Univ.-Prof. Mag. Dr. Tanja Stamm, PhD, MSc, MBA, Section for Outcomes Research, Center for Medical Statistics, Informatics, and Intelligent Systems, Medizinische Universität Wien, betonte in ihrem Eröffnungsstatement, dass vernetzte Gesundheitsdaten benötigt werden, um Patienten in optimaler Weise versorgen zu können. Die Situation in Österreich mit diversen Datensilos sei schwierig, so Stamm weiter, denn „gerade in der personalisierten Medizin kommen wir beispielsweise nur weiter, wenn wir auf vernetzte Daten Zugriff haben“. Auch Daten aus Patientensicht, d.h. Patient-reported Outcome, würden in Österreich noch viel zu wenig erhoben.
Priv.-Doz. Dr. Johannes Pleiner-Duxneuner, Co-Vorsitzender des PHARMIG Standing Committee Oncology und Medical Director bei Roche Austria GmbH, unterstrich die große Bedeutung vernetzter Daten für die Pharmaindustrie und bezeichnete diese als „Treibstoff für die Forschung“. Allerdings, so betonte er, gehe es dabei eben nicht um personenbezogene Daten, sondern um anonymisierte und zumeist auch aggregierte Daten. „Dass uns in Zukunft mehr Gesundheitsdaten zur Verfügung stehen, ist auch für den Standort und die Wertschöpfung in Österreich wichtig, sonst entsteht ein Standortrückstand gegenüber anderen Ländern. Denn bisher werden nur 5% der Gesundheitsdaten genutzt, 95% hingegen liegen brach, darunter beispielsweise die Routinedaten von Patientenversorgungen“, so Pleiner-Duxneuner. Würden diese ungenutzten Daten zugänglich gemacht und miteinander verknüpft, dann wären in seinen Augen weitere Fortschritte in der personalisierten Medizin sowie bei seltenen Erkrankungen möglich. Zudem könnte man bei Studien virtuelle Kontrollgruppen aus Real-World-Daten erstellen. „Das würde helfen, Studien zu beschleunigen und auch Kosten zu sparen“, erklärte Pleiner-Duxneuner. Allerdings wies er darauf hin, dass die Datenqualität dafür extrem hoch sein müsste und es daher Qualitätsstandards für Gesundheitsdaten in Österreich zu entwickeln gelte.
Für Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgo, Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht, Universität Wien, hat die COVID-19-Krise gezeigt, dass elementare Fragen in Österreich nicht beantwortet werden können, weil die Daten nicht verfügbar bzw. nicht verknüpft seien. „Dadurch gehen medizinisches Wissen und medizinischer Fortschritt verloren“, erläuterte er. Dabei ist in seinen Augen nicht die Datenschutz-Grundverordnung das Hindernis für die Nutzung von Gesundheitsdaten, sondern es sind die verschiedenen Datensilos in Österreich, bei denen verhindert wird, dass sie technisch und rechtlich miteinander verknüpft werden. Das „Austrian Microdate Center“, das nun geschaffen werden und sekundäre Forschung mit primär erhobenen Daten ermöglichen soll, betrachtet er als Schritt in die richtige Richtung. Für Forgo geht es bei der Nutzbarmachung von Gesundheitsdaten um das Abwägen von bestimmten Grundrechten: Datenschutz auf der einen Seite und Informationsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit etc. auf der anderen. Darüber wünscht er sich eine umfassende Diskussion. Seiner Ansicht nach kann man die Bevölkerung durch Transparenz, Kommunikation und Aufrichtigkeit von den Vorteilen, die die intensivere Verknüpfung und Nutzung von Gesundheitsdaten mit sich bringen würden, überzeugen.
DI Dr. Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin des Geschäftsfeldes AGES Medizinmarktaufsicht, erklärte ebenfalls, dass man ihrer Meinung nach verstärkt kommunizieren müsse, dass es um keine primäre, sondern um eine sekundäre Datennutzung gehe und die Daten anonymisiert seien. Sie wünscht sich einen grenzüberschreitenden Datenaustausch und erwähnte in diesem Zusammenhang die Strategie der Europäischen Kommission, einen europäischen Datenraum aufbauen zu wollen. „Alle nationalen Datenräume, die wir jetzt errichten, müssen streng verwaltet werden und vernetzbar sein. Es muss auch in Österreich klare Regeln für den Datenaustausch geben und die Qualität der Daten muss standardisiert sein. Es muss eine Auswertung unabhängig von der Quelle möglich sein, das ist für die internationale Vernetzung sehr wichtig. Zudem braucht es eine solide Infrastruktur und Interoperabilität (Fähigkeit zum Zusammenspiel verschiedener Systeme, Techniken oder Organisationen) – hier sind sicher noch Verbesserungen und Investitionen notwendig. Nur unter diesen Bedingungen können wir Gesundheitsdaten voll ausschöpfen – und das wäre zum Wohle der Patienten wünschenswert“, so Wirthumer-Hoche abschließend.