„ Ein Problem in Österreich ist sicherlich, dass Daten nur sehr beschränkt für öffentliche und private Forschungsinstitutionen zugänglich sind. Das ist in anderen europäischen Ländern anders gelöst“, betont Klimek. Auch die pharmazeutische Industrie müsste seiner Meinung nach in die Arbeit mit Gesundheits- und Studiendaten mehr eingebunden werden. „Natürlich geht es um sensible Daten, aber diese Daten breiter zur Verfügung zu stellen – unter Gewährleistung des Datenschutzes –, ist möglich. Ein Beispiel ist die elektronische Gesundheitsakte, hier sind fast alle Daten gespeichert. Wir haben aber keine Prozesse, diese für Forschungszwecke nutzbar zu machen“, kritisiert Klimek.
„Studien auf Basis von Register- oder anderen Beobachtungsdaten könnten die nächste disruptive Technologie in der klinischen Forschung sein. Es wird bald möglich sein, diese Daten statistisch so auszuwerten, dass wir klinische Studien rekonstruieren können“, berichtet Klimek. Dann könnte man retrospektiv Effekte, wie z.B. Nebenwirkungen, daraus ableiten. Dies wäre zwar statistisch und methodisch eine Herausforderung, aber es wäre möglich; man müsste nur die Regularien schaffen, dass diese Daten auch zulässig sind, so der Experte.
Auch synthetische Daten herzustellen, ist mittlerweile methodisch machbar. Das bedeutet: „Es wird ein synthetischer Datensatz hergenommen und daraus werden synthetische Patienten kreiert, indem einzelne Variablen den tatsächlichen statistischen Eigenschaften entsprechend neu zusammengewürfelt werden. So wird beispielsweise aus einer realen Patientin aus Niederösterreich mit Diabetes, die einen Unfall erlitten hat, eine synthetische Patientin aus der Steiermark, die Diabetes hat, aber keinen Unfall hatte. In Zukunft wäre es auf diese Weise möglich, den kontrollierten Arm einer Studie aus synthetischen Daten herzustellen. Die Frage dabei ist nicht, ob wir das machen können, sondern wie und wann die regulatorischen Bedingungen angepasst werden“, erklärt Klimek.
Ein Problem der klinischen Forschung ist laut Klimek, dass sehr viele Studienteilnehmer männlich sind. Klimek: „Es gibt aber geschlechtsspezifische Unterschiede. Ein häufiger Grund, warum ein Medikament wieder vom Markt genommen wird, sind Nebenwirkungen bei Frauen.“ Zudem gebe es Unterschiede zwischen Europäern und Asiaten in ihren Reaktionen auf Wirkstoffe: „Teilnehmer internationaler Studien sind zunehmend asiatischer Herkunft. Diese Daten auf Europäer umzulegen, ist nicht immer 1:1 möglich. All diese Aspekte gilt es bereits beim Studiendesign zu bedenken.“
Die COVID-19-Pandemie habe gezeigt, so der Experte abschließend, dass die Arzneimittelversorgung der strategischen Planung eines Landes unterliegen sollte. „Die Globalisierung hat hier zu Problemen geführt, wie wir im April/Mai 2020 gesehen haben. Wir dürfen uns bei der Verfügbarkeit von kritischen Arzneimitteln nicht von anderen Ländern abhängig machen“, unterstreicht Klimek die Erfahrungen der letzten Monate.