Roche Diagnostics richtet sich als wissenschaftlich geprägtes Unternehmen an drei Kernwerten aus: Leidenschaft, Mut und Integrität. Im Rahmen dieser Werte motivieren wir unsere Mitarbeiter immer wieder, auch Risiken einzugehen – denn nur dann ist Fortschritt möglich“, betont Dr. Uta-Maria Ohndorf, Geschäftsführerin Roche Diagnostics Austria.Es ist erklärtes Ziel des Unternehmens, Verbesserungen für Patienten zu erzielen und die Gesundheitsversorgung in Österreich und anderen Ländern voranzutreiben. Dafür investiert Roche fast 20% seines Umsatzes in Forschung. „Dieser Fortschritt zum Wohle der Patienten ist auch der Aspekt, der mich persönlich motiviert. Ich bin Chemikerin und war vorher akademisch tätig; die Nähe zum Patienten und der Anspruch, etwas verändern zu wollen, haben mich in die Wirtschaft geführt“, erzählt Ohndorf.
Ohndorf sieht Diagnostik-Unternehmen ein wenig als die „Hidden Champions“ der Gesundheitsbranche: „Unser Unternehmen entwickelt Tests, mit denen Ärzte das notwendige Wissen für ihre Therapieentscheidungen generieren. Ohne dieses Wissen der Diagnostik wären diese Entscheidungen nicht zu treffen.“ Wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung der Tests sind für Ohndorf das Verständnis, wie eine bestimmte Krankheit funktioniert, und – daraus abgeleitet – die Frage, was man ermitteln möchte. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist ihrer Ansicht nach der Zeitfaktor: „Wir brauchen Technologien, die sehr schnell die nötigen Antworten liefern, damit ein Arzt auch entsprechend reagieren kann“, so die Geschäftsführerin. Dazu kommt laut Ohndorf ein dritter Aspekt, der noch relativ neu ist: „Idealerweise hilft man dem Arzt, auch auf bereits vorhandenes Wissen zurückzugreifen.“
Diese sogenannte „digitale Diagnostik“ ist eines der wichtigen Zukunftsfelder von Roche Diagnostics, in das derzeit viel investiert wird. Die Kernproblematik dabei lautet: Es gibt schon sehr viel Wissen und es stehen sehr viele Möglichkeiten, Therapieentscheidungen zu treffen, zur Verfügung. Aber wie bekommt man dieses Wissen in die Hand eines Arztes zu dem Zeitpunkt, an dem er es braucht?
„Eine Software, die das ermöglicht, wäre ein unglaublich wertvoller Ansatz zu einem besseren Gesundheitssystem und würde sich vermutlich auch positiv auf die Kostenfrage auswirken“, sagt Ohndorf. Einsatzmöglichkeiten wären z.B. Teamsitzungen im Krankenhaus, bei denen die behandelnden Ärzte und Pflegepersonen in kurzer Zeit sehr viele Patientenfälle besprechen müssen. Hier sieht Ohndorf eine große Chance, alle Befunde und Therapiemöglichkeiten im Rahmen dieser Software aufzubereiten. „Dann müssten nicht einmal mehr alle Experten im selben Raum sein, sondern es könnten auch Experten aus anderen Krankenhäusern Österreichs und sogar aus anderen Ländern hinzugezogen werden.“
Roche Diagnostics arbeitet aktuell an der Entwicklung digitaler Tools, mit deren Hilfe man auf Datenbanken, klinische Studien etc. zugreifen kann. So wird beispielsweise die Software NavifyTM in Österreich in diesem Jahr als Pilotprojekt durchgeführt werden, zunächst in einem großen Krankenhaus.
