In einer Welt, in der künstliche Intelligenz (KI) uns scheinbar allwissend macht, wird das Eingeständnis von Unwissen zur wahren Herausforderung – und oft zur Notwendigkeit. Gerade in der pharmazeutischen Industrie, wo Außendienst, Marketing und Medical täglich komplexe Informationen vermitteln müssen, bringt der steigende Einsatz von KI-Tools auch Gefahren mit sich. Denn wer den Mut verliert, „Ich weiß nicht“ zu sagen, riskiert, falsche Informationen als Wahrheit zu vermitteln.
Im Außendienst begegnen wir täglich der Erwartungshaltung, jede Frage sofort beantworten zu können. Pharmareferent:innen sollen Expert:innen sein, die auf jeden Einwand eine schlagfertige Antwort parat haben – ob nun aus der neuesten Forschung oder dem KI-generierten Datenpool. Doch gerade hier zeigt sich der Haken: Künstliche Intelligenz liefert immer eine Antwort, auch wenn diese auf unvollständigen oder veralteten Daten beruht. Ein ehrliches „Ich weiß nicht“ wäre hier viel wertvoller als eine vermeintlich fundierte, aber letztlich fragwürdige Information.
Auch im Marketing wird oft ein Bild der Allwissenheit propagiert. Kampagnen und Kommunikationsstrategien stützen sich zunehmend auf Datenanalysen, die von KI-Tools generiert werden. Diese Algorithmen erzeugen auf Knopfdruck ein Bild der Realität, das jedoch nur so gut ist wie die zugrunde liegenden Daten. Fehlende Informationen, unvollständige Datensätze oder gar ein unsicheres Marktumfeld können das Ergebnis verzerren. Es liegt in der Verantwortung der Produkt- & Brand-Manager:innen, den generierten Output kritisch zu hinterfragen und offen zu kommunizieren, wenn Unsicherheiten bestehen. Nur so bleibt die Glaubwürdigkeit in einer Branche erhalten, die auf Präzision und Vertrauen baut.
Im Medical-Bereich, wo wissenschaftliche Genauigkeit und evidenzbasierte Entscheidungen das Fundament der Arbeit darstellen, ist die Bereitschaft, Unwissen zuzugeben, besonders wichtig. Falsche oder überzogene Aussagen können hier schwerwiegende Folgen haben – sei es im Hinblick auf Therapieempfehlungen oder in der Zusammenarbeit mit Gesundheitsbehörden. Ein offener Umgang mit Wissenslücken signalisiert nicht Schwäche, sondern die nötige Sorgfalt und Verantwortung im Umgang mit sensiblen Daten und Patientensicherheit.
Folgen wir unbedingt weiterhin den Möglichkeiten, die uns KI-Technologien bieten. Aber vergessen wir dabei nicht, innezuhalten und kritisch zu reflektieren: Wir leben in einem Zeitalter, in dem das Simulieren von Wissen zur Norm geworden ist. Dabei sollten wir uns stets vor Augen halten, dass das Eingeständnis von Unsicherheit nicht nur Mut erfordert, sondern auch der Schlüssel zu echten Fortschritten ist.
In der pharmazeutischen Industrie muss der Diskurs über das „Nichtwissen“ weiterhin Platz haben – als Basis für offene Kommunikation, kontinuierliche Weiterbildung/Weiterentwicklung und letztlich als Garant für fundierte Entscheidungen. Nur, wer den Mut hat, auch einmal „Ich weiß nicht“ zu sagen, kann langfristig Glaubwürdigkeit und Innovationskraft bewahren.