Konrad Mayr-Pernek: Wie alles rundherum verändert sich auch die Welt der Mediaplanung rasant und teