Seit 1. Juli 2018 leitet Ulrike Röder bei Bayer das österreichische Pharmaceuticals-Geschäft. Die Zukunft des Pharmageschäfts visionär mitzugestalten, als Organisation zu lernen und die Digitalisierung zur kundenadäquaten Ansprache zu nutzen, sind zentrale Themen für sie.
Die großen Erfolge der letzten Jahre sind für Röder zum einen die Produkte Xarelto® und Eylea® – beides Blockbuster-Produkte, die in den letzten Jahren gelauncht wurden. „Xarelto® hat im Bereich der Blutgerinnungshemmung im Vergleich zu den alten Standards neue und verträglichere sowie besser steuerbare Therapieoptionen für die Betroffenen eröffnet“, erläutert Röder. Ähnliches gilt für Eylea®: „Die hier erzielten Fortschritte in der Behandlung des altersbedingten oder diabetischen Makulaödems bedeuten durch veränderte Therapieintervalle für die Patienten mehr Lebensqualität und mehr Selbstbestimmtheit in ihrem Leben – und genau um solche Verbesserungen geht es bei Arzneimittelinnovationen“, so Röder.
Um die Situation von Patienten weiter zu verbessern, ist es Bayer ein Anliegen, speziell in jenen Therapiebereichen zu forschen, in denen Innovationen möglich sind. Dabei sei es immer das Ziel des Unternehmens, Segment-Leader zu werden, „denn wir wollen wirklich etwas bewegen“, betont Röder. Als Beispiel nennt sie das vor knapp einem Jahr in der Hämophilie gelaunchte Produkt Jivi: „Patienten mit Hämophilie A müssen ein Leben lang mit der Therapie leben. Gerade hier ist daher die Möglichkeit der Berücksichtigung individueller Patientenbedürfnisse besonders wichtig.“
Auch im Bereich Onkologie verfolgt das Unternehmen innovative Ansätze. „Wir versuchen Krebserkrankungen genetisch zu charakterisieren, um dann möglichst zielgerichtete Therapien für den spezifischen Patienten anbieten zu können“, gibt Röder Einblick in die Unternehmensziele. Solche modernen Therapieformen bringen ihrer Meinung nach nicht nur Vorteile für die Patienten, sondern auch für das System, weil die Behandlung, derart zielgerichtet eingesetzt, maximale Chancen auf Therapieerfolg hat. „Solche Therapieprinzipien, die wirklich sehr personalisiert sind – Schlagwort personalized medicine –, sind hoffentlich die Zukunft der Medizin. Wir als Bayer fokussieren unsere Forschung vor allem in der Onkologie in diese Richtung und arbeiten vielfach in Kooperationen mit anderen Firmen zusammen, um zukünftig Testverfahren und Therapien sowie eventuell auch Adherence-Programme anbieten zu können, die alle auf den Patienten zugeschnitten sind und nicht nach dem Motto ,one size fits all‘ erstellt wurden. Dabei spielt die Digitalisierung natürlich eine enorme Rolle“, berichtet Röder.
Als aktuelle Herausforderung sieht Röder den zunehmenden Kostendruck auf das System, denn „neue Therapieprinzipien, die sehr individuelle, patientenorientierte Lösungen bieten, die zu bislang unerreichten Therapieerfolgen führen, kosten natürlich auch in der Entwicklung entsprechend“, erklärt Röder. Hier müssten sich ihrer Ansicht nach die Player des Gesundheitswesens immer wieder vor Augen halten, dass alle dasselbe Ziel haben – nämlich die Patienten bestmöglich zu versorgen und nicht nur zweckmäßig: „Wenn man sich das bewusst macht, kann man keine Grenze ziehen und sagen, der eine Patient bekommt die Therapie und der andere nicht. Für diese Herausforderung müssen wir gemeinsam eine Lösung finden – als Gesellschaft, als Politik, als Pharmaunternehmen.“
In Röders Augen ist Österreich für ein Pharmaunternehmen ein sehr guter Standort. Dies liege unter anderem am guten Ruf der Kliniken und Ärzte, zudem sei die entsprechende Infrastruktur für klinische Studien gegeben und das Interesse an klinischer Forschung groß. Allerdings, merkt Röder an, erlaube es das System zwar im Moment noch, Innovationen auf den Markt zu bringen, dies werde aber zunehmend schwieriger: „Ich glaube, wir müssen in Österreich darüber nachdenken, wie wir uns in Zukunft wieder mehr für Innovationen öffnen können – dafür müssen wir das System effizienter machen. Und die Zahler müssen überlegen, was ihnen Innovationen wert sind.“
Natürlich sei es im Interesse eines Pharmaunternehmens wie Bayer, neue Medikamente in klinischen Studien in Österreich entwickeln zu können, „aber dann würden wir sie natürlich gerne auch den österreichischen Patienten zur Verfügung stellen. Wir wollen dafür sorgen, dass die Patienten, die an Studien teilgenommen haben, die Substanz, von der sie profitiert haben, auch danach weiter bekommen können – und dazu müsste die Innovation auf den Markt kommen. Preis und Kosten sind sicherlich nicht das komplette Bild“, so Röder.
Eine weitere Herausforderung für das Gesundheitssystem sieht Röder in der unterschiedlichen Versorgung in der Stadt und auf dem Land, denn gerade Fachärzte sind im ländlichen Bereich oft schlecht erreichbar. „Wir müssen uns bewusst machen, dass eine medizinische Therapie nicht nur die Behandlung im Krankenhaus und/oder das Medikament umfasst, sondern die Weiterbetreuung gehört ebenfalls dazu. Medizin soll auch dafür Sorge tragen, dass die Arbeitskraft und somit die Leistungsfähigkeit sowie die Lebensqualität erhalten bleiben. Dies erfordert meiner Meinung nach eine ganzheitlichere Betrachtung der Kosten. Gerade in diesem Zusammenhang erscheinen mir die unterschiedlichen Abrechnungssysteme des Krankenhaus- und des niedergelassenen Bereichs wenig sinnvoll“, unterstreicht Röder und schlägt vor, die Situation einmal aus Sicht der Patienten zu betrachten: Wie geht der Patient durch das System? Wann braucht der Patient an welcher Stelle welche Behandlung? Aus dieser veränderten Perspektive könnte man dann Veränderungen des Systems ableiten. Die Lösung dieser komplexen Fragen sieht sie nicht nur als Challenge für das österreichische Gesundheitssystem, sondern auch für die Systeme anderer europäischer Länder.
Abschließend wirft Röder noch einen Blick in die Zukunft: „Wir werden sicherlich weiterhin innovative Therapien auf den Markt bringen, und zwar nicht nur Arzneimittel, sondern auch Tests, die ermitteln, welche Therapie für welchen Patienten passt. Zudem wollen wir das Serviceangebote rund um das Medikament weiter ausbauen. Denn ein informierter Patient kann besser mitarbeiten, sprich, die Adherence wird erhöht. Dabei beschäftigen uns folgende Fragen: Wie können wir die Patienten im Laufe ihrer Therapie besser unterstützen? Wie können wir unsere Studien für Patienten in Österreich noch besser zugänglich machen? Das Ausbilden aller im System Beteiligten – und dazu gehören für mich auch die Patienten – ist meiner Ansicht nach ebenfalls ein wichtiger Beitrag, den wir als Pharmaunternehmen leisten können.“
Zahlen-Rap