Mag. Ingo Raimon begann seine Pharmakarriere 1989 bei Abbott und war dort über 20 Jahre in unterschiedlichen Funktionen und Ländern tätig. Ab 1999 war er General Manager in Österreich. Mit Jänner 2013 übernahm er die Geschäftsführung des biopharmazeutischen Unternehmens AbbVie, das nach der Trennung von Abbott die forschungsbasierten pharmazeutischen Leistungen gebündelt hat. Raimon setzte sich über Jahrzehnte hinweg für die Interessen der Pharmaindustrie ein und war einer der Gründer des FOPI – Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich, dessen Präsident er von Jänner 2013 bis Dezember 2016 sowie von November 2017 bis November 2020 war. Im Mai 2023 wurde er zum Präsidenten der PHARMIG gewählt, deren Vorstandsmitglied er seit 2013 war.
„Ich hatte das Privileg, in den Jahrzehnten meiner Tätigkeit einige entscheidende medizinische Weiterentwicklungen miterleben zu dürfen“, berichtet Raimon und nennt als Beispiel den Standard of Care in der Behandlung von Immunerkrankungen: „Die Einführung von Biologika und speziell TNF-Alpha-Blockern vor mittlerweile mehr als 20 Jahren hat die Behandlungsmöglichkeiten in der Rheumatologie, Dermatologie und Gastroenterologie revolutioniert. Diese Innovationen haben einen entscheidenden Unterschied in die Qualität der Behandlung von Betroffenen gebracht, sodass man in der Rheumatologie beispielsweise heute von einem Stoppen des Krankheitsfortschritts sprechen kann.“ Ein weiterer Meilenstein war für Raimon die Entwicklung von effektiven Therapien gegen Hepatitis C, die die Behandlung von einer langwierigen und nebenwirkungsreichen Prozedur zu einer kurzen und nahezu nebenwirkungsfreien Therapie verändert haben.
„Gerade im Hinblick auf die großen Herausforderungen im Gesundheitssystem, z.B. Sicherstellung bestmöglicher Versorgung und Durchführung klinischer Studien, braucht es ein politisches Bekenntnis zur Gesundheit sowie entsprechende Ressourcen.“ Mag. Ingo Raimon; © AbbVie
Das Miterleben dieser großen Fortschritte bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen war für Raimon sehr prägend. „Auch bei der Therapie von HIV ist uns in den letzten Jahrzehnten ein unglaublicher Fortschritt gelungen, insbesondere durch die Einführung von Proteaseinhibitoren im Jahr 1996. So konnte erreicht werden, dass eine Erkrankung mit Todesurteil zu einer chronischen Erkrankung wurde, die mit wenigen Nebenwirkungen gut behandelbar ist“, bringt er ein weiteres Beispiel. Diese Entwicklungen zeigen seiner Meinung nach, dass die Pharmaindustrie stetig daran arbeitet, lebensbedrohliche Krankheiten in behandelbare chronische Zustände zu verwandeln. „Und genau das müssen die Pharmaunternehmen auch weiterhin tun. Es geht um ein kontinuierliches Streben nach dem bestmöglichen Behandlungsstandard bzw. in letzter Konsequenz darum, aus Erkrankungen mit Todesurteil chronische Erkrankungen und aus chronischen Erkrankungen heilbare Erkrankungen zu machen.“ Dies erfordere viel Forschung und sei mit einem finanziellen Risiko verbunden – „diesen Aufwand und dieses Risiko gilt es wertzuschätzen“, appelliert Raimon an die anderen Player im Gesundheitssystem, denn letztlich könne man nur gemeinsam die bestmöglichen Ergebnisse für die Patient:innen erzielen.
Für die Zukunft sieht er u.a. Parkinson als eine der großen Herausforderungen, da diese Erkrankung aufgrund der alternden Bevölkerung immer relevanter wird und nur durch gemeinsames Engagement und innovative Therapien bewältigt werden kann. „Ein wichtiger Schritt wurde bei der Parkinson-Therapie 2024 mit der Möglichkeit einer subkutanen, minimalinvasiven Therapie bereits gesetzt“, so Raimon.