Wichtigster Partner des Unternehmens sind die Labors, mit denen ein reger Austausch geführt wird. Hier stehen die Herausforderungen der Zukunft regelmäßig im Fokus, beispielsweise welche technologischen Entwicklungen benötigt werden oder ob neue Technologien in einem Labor funktionieren können. „Ich halte es für essenziell, dass auch Labore über die Vorteile von diagnostischen Tests und Markern gut informiert sind, um auch den zuweisenden Ärzten entsprechend Auskunft geben zu können“, erklärt Ohndorf. Hierzu nennt sie ein Beispiel aus Österreich: „Gebärmutterhalskrebs wird durch das humane Papillomavirus hervorgerufen und wäre in nahezu 100% aller Fälle vermeidbar, wenn man die Infektion mit diesem Virus rechtzeitig diagnostizieren würde. Zwar wird der PAP-Abstrich regelmäßig beim Gynäkologen durchgeführt, doch in einem Drittel der Fälle von Gebärmutterhalskrebs war der PAP-Test negativ. Hier stünde ein moderneres HPV-Screening zur Verfügung, das aber nicht erstattet und vom Arzt nur bei bestimmten Indikationen verordnet wird. Und es gibt mehrere Fälle wie diesen, dass wir moderne Diagnosemöglichkeiten hätten, diese aber nicht zum Einsatz kommen“, so Ohndorf.
Dies ist ihrer Meinung nach unter anderem darauf zurückzuführen, dass es im Gegensatz zu Pharma für Diagnostik keinen strukturierten Refundierungsprozess gibt. „Nur was refundiert wird, wird auch genutzt. In anderen Ländern gibt es diesbezüglich einen klaren Prozess – hier herrscht in Österreich Nachholbedarf“, betont Ohndorf. Diesbezüglich würde sie sich ein Umdenken von Politik, Kassen und Ärzten wünschen.
Wachsende Bedeutung hat laut Ohndorf in den letzten Jahren die personalisierte Medizin erlangt – ein medizinischer Ansatz, der auf genetische Informationen eines Menschen oder eines Virus zugeschnitten ist. Mithilfe der Diagnostik kann man relativ genau den Status erkennen und dann ganz gezielt ein bestimmtes Medikament oder eine bestimmte Behandlung auswählen. Ohndorf dazu: „Mittlerweile ist es so, dass bei Roche eine Vielzahl von Medikamenten personalisiert ist und es werden in den nächsten Jahren weitere personalisierte Therapien hinzukommen.“
Am österreichischen Gesundheitswesen schätzt Ohndorf das innovative Mindset, d.h. die Offenheit für Neues. Zudem, so die Geschäftsführerin weiter, gäbe es in Österreich viele sehr gut ausgebildete wissenschaftliche Mitarbeiter, daher rekrutiere Roche sehr gerne in Österreich.
Hinsichtlich der wiederkehrenden Kostendiskussion betont Ohndorf, dass die Diagnostik helfen könne, Kosten zu sparen, da sie die Grundlage für Therapieentscheidungen liefere: „Heutzutage sind wir sogar schon so weit in der Diagnostik, dass wir eigentlich präventiv diagnostizieren können: Wird dieser Mensch krank werden oder nicht? Nehmen wir das Beispiel Präeklampsie, eine Schwangerschaftsvergiftung. Bei rund 16.000 Frauen in Österreich pro Jahr besteht der Verdacht auf Präeklampsie und viele von ihnen werden hospitalisiert. Doch die meisten sind gesund – die Fehldiagnose passiert, weil die Symptome so unspezifisch sind. Trotzdem müssen die Patientinnen in Notfallbetten stationär betreut werden, und das ist teuer. Hier könnte eine eindeutige Diagnostik dem Gesundheitssystem viel Geld ersparen“, ist Ohndorf überzeugt.
Generell wünscht sich die Roche-Diagnostics-Geschäftsführerin bei der Kostendebatte, dass man den Fokus mehr auf den Kostenimpact richten würde, denn es gehe schließlich um Kosten und Qualität. „Ich denke, es wäre hilfreich, Health Technologie Assessments durchzuführen und Health Economic Models zu berechnen. So könnte man eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage gewinnen. Hier wären Gespräche zwischen der Regierung und Austromed als Interessenvertretung der Medizinproduktehersteller sinnvoll, in denen ich mich gerne auch persönlich engagieren würde“, so Ohndorf abschließend.