Auch für den Außendienst (AD) der Pharmaunternehmen war mit Beginn der Pandemie alles anders, erinnert sich Prof. Dr. Robin Rumler, Geschäftsführer der Pfizer Corporation Austria, zurück: „Persönlicher Kontakt mit den Kunden war nicht mehr möglich, alle Mitarbeiter waren im Homeoffice – für viele von uns eine völlig neue Situation. Heute, ein Jahr später, sind Online-Meetings mit Mitarbeitern und Kunden ganz normal – ein großer Sprung in die digitale Welt hat stattgefunden!“
Mag. Dominik Flener, Geschäftsführer der HealthCareConsulting Group, bestätigt dies: „Auch beim Außendienst hat sich gezeigt, dass jetzt einiges möglich ist, was früher nicht gegangen ist. Der große Vorteil bei den meisten Unternehmen war, dass die technische Infrastruktur – z.B. Laptops mit Kamera – vorhanden war. Als die Krise begann, wurde sie dann auf einmal genutzt. Zudem wurde seit März 2020 zusätzlich viel in die technische Ausrüstung investiert.“ Er ist davon überzeugt, dass viele der durch die Pandemie ausgelösten Veränderungen bestehen bleiben werden. „Wir haben einen Digitalisierungsschub von drei Jahren auf zwei Wochen heruntergebrochen – und es wurden die Chancen erkannt, die darin liegen“, so Flener. Denn virtuelle Termine sind mit weniger Reisezeit verbunden, Termine sind dadurch häufig schneller möglich und es besteht eine höhere Bereitschaft, Termine kürzer zu halten, was ebenfalls Zeit spart. „Daher wird man nach Ende der Pandemie sicher nicht wieder zum ‚alten Normal‘ zurückkehren. Es wird wohl – wie auch bei den Fortbildungen – auf eine Hybridvariante hinauslaufen“, prognostiziert Flener.
Claus-Dieter Beck, Geschäftsführer von cdb-sales, hat sich als Unternehmensberater, Trainer und Coach auf die Entwicklung und Optimierung von Vertriebsprozessen spezialisiert. Er betont, dass gerade der Vertrieb von den gravierenden Veränderungen durch die Pandemiesituation betroffen ist. „Präsenz beim Kunden und damit die Nähe zum Kunden wurde von einem Tag auf den anderen unmöglich, auf einmal hieß es bei den niedergelassenen Ärzten und in den Spitälern ‚kein Zutritt‘ und Alternativen waren zu Beginn keine vorhanden“, erinnert er sich an die erste Zeit der Pandemie. Dadurch sei die Beziehungsebene unterbrochen worden, und dies habe zu Unsicherheiten bei allen Beteiligten geführt. „Wir mussten uns auf eine neue Arbeitsweise umstellen und auch unser Angebot adaptieren. Telefonate bekamen eine neue Qualität und dienten nicht mehr nur zur Terminvereinbarung und zur Weitergabe von Zahlen, Daten und Fakten“, berichtet Beck weiter. Dafür sei es aber notwendig, Strukturen für solche Telefonate zu entwickeln, denn „der Telefonkontakt als Vertriebskanal wird bleiben“, so der Unternehmensberater.
