Dr. Jan Oliver Huber, Leiter des Gesundheitspolitischen Forums und Vorstandsmitglied der Karl Landsteiner Gesellschaft, kritisierte in seinem Eröffnungsstatement der Veranstaltung Ende Mai 2023, dass in den letzten Jahren Reformen im Gesundheitsbereich gefehlt hätten, worunter die Versorgung durchaus gelitten hätte. Diskutiert wurde dies am Beispiel mentale Gesundheit.
Prim. Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Martin Aigner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP), betonte, dass gerade im Bereich der psychiatrischen Erkrankungen der derzeitige Umgang mit Psychopharmaka-Innovationen zu hinterfragen sei, denn „diese werden nur an den Medikamentenkosten und nicht an den sozialen Auswirkungen gemessen“. Dabei würden die neueren, innovativen Medikamente oftmals eine raschere Rückkehr der Betroffenen an den Arbeitsplatz ermöglichen – „auch das muss bei der Kostenbewertung eine Rolle spielen!“
Dr.in Alexandra Ferdin, MSc, Leiterin der Abteilung für strukturpolitische Planung und Dokumentation im Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK), erklärte in ihrem Vortrag, dass der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) darauf abziele, durch die Strukturqualitätsvorgaben in den verschiedenen Versorgungsstrukturen österreichweit gleiche Versorgungsstandards zu erreichen – „im Sinne eines ‚Best Point of Service‘ für die Patient:innen“.
Über die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Depressionen in Österreich sprach anschließend Dr. Martin Gleitsmann, Senior Researcher bei Economica, und legte dabei den Fokus auf therapieresistente Depressionen (TRD). Laut der von ihm präsentierten Studie belaufen sich die direkten Kosten (bewerteter Ressourcenverbrauch für Gesundheitsdienstleistungen und -güter) für alle TRD-Betroffenen auf 113 Mio. Euro im Jahr. „Dabei fällt auf, dass der Anteil für die Arzneimittelkosten mit 3,5 Mio. Euro pro Jahr im Vergleich zu den 21,6 Mio. Euro für ambulante Leistungen und 69,7 Mio. Euro für stationäre Leistungen (Psychiatrie) sehr gering ausfällt“, so Gleitsmann. Die indirekten Kosten (volkswirtschaftliche Kosten aufgrund von weniger Produktivität am Arbeitsplatz, mehr Krankheitstagen, frühzeitigem Tod oder frühzeitiger Pensionierung) belaufen sich auf 224,2 Mio. Euro pro Jahr.
Die nicht-pekuniären Kosten, die durch Folgeerscheinungen von Krankheiten entstehen, sind nicht monetär messbar, sondern werden in „disability-adjusted years“ (DALYs) gemessen. Bei den TRD-Patient:innen kommt hier eine Summe von 9.787 Jahren, die durch frühzeitigen Tod bzw. Verlust von Lebensqualität verloren gehen, zusammen. Alle diese Zahlen sind laut Gleitsmann bei der Nutzenbewertung von innovativen Medikamenten in Relation zu setzen.
Dr.in Silke Näglein, Ärztin für Allgemeinmedizin und im Medizinischen Dienst der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) tätig, berichtete in ihrem Vortrag über die Versorgungssituation der ÖGK im Bereich der mentalen Gesundheit. Sie sieht gerade bei den Arzneimitteln im psychiatrischen Bereich einen Bedarf an Innovationen, denn „die Medikamentenkosten sind im psychiatrischen Bereich deswegen so niedrig, weil die meisten Präparate sehr alt sind und daher wenig kosten“, erläuterte sie anhand von Zahlen. Ein innovativer Zugang wäre aus Nägleins Sicht aber auch bei der Finanzierung des Gesundheitssystems erforderlich: „Eine nachhaltige Gesundheitsfinanzierung braucht eine bessere Abstimmung zwischen allen Playern. Das würde viele Probleme lösen.“