Pharmawerbung: Besondere Sensibilität erforderlich!

Der österreichische Werberat (ÖWR) versteht sich als Selbstregulierungsorganisation und sieht es daher als seine Aufgabe, die österreichische Werbewirtschaft mit ethisch-moralischen Spielregeln zu begleiten. Vor diesem Hintergrund wurde aufgrund von Beschwerden aus der Bevölkerung über Werbeeinschaltungen (u.a. TVSpot, Radiospot, Printanzeige, Online) die Broschüre „Do’s und Don’ts in der Werbung“ als Leitfaden für Unternehmen, Werbeagenturen und Auftraggeber etc. entwickelt. Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, betont, dass gerade Werbung für Arzneimittel und andere Gesundheitsprodukte besondere ethische Achtsamkeit verlange: „Sachlich und wahrheitsgemäß, das sind die zwei zentralen Kriterien, die ich für Werbung im Kontext mit Arzneimitteln definieren würde. Gesundheit ist ein heikles Gut, das es verdient, entsprechend ernst genommen zu werden. Das heißt nicht, dass nicht auch Humor erlaubt ist, aber die Aussagen, die getätigt werden, dürfen keine Erwartungen schüren, die nicht eingehalten werden können!“ Ansonsten sieht er dieselben Parameter wie bei jeder anderen Werbung auch als Richtlinie: „Sexistische oder unwahre Sujets bzw. Aussagen sind beispielsweise No-Go’s für mich. Konsumenten – oder in unserem Fall Patienten – dürfen keinesfalls hinters Licht geführt oder durch nicht adäquate Aussagen dazu verleitet werden, ein Produkt zu kaufen.“ Dies gelte natürlich auch bezüglich Werbung in Fachmedien, so Huber weiter: Ärzte dürfen nicht übertrieben oder gar falsch über die Wirkung von Arzneimitteln informiert werden. „Im Übrigen regelt das Arzneimittelgesetz sehr detailliert, was bei Werbung für Arzneimittel geht und was nicht, z.B. keine Werbung, die für Kinder bestimmt ist, oder keine Werbung mit bekannten Personen“, erläutert der Pharmig-Generalsekretär.

Werbung für Gesundheitsprodukte – nur wenige Beschwerden

Pharmaunternehmen dürften sich der hohen Verantwortung in Bezug auf ethische Richtlinien bei ihren Marketingaktivitäten in hohem Maße bewusst sein: Werbung für rezeptfreie Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel u.Ä. ist sehr selten Gegenstand von Beschwerden beim ÖWR: Heuer waren es bisher lediglich drei, und von diesen wurden alle als unbegründet abgewiesen. 2016 waren es insgesamt fünf Beschwerden, davon wurden vier abgewiesen, bei einer lag bereits eine bearbeitete Version der Werbung vor, bei der die beanstandeten Punkte im Sinne des Werberates umgesetzt worden waren. 2015 langten drei Beschwerden in Bezug auf Werbung für Gesundheitsprodukte beim Werberat ein; bei zwei davon wurde kein Grund zur Beanstandung erkannt, bei einer Beschwerde sprach der ÖWR die Aufforderung aus, in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen oder einzelner Sujets sensibler vorzugehen.