Neben Telefonaten spielen auch Online-Meetings für das Aufrechterhalten des engen Kontakts mit Kunden und Geschäftspartnern eine große Rolle. Zudem wurden digitale Veranstaltungen, Schulungen etc. in den Arbeitsalltag integriert. Dieser digitale Sprung habe beim Außendienst gut funktioniert, sagt Rumler, denn „wir haben rasch festgestellt, dass Online-Meetings effizient und erfolgreich sind – übrigens auch als Alternative zu Präsenzveranstaltungen.“ Als Beispiel nennt er die im Herbst 2020 etablierte Pfizer-Veranstaltungsreihe #WissenSchafftVorsprung, ein regelmäßiges Infoformat, das eine Stunde dauert und kurze Impulsvorträge mit anschließender Diskussion anbietet. „Während beim ersten Webinar ein paar Hundert Teilnehmer dabei waren, hatten wir beim dritten bereits über 1.200 virtuelle Anmeldungen“, so Rumler, der davon überzeugt ist, dass virtuelle bzw. Hybridformate bei Fortbildungen etc. auch nach der Pandemie bestehen bleiben werden, da dadurch u.a. Fahrtzeiten wegfallen. Weiters betont er: „Sowohl für Veranstaltungen als auch für Kunden- und Mitarbeitermeetings gilt: Wenn sie online stattfinden, müssen sie kürzer als analoge Varianten sein! Lieber auf kurze, dafür qualitativ hochwertige, interaktive Fortbildungsangebote setzen, welche einen hohen Nutzen für die Zielgruppe bringen.“
Dass die Kommunikation über Online-Tools ähnlich persönlich sein kann wie bei analogen Treffen, war für Rumler zu Beginn der Pandemie eine interessante Erkenntnis, allerdings sei für Online-Meetings mehr Vorbereitung erforderlich und die Kommunikation müsse verstärkt am Punkt sein. Dies bestätigt auch Mag. Pia Maria Rendl, Regional Business Manager West im Außendienstteam von Daiichi Sankyo Austria: „Die (persönliche) Arztkommunikation über Telefon, Mail und Online-Meetings hat die Art der Kommunikation verändert. Die Information muss kompakter sein und man muss rasch(er) auf den Punkt kommen. Kurze, prägnante Inhalte sind gefragt. Informationen sollen relevant, wichtig und aktuell sein. Wenn werblich anmutende Materialien kreiert werden und zum Einsatz kommen, ist es notwendig, dass sie plakativ und übersichtlich sind.“
„Viele Ärzte haben die Besuche seit Pandemiebeginn klar geregelt, es wird bei Terminen stärker selektiert. Das bedeutet für den Außendienst, dass er intensiv daran arbeiten muss, einer der ‚Auserwählten‘ zu sein, den der Arzt empfängt“, erklärt Flener. Damit dies gelingt, müssen sich Pharmareferenten umstellen und zusätzliche Fähigkeiten erwerben, meint auch Günther Spandl, Head of Marketing Cardiovascular bei Daiichi Sankyo Austria: „Pharmareferenten müssen in der Lage sein, Stimmung und Atmosphäre am Telefon oder bei Online-Meetings rasch zu erkennen bzw. zu registrieren. Es braucht einen guten, einfühlsamen Mix zwischen Fragenstellen, Zuhören und Platzieren fachlicher Botschaften.“ Dabei sei eine gute Vorbereitung auf das Gespräch der Schlüssel zum Erfolg. „Gerade jetzt ist es zudem von großem Vorteil, wenn der Außendienstmitarbeiter den Kunden schon kennt, also bereits ein aufrechtes Vertrauensverhältnis existiert“, so Spandl.
Für ihn wie auch seine AD-Kollegin Pia Rendl ist klar, dass ein funktionierender Dialog zwischen Außendienst und Kunden folgende Aspekte erfordert:
Beck ist davon überzeugt, dass die Pandemie zu dauerhaften Veränderungen der Vertriebsprozesse führen wird. Und diese Wandlungsphase ist in seinen Augen noch nicht abgeschlossen. Seine Prognose für die Zukunft: „In den Vertriebscockpits der Zukunft wird künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen, auch als Steuerungselement. Als Vertriebskanäle werden Telefonate, Online- und Präsenzmeetings fungieren. Egal, welchen dieser Kontaktwege man wählt, wichtig ist, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich das Gegenüber wohlfühlt.“
Für AD-Mitarbeiter bedeutet das Folgendes: Sie sollten aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in der Lage sein, je nach Bedürfnis des Kunden die verschiedenen Kanäle kompetent bedienen zu können. Zu den Veränderungen beim Außendienst komme hinzu, dass die Kunden immer heterogener werden, erklärt Rendl: „Verschiedene Kundensegmente sind auf unterschiedlichen Kanälen unterwegs, weil sie unterschiedliche Präferenzen haben (junge, ältere, digital affine, jene, die noch gerne Hard Copies haben, usw.).“ Rendls Lösungsansatz: Keine Scheu vor neuen Programmen und Tools, sondern „der neue Außendienst sollte diesen aufgeschlossen gegenüberstehen und sie als Chance erkennen. Zudem muss der Außendienstmitarbeiter wissen oder herausfinden, welcher Kanal für welchen Kunden passt“. Nur so könne der AD-Mitarbeiter in Zeiten von limitiertem Zugang die Schnittstelle zwischen Ärzten und Firma sein. Rendl weiter: „Der Außendienst ist eine wichtige Drehscheibe und verteilt die Informationen dorthin, wo sie hingehören. Gute Ausbildung, die Bereitschaft, neue Tools anzuwenden, Verantwortungsgefühl und Entrepreneurship für das Gebiet sind extrem wichtig. Vorbereitung auf das Gespräch ist der halbe Erfolg.“
Rumler sieht den Außendienst als „Dirigenten der Kommunikation“, denn dieser verfüge über eine Reihe von Tools, um personalisierten Service anbieten zu können. „Auch hier werden sich in Zukunft Hybridformen von analogen und digitalen Kommunikationswegen durchsetzen“, ist er überzeugt.
Dem Marketing empfiehlt Rumler, sich mithilfe des Außendienstes zu informieren, was die Kunden brauchen und wie sie es brauchen, dann sei die Information genau am Punkt. „Wir haben festgestellt, dass sich auch die Bedürfnisse vieler Ärzte verändert haben. Viele, die früher digital abgelehnt haben, wollen in Zukunft nur noch digital kontaktiert werden. Das heißt für uns Pharmaunternehmen, dass wir unsere Gespräche mit den Kunden individuell gestalten müssen, ganz nach deren persönlichen Vorlieben. Und der Außendienst ist dabei der direkte Draht, über den man erfahren kann, was der jeweilige Kunde bevorzugt“, so Rumler.
Spandl sieht alle non-personal Marketingaktivitäten als Ergänzung zum bisherigen Face-to-Face-Kontakt zwischen Außendienst und Arzt. Und er betont: „Direkte Kommunikation zwischen Marketingabteilung und Ärzten kann die persönliche Beziehung und den persönlichen Kontakt des Außendienstmitarbeiters mit dem Arzt nicht ersetzen, sondern lediglich unterstützen.“
Für die Zeit nach der COVID-19-Pandemie müsse weiterhin ein guter, ausgeklügelter Mix aus klassischen und digitalen Medien forciert werden, um alle relevanten Kundensegmente dort anzusprechen und abzuholen, wo sich diese bewegen und wo sie bevorzugt angesprochen werden wollen, so Spandl. Er rät den Marketingverantwortlichen gerade in Zeiten mit zum Teil schwierigem Zugang zu den Zielgruppen, die Botschaften knapp und prägnant zu halten, damit diese auf den digitalen Wegen gut vermittelt werden können: „Die für den Außendienst bereitgestellten Materialien müssen die ‚neue Kommunikation‘ zwischen Außendienst und Ärzten mittels einfacher, klarer Visualisierung unterstützen. Alles muss aus einem Guss sein – die Strategie und der Besprechungsfokus, alles sollte aufeinander abgestimmt sein und in den verschiedensten Kanälen wiedererkannt werden. Der Kunde muss die Kernbotschaften auf verschiedenen Kanälen einheitlich wahrnehmen. Auch das Thema Templates für personalisierte E-Mails gewinnt immer mehr an Bedeutung.“
Rendl unterstreicht die hohe Wertigkeit eines gemeinsamen Agierens von Marketing-, Medizin- und Außendienstabteilung: „Brand Teams bündeln die unterschiedlichen Talente und Sichtweisen von Marketing, Medizin und Außendienst und liefern mit dem unmittelbaren Feedback aus dem Markt eine perfekte Möglichkeit, ein Finetuning der verwendeten Materialien zeitnah vorzunehmen und die Außendienstkollegen an Bord zu holen. Der bestmögliche Erfolg kann nur durch echte Teamarbeit erreicht werden.“
Auch Rumler betont, dass bei der Zusammenarbeit von Außendienst und Marketing immer auch die Medizinabteilung eine Rolle spiele: „Diese drei müssen voneinander und miteinander lernen, denn ihre Zusammenarbeit ist von großer Bedeutung: Die Medizinabteilung liefert die Informationen über Medikamente, das Marketing ist für die Aufbereitung der zu kommunizierenden Inhalte zuständig und der Außendienst weiß, was die Kunden wollen. Das macht ein intensives Miteinander erforderlich, bei dem Marketing und Medizin lernen müssen, wie sie den Außendienst zum erfolgreichen Dirigenten machen können.“ Rumler fordert alle Mitarbeiter der Pharmabranche auf, offen zu sein für das, was noch kommt: „Wir sind noch in der Phase der Transformation und haben jetzt die Möglichkeit, unser ,neues Normal‘ zu gestalten. Gehen wir mit Empathie, Flexibilität und Neugier an die Sache heran und entwickeln wir daraus unseren neuen Arbeitsalltag.“