichtungen, die öffentlichen Einrichtungen oder wir uns im Forscherumfeld noch fit machen? Hierzu möchten wir mit unseren Aktivitäten und den GPMed-Fortbildungen Wissen vermitteln.
Was ist diesbezüglich geplant?
Mikl: Es hat bereits einige Fortbildungen zum Thema, wie wir mit Real World Data umgehen sollten, gegeben. Aktuell hat die GPMed eine Orientierungshilfe entwickelt, wie man Real-World-Data-basierte Studien in Österreich aufsetzen kann, welche Gesetze dafür zu berücksichtigen sind, welche Behörden zu involvieren sind, wie man die Fragestellung für ein Studienprotokoll entwickelt etc. Die Unterlage ist auf der Homepage der GPMed unter „Fortbildungen“ angeführt. Aufgrund laufender Veränderungen und Neuerungen im Digital- bzw. Datenbereich und der vielen neuen Gesetze auf EU-Ebene ist es einfach schwierig, alle Neuerungen sofort umzusetzen. Da gibt es anfangs auch noch manche Unklarheiten. Hier will die GPMed Orientierungshilfen und Fortbildungen anbieten.
Vielen Dank für das Gespräch!