Veralterte Rollenbilder vermeiden

Der häufigste Beschwerdegrund in Bezug auf Werbung für Gesundheitsprodukte war „Geschlechterdiskriminierende Werbung“. Dies deckt sich mit einer generellen Beobachtung des Werberates: „Vor allem bei Geschlechterdiskriminierung sowie bei der Darstellung von Gewalt im öffentlichen Raum ist in den letzten zehn Jahren eine deutliche Tendenz zur Sensibilisierung spürbar“, berichtet Mag. Andrea Stoidl, Geschäftsführerin des ÖWR. So kam es, so Stoidl weiter, beispielsweise bei Erkältungsprodukten zu Beschwerden von Männern, die sich durch die Werbung als „dümmlich“, „hypochondrisch“ oder „unselbstständig“ dargestellt fühlten. Hier gilt es immer abzuwägen, ob die Darstellung als humorvolle Überzeichnung zulässig ist oder als Diskriminierung eingestuft werden kann. Andere Beschwerdegründe in Bezug auf Werbung im Gesundheitsbereich waren in den letzten Jahren „Ethik und Moral“, „Diskriminierung älterer Menschen“ sowie „Irreführung und Täuschung“. „Werbung spielt gerne mit Stereotypen. Dies hängt natürlich auch damit zusammen, dass ein Werbespot in ca. 30 Sekunden eine Geschichte erzählen muss. Dabei ist es notwendig, sich Rollenbilder zu bedienen. Doch es sollten keine veralterten, überholten Rollenbilder verwendet werden“, betont Stoidl. Ältere Menschen sind heutzutage vielfach noch mobil und selbstständig, Männer sind durchaus auch im Haushalt aktiv und Frauen stehen im Berufsleben – diese gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte sollten in der Werbung berücksichtigt werden.

Satirische Überzeichnung erlaubt

Humor ist ein beliebtes Element in der Werbung, um neben dem Informationsaspekt auch zu unterhalten – und eine emotionale Verbindung zwischen Konsument und Produkt aufzubauen. Werbung für Gesundheitsprodukte bedient sich ebenfalls immer wieder humorvoller Elemente. „An humoristischer Überzeichnung und Satire ist nichts auszusetzen, diese haben ja auch einen gewissen Effekt in der Werbung. Mit Ironie kann man z.B. eine Zuspitzung erreichen etc. Doch die Grenze zur Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen sollte nicht überschritten werden. Diese ist natürlich nicht immer leicht zu ziehen, hier muss von Fall zu Fall entschieden werden“, so Stoidl. Und Huber ergänzt: „Das Leben ist ernst genug, daher: Humor darf sein! Aber es ist ein Unterschied, ob ein Thema humorvoll aufbereitet oder lächerlich gemacht wird.“ Auch Dominanzgebaren gilt als diskriminierend; Männer dürfen Frauen z.B. nicht als „dienend“ behandeln. „Geht satirische Überzeichnung in Richtung Herabwürdigung und wird dies nicht aufgelöst, ist die Grenze überschritten“, unterstreicht die ÖWR-Geschäftsführerin. Dies sieht auch Huber so: „Die Frage ist nicht, ob Provokation erlaubt ist oder nicht, sondern welche Art oder Intensität der Provokation zulässig ist. Werbung möchte auffallen, möchte ein Produkt von anderen abheben. Das funktioniert oft auch über Provokation. Aber diese darf nicht so weit gehen, dass sie zu unüberlegten Handlungen verleitet.“

Beurteilung durch den Werberat

Kommt es zu einer Beschwerde, müssen mehrere Werberäte eine Entscheidung treffen, ob zugestimmt oder abgewiesen wird. Dabei kommt es durchaus auch zu unterschiedlichen Bewertungen, denn nicht jeder/ jede empfindet einen Werbespot oder eine Printanzeige gleich. „Zumeist schaffen wir es, innerhalb von sechs Werktagen auf eine Beschwerde zu reagieren. Mittels Online- Votingsystem wird eine Mehrheitsentscheidung gefunden“, erklärt Stoidl den Ablauf. Insgesamt sind 200 Werberätinnen und Werberäte beim ÖWR im Einsatz, um Beschwerden zu bewerten, darunter Vertreter der Auftraggeberseite, von Medien und Agenturen sowie von übergreifenden Organisationen (Juristen, Psychologen, Kinderund Jugendanwälte, Vertreter von Frauenhäusern etc.). Stoidl: „Diese breit aufgestellte Jury dient dazu, verschiedenste Sichtweisen und Zugänge einzubinden. Wir führen auch regelmäßige Gruppendiskussionsrunden durch, bei denen wir die Beschwerdefälle immer wieder diskutieren. So können die Werberätinnen und Werberäte ihre Standpunkte reflektieren und die eigene Sensibilisierung verfeinern.“

