Präventionsthemen sind laut Karin Podolak, Chefredakteurin der „Krone Gesund“ (Samstagsbeilage der Kronenzeitung) sowie von „Gesünder Leben“ (Wartezimmer-Zeitschrift) besonders herausfordernd, denn dafür müsse oftmals erst das Interesse der Zielgruppe geweckt werden. Das wäre in ihren Augen u.a. ein Punkt, der durch Gesundheitserziehung geändert werden könnte: „Prävention hat auch einen direkten Einfluss auf die Gesundheit – das muss man aber erst einmal vermitteln! Und damit sollte man am besten im Kindergartenalter anfangen.“ Allerdings würde die Bewusstseinsstärkung in Bezug auf Prävention nur etwas bringen, wenn es für Gesundheitsvorsorge ein einheitliches Finanzierungsmodell gäbe, betont Podolak. „Es wäre sehr wichtig, weitere Vorsorgeprogramme zu entwickeln und anzubieten. Aber diese müssten auch entsprechend finanziert werden. Dies ist derzeit in Österreich nicht flächendeckend der Fall, was auch an den verschiedenen Finanzierungstöpfen des Systems liegt. Auch betriebliche Gesundheitsprogramme sind in Österreich zu wenig vertreten“, so die Gesundheitsjournalistin.
Auch Ap. Prof. Priv.-Doz. DDr. Igor Grabovac, Facharzt für Public Health, Zentrum für Public Health, Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Universität Wien, sieht bei den Vorsorgeprogrammen in Österreich noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Er nennt das Beispiel Brustkrebsvorsorge, an dem nur wenige – zu wenige – teilnehmen, obwohl alle Frauen per Brief regelmäßig zur Teilnahme eingeladen werden. „Aber die Frage ist, ob dieser Brief so verfasst ist, dass er auch wirklich die Informationen enthält, die die Adressatinnen brauchen, bzw. in einer Form, dass diese die Informationen auch wirklich verstehen können“, meint der Mediziner.
Podolak hält es, wie bereits erwähnt, für essenziell, mit dem Aufbau von Gesundheitskompetenz bereits bei Kindern anzusetzen: „Es muss sich als Selbstverständnis aufbauen, dass Gesundheit etwas ist, für das man selbst etwas tun kann.“ Nur dann ist es in ihren Augen möglich, dass die Menschen Eigenverantwortung entwickeln. „Daher ist Gesundheitsbildung bereits ab dem Kindergarten so wichtig – im Bereich Zahnpflege ist das beispielsweise schon gelungen. SolcheProgramme sollte man auf andere Themen ausweiten und dann in der Schule fortführen“, so die Gesundheitsjournalistin.
Podolak ist zudem davon überzeugt, dass zur Gesundheitserziehung auch die Medienerziehung dazugehört, und das ebenfalls ab dem Kindergartenalter: „Gerade bei digitalen Medien ist die Seriosität der Inhalte für viele nicht überprüfbar. Wenn die Inhalte mit Fachleuten erstellt wurden, ist das sicher ein wichtiges Qualitätskriterium, da man dadurch weiß, woher die Information stammt und dass man der fachlichen Stimmigkeit vertrauen kann.“ Doch bei einer Google-Suche würden auf den Laien so viele Informationen einstürmen, dass allein das Herausfiltern der vertrauenswürdigen Quellen bereits für viele schwierig sei. „Hier sollte man beispielsweise auch darüber aufklären, dass die ersten Einträge, die bei Google auftauchen, zumeist bezahlte Werbung sind“, erklärt sie. Es brauche daher erst Medienkompetenz, um Gesundheitskompetenz aufbauen und Eigenverantwortung wahrnehmen zu können, ist Podolak überzeugt.
Ein wichtiges Tool, um Gesundheitsinformationen, z.B. zu Präventionsthemen, für die breite Masse öffentlich zu machen, sind Awarenesskampagnen. Auch diese müssen gut vorbereitet und zielgruppenspezifisch aufbereitet werden. „Eine wichtige Frage ist dabei immer, ob das Thema wirklich relevant für die jeweilige Zielgruppe ist. Zudem ist es wichtig, die Kampagnen nicht nur über einen Kanal, sondern über mehrere auszuspielen, also z.B. über Anzeigen, Printartikel, Plakate, Social Media etc.“, erläutert Grabovac. Diesen Kanalmix hält auch Podolak für sehr zielführend: „Gerade durch eine Vernetzung der verschiedenen Medien wie Print, Online, TV und auch Podcast erreicht man viele Menschen und auch unterschiedliche Zielgruppen – die einen sind vielleicht mehr über Printartikel zu erreichen, die anderen über Kurzvideos oder einen Podcast. Natürlich müssen auch die Gestaltung und die Tonalität des jeweiligen Beitrags an das Medium und die Zielgruppe angepasst werden.“
Dr.in Brigitte Ettl, Präsidentin der Österreichischen Plattform Patientensicherheit, betont ebenfalls die Bedeutung von Awarenesskampagnen, um breite Teile der Bevölkerung über ein relevantes Gesundheitsthema zu informieren. Sie würde sich mehr und bessere Awarenesskampagnen in Österreich wünschen.
Wichtige Qualitätskriterien sind in ihren Augen:
Gerade die Ansprechpartner:innen sind für Ettl ein sehr wesentlicher Punkt: „Es reicht nicht, die Menschen über ein Gesundheitsthema nur zu informieren, sondern man muss ihnen auch eine Handlungsempfehlung anbieten. Dazu gehören immer auch die Anlaufstellen, damit die Menschen wissen, an wen sie sich mit einem bestimmten Problem wenden können. Diese Ansprechpartner:innen gilt es bereits in der Planungsphase einer Awarenesskampagne zu definieren und über die diversen Kanäle (Print, TV, Radio, Social Media) zu kommunizieren.“ Ihrer Meinung nach verfehlen viele Awarenesskampagnen ihr Ziel, weil diese Ansprechpartner:innen fehlen oder die Zielgruppe nicht genau definiert wurde.
Ettl hält es durchaus für sinnvoll, dass Pharmaunternehmen Awarenesskampagnen unterstützen: „Pharmafirmen haben einen breiten Zugang zur Öffentlichkeit und könnten daher bei der Stärkung der Gesundheitskompetenz eine große Rolle spielen, z.B. durch das Bereitstellen von Gesundheitsinformationen und die Unterstützung von Awarenesskampagnen.“ Und sie unterstreicht: „Bei Awarenesskampagnen sollte meiner Ansicht nach nicht solistisch, sondern gemeinschaftlich agiert werden. Also öffentliche Stellen, Patientenorganisationen etc. – mit Unterstützung von Pharmaunternehmen.“ Zudem fände sie es auch wichtig, dass der „Beipackzettel“ verständlicher verfasst wird.
Äußerst wichtig ist für Grabovac auch die Evaluierung: „Diese wird bei Awarenesskampagnen leider oft vergessen, dabei spielen die Effekte einer solchen Kampagne eine große Rolle. Hier geht es nicht nur um den großen Outcome, also wie viel mehr Impfungen es beispielsweise nach einer Impf-Awarenesskampagne gab, sondern auch um folgende Fragen: Haben Sie die Informationen wahrgenommen? Wie fanden Sie diese? etc. Daraus ergeben sich relevante Rückschlüsse, die man für die nächsten Awarenesskampagnen verwenden kann.“