Als Geschäftsführer ist Raimon stolz darauf, dass AbbVie seit zehn Jahren stets Spitzenplatzierungen bei „Great Place to Work“ erzielt. Raimon: „Wir haben eine Arbeitsplatzkultur etabliert, die uns Spitzenplatzierungen ermöglicht. Diesbezüglich möchte ich dem Leadership-Team und allen Mitarbeitenden großen Dank aussprechen.“ Seine letzten zwei Monate vor der Pensionierung sind geprägt von der Übergabe an Mag.a Ute Van Goethem: „Mit 31.3.2025 scheide ich als Geschäftsführer aus den Firmenbüchern aus und ich freue mich, dass mit Ute Van Goethem eine erfahrene Managerin, die Österreich und seine Player sehr gut kennt, die Geschäftsführung übernimmt.“
In FOPI und PHARMIG die Bedeutung der pharmazeutischen Industrie in Österreich vertreten zu dürfen, hat Raimon immer als Privileg empfunden. „Ich möchte mich an dieser Stelle bei den ausgezeichneten Teams von FOPI und PHARMIG und den vielen Menschen, mit denen ich in den Verbänden zusammenarbeiten durfte, bedanken“, betont Raimon. Warum er die Verbandsarbeit für so wichtig hält, erklärt er folgendermaßen: „In der Medizin werden wir die Herausforderungen von morgen nicht immer mit den Präparaten von gestern managen können. Das bedarf eines stetigen Fortschritts – für den wir aber auch die entsprechenden Rahmenbedingungen benötigen. Hier kommt den Interessenverbänden wie FOPI und PHARMIG ein wichtiger Stellenwert zu.“
Allen, die sich jetzt und in Zukunft in den Verbänden engagieren, rät er, dazu beizutragen, dass die vielen Jobs, die die pharmazeutische Industrie in Österreich bietet, auch für die Zukunft erhalten werden: „Bei der Verbandsarbeit geht es gerade jetzt darum, dass Österreich ein attraktiver Standort für Produktion, für Forschung und für Entwicklung bleibt. Dafür gilt es einzustehen, damit den Patient:innen auch in Zukunft die bestmögliche Behandlung zur Verfügung steht und beispielsweise auch im Bereich ‚Unmet Medical Need‘ Fortschritte erzielt werden können.“ Zudem gelte es immer wieder zu erklären, dass ein Medikament zur Behandlung einer Erkrankung nicht ausreicht, sondern man mehrere Pfeile im Köcher braucht, denn „es kann immer Patient:innen geben, die auf diese eine Therapie nicht ansprechen. Für diese braucht es Alternativen – auch wenn das österreichische Erstattungssystem darauf leider nicht ausgerichtet ist. Daher müssen die Vertreter:innen der Pharmaindustrie die Bedeutung dieser Wahlmöglichkeit für die Patient:innen immer wieder von Neuem herausstreichen“, so Raimon weiter.
Der Stellenwert der klinischen Forschung könne vor diesem Hintergrund nicht genug betont werden, unterstreicht Raimon. Gegenüber den anderen Stakeholdern sei diesbezüglich immer noch Aufklärungsarbeit zu leisten: „Es lohnt sich und es ist wichtig, für die Pharmaindustrie einzustehen und immer wieder zu erklären, dass Arzneimittelforschung und -entwicklung ein finanzielles Hochrisikogeschäft ist. Denn in den Köpfen von manchen Stakeholdern herrschen hierzu andere Bilder vor, die es gilt zurechtzurücken. Derzeit ist die Pharmabranche meiner Ansicht nach in Österreich ein unterschätzter Wirtschaftsfaktor.“
Es sei nicht zuletzt im Interesse Österreichs, klinische Forschung und klinische Studien im Land zu halten bzw. ins Land zu holen, ist Raimon überzeugt und zählt die Vorteile auf: „Mediziner:innen und Patient:innen profitieren davon, da sie in klinischen Studien mit der nächsten Generation von Präparaten behandeln können bzw. behandelt werden. Zudem ist klinische Forschung ein Jobmotor und erspart darüber hinaus dem Gesundheitssystem Kosten, da die klinischen Produkte in den Studien kostenlos zur Verfügung gestellt werden und Spitalserhalter durch die Gebühren, die verrechnet werden können, gewisse Einnahmen generieren.“ Doch die Zahl der klinischen Studien ist in Österreich rückläufig – eine Entwicklung, die Raimon mit Sorge betrachtet und sich baldigst Gegenstrategien wünscht, denn: „Österreich hat etwas zu verlieren, wenn die Rahmenbedingungen für klinische Studien bzw. generell für den Pharmastandort nicht günstig sind!“