Ethikkodex des ÖWR und Pharmig-Verhaltenscodex als Leitfaden

Als „Leitfaden“ bei der Gestaltung von Werbung kann der Ethikkodex des Werberates herangezogen werden. Eine Zusammenstellung der dort angeführten Punkte bietet die bereits erwähnte Broschüre „Do’s und Don’ts in der Werbung“ des ÖWR. „Hier findet man einen guten Überblick, wie man auf der sicheren Seite bleibt. Neben Geschlechterdiskriminierung sollten die blickfangartige Darstellung einzelner Körperteile, übertriebene Nacktheit und die Reduzierung eines Menschen auf Sexualität vermieden werden“, fasst Stoidl einige der wesentlichen Punkte zusammen. Zudem finden sich im Pharmig-Verhaltenscodex wichtige Informationen darüber, wie Werbung für Arzneimittel gestaltet sein darf. „Darin steht beispielsweise, wie bereits erwähnt, dass Arzneimittel objektiv und ohne ihre Eigenschaften zu übertreiben darzustellen sind. Auch im Arzneimittelgesetz gibt es Regeln, die zu befolgen sind. Sie zu kennen sehe ich als absolut notwendige Voraussetzung, wenn man in der Arzneimittelwerbung tätig ist“, so Huber abschließend.

Tipp: Bei Unsicherheiten hinsichtlich der Gestaltung eines Werbespots oder einer Anzeige ist eine Vorbegutachtung durch den Werberat möglich (siehe Kasten).

 

Pre-Copy-Advice

Bei diesem Service wird ein Vorab-Check einer Werbemaßnahme anhand des Ethikkodex von Spezialisten in der Geschäftsstelle des ÖWR – natürlich streng vertraulich – durchgeführt.

Vorteile von Pre-Copy:

  • Der Vorab-Check gibt Sicherheit für Kunden, Agentur und/oder Medien.
  • Die Gestaltung von Werbesujets lässt viel Raum für Kreativität; oftmals sind die Gestalter jedoch zu sehr in die Sache vertieft und erkennen nicht, dass sich Teile der Bevölkerung durch die Botschaft diskriminiert oder angegriffen fühlen.
  • In diesen Fällen kann der Werberat als unabhängige Stelle eine weitere Sichtweise einbringen und ein Sujet entsprechend den moralischen und ethischen Standards der Werbewirtschaft „entschärfen“.
  • Damit kann einem Imageverlust für Unternehmen durch Negativ-Bewertungen aus der Bevölkerung vorgebeugt werden.
  • Agenturen sind weiterhin frei in ihrer Kreativität.
  • Werbeberater von Medienunternehmen bauen durch ihr zusätzliches Wissen langfristige Kundenkontakte auf und können Pre-Copy-Advices als Mittel zur Kundenbindung verwenden.

Mehr Infos: www.werberat.at

Die aktuelle Broschüre „Do’s und Don’ts in der Werbung“ steht unter www.werberat.at/ dosdonts/dosdonts.pdf zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Social Media: Werbung und User Content unterscheiden

In Bezug auf Werbung im Bereich Social Media gab es bis vor einem Jahr so gut wie keine Beschwerden beim ÖWR. „Dies hat sich in den letzten Monaten geändert: Wir merken, dass Werbung auf Social-Media-Plattformen vermehrt zu Beschwerden führt“, berichtet Stoidl. Dabei muss klar zwischen Werbung und User Content unterschieden werden. Allerdings ist z.B. bei einer Unternehmens-Facebook- Seite die Firma sehr wohl dafür zuständig, was User dort posten und welche Links angeführt werden. Daher ist regelmäßiges Monitoring der Social-Media-Portale von großer Bedeutung! Die Social-Media-Portale selbst haben ebenfalls Werberichtlinien, die es zu beachten gilt. Darin sind auch ethische Komponenten geregelt: So sind u.a. übertriebene Nacktheit, die Zur-Schau-Stellung einzelner Körperteile, die Reduzierung auf Sexualität und die Diskriminierung von Personengruppen unzulässig. Die bezahlten Beiträge werden vor Veröffentlichung immer von den Social- Media-Betreibern geprüft. Verstößt eine Werbeanzeige gegen diese Vorschriften, wird diese nicht freigeschaltet.