„Ich bin ein Gestalter“

Das österreichische Gesundheitswesen befinde sich derzeit in der größten Umbruchphase der Nachkriegszeit, ist Alexander Herzog überzeugt: „Dass das österreichische Gesundheitswesen reformiert werden muss, ist schon sehr lange Thema. Jetzt geht es zum ersten Mal tatsächlich darum, Strukturen zu verändern, die seit Jahrzehnten eingefahren sind.“ Grundsätzlich begrüße er jede Art von Reform; man müsse allerdings einschränkend sagen, dass bei den derzeit geplanten Veränderungen nur das Sozialversicherungssystem reformiert werde – der gesamte Spitalsbereich sowie das Thema der Finanzierungsstrukturen (Stichwort: duales Finanzierungssystem) werde nicht angetastet, so Herzog weiter.
In seinen Augen ist es ein wichtiger Schritt, jetzt einmal das „Zahler-System“ auf den Prüfstand zu stellen. „Dabei ist es von großer Bedeutung, dass man bei der Reform den Fokus auf die Versicherten legt und sich bei allen Systemveränderungen fragt, was tatsächlich bei diesen ankommt“, betont der Pharmig-Generalsekretär. Welche Auswirkungen die Kassenreform für die Versicherten konkret haben wird, lässt sich laut Herzog derzeit noch nicht prognostizieren.

Mehr Sichtbarkeit für ­pharmazeutische Industrie

Herzog sieht sich als starker Gestalter und Manager im Gesundheitssystem. Dass in Österreich 96% der pharmazeutischen Unternehmen Mitglied der Pharmig, einer freiwilligen Interessenvertretung, sind, sei ein Rekordwert innerhalb von Europa. „Daraus entsteht für uns als Pharmig eine große Verantwortung. Unsere Hauptaufgaben bestehen darin, der pharmazeutischen Industrie mehr Sichtbarkeit zu verleihen und eine aktive Rolle bei den Veränderungen, die aktuell und in Zukunft im Gesundheitswesen passieren, zu übernehmen. Wir haben viele Fachleute, viele gute Ideen – und wir wollen, dass diese gehört werden. Denn eines darf man nicht vergessen: Ohne die pharmazeutische Industrie würde das Gesundheitswesen nicht funktionieren“, unterstreicht Herzog.

Pharmig goes digital

Auch innerhalb der Pharmig will Herzog aktiv Strukturveränderungen angehen: „Wir arbeiten aktuell daran, die Strukturen und Prozesse der Pharmig hinsichtlich Service­optimierung zu den Mitgliedsunternehmen neu zu gestalten. Dafür läuft ein umfangreicher Organisationsentwicklungsprozess, der sich gerade in einer sehr intensiven Phase befindet.“
Bei diesen Veränderungen spielt auch die Digitalisierung der Pharmig eine große Rolle. „Unter dem Motto ,Pharmig goes digital‘ arbeiten wir daran, alle unsere Prozesse zu digitalisieren. Wir halten dies in einer Zeit, in der die Manager unserer Mitgliedsunternehmen viel unterwegs sind, für erforderlich, um mobile Erreichbarkeit auch in Entscheidungs- und Abstimmungsprozessen zu ermöglichen. Hier möchten wir ebenfalls eine europäische Benchmark setzen“, lautet Herzogs Zielsetzung, der hierbei auf seine Erfahrungen bei der SVA zurückgreifen kann, bei der er in den letzten vier Jahren das Thema Digitalisierung vorangetrieben hat.

Medikamentennutzen verstärkt in den Vordergrund rücken

Herzog sieht die pharmazeutische Industrie aktuell mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Die eine besteht seiner Ansicht nach in der Kommunikation: „Wir müssen sehr gezielt und strukturiert unsere vielen positiven Botschaften nach außen transportieren. Die pharmazeutische Industrie sichert in Österreich nicht nur Tausende Arbeitsplätze, sondern schafft immer wieder neue“, lautet eine der wichtigen Informationen, die Herzog der breiten Öffentlichkeit kommunizieren will.
In diesem Zusammenhang möchte er auch den Nutzen von Medikamenten verstärkt in den Fokus rücken. „Wenn man sich vor Augen hält, wie viel Know-how und Aufwand erforderlich sind, um ein Medikament herzustellen, bekommt man einen unglaublichen Respekt – sowohl vor der Innovations- als auch vor der unternehmerischen Leistung. Auch das ist der breiten Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt“, betont Herzog. Und es ist ihm ein großes Anliegen, das zu ändern: „Medikamente werden sehr stark über den Preis wahrgenommen. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass eine Tablettenpackung beim Kauf nun mal keinen emotionalen Mehrwert bietet wie beispielsweise eine Uhr oder ein Auto. Den emotionalen Mehrwert spürt man erst, wenn sich das Befinden nach der Einnahme des Medikaments nach einer gewissen Zeit bessert. Dass hier unglaubliche Innovationen in der Apotheke über die Tara gereicht werden, ist den meisten viel zu wenig bis gar nicht bewusst.“
Auch diesen Aspekt – nämlich dass hinter einer Tablette, die dem wichtigsten Gut des Menschen, der Gesundheit, dient, jahrelange intensive Forschung steckt, in die Milliarden von Euros investiert wurden – will der Pharmig-Generalsekretär deutlicher ins Bewusstsein bringen. Um das zu erreichen, brauche es, so Herzog weiter, einen langfristigen intensiven Kommunikationsprozess, in dem die Auswirkungen des Medikaments – also die Verbesserung des Gesundheitszustands – in den Vordergrund gestellt werden sollten.
Die zweite Herausforderung sieht Herzog darin, dass in Österreich ein Rückgang klinischer Studien zu verzeichnen ist: „Dies stellt einen Verlust an Potenzial dar. Hier muss Österreich sich bemühen gegenzusteuern, damit wir wieder den Anschluss an die Weltspitze schaffen!“

EMA-Sitz: Scheitern nachteilig für Österreich

In seiner früheren Position als geschäftsführender Obmann der SVA bemühte sich Herzog gemeinsam mit der Pharmig um Wien als neuen Sitz der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA. Die EMA nach Wien zu holen, ist nicht gelungen – sicher kein Vorteil für Österreich, wie Herzog bedauert. Denn die EMA hätte rund 800 hoch qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen, die viel Wissen und Know-how nach Österreich gebracht hätten. „Die Stadt Wien und die Republik Österreich haben eine sehr gute Bewerbung abgeliefert. In der letzten Phase der Bemühungen hat aber der Nationalratswahlkampf meiner Ansicht nach mehr Fokus bekommen als die Ansiedelung der EMA in Wien. Generell sehe ich bezüglich der Vernetzung bei Entscheidungsprozessen in Brüssel noch Optimierungsbedarf für Österreich“, meint Herzog.

Gemeinsam Verantwortung tragen

Herzog liegt es sehr am Herzen, dass jedem im Gesundheitssystem Tätigen bewusst ist, dass man gemeinsam Verantwortung für die Versicherten trägt. „Wir brauchen ein gegenseitiges Verständnis der verschiedenen Player im Gesundheitswesen. Wenn sich jeder um eine gesamtheitliche Sicht bemüht, können wir gemeinsam unserer Verantwortung gerecht werden“, ist er überzeugt. Dabei sollte jeder Rücksicht auf die „Schmerzpunkte“ der anderen Beteiligten nehmen, denn man müsse sich aufeinander verlassen können, so der Pharmig-Generalsekretär. Und er sagt abschließend: „Nur wenn eine gewisse Berechenbarkeit herrscht, ist langfristige Planbarkeit gegeben. Dazu gehört meiner Ansicht nach auch, dass Zulassungsprozesse transparent und nachvollziehbar sind.“

 

Mag. Alexander Herzog

Bei Medikamentenpreisen zahlt man ­jahrelange kostenintensive Forschung mit. Diese Innovationsleistung muss bei der ­­Preisdiskussion mitbedacht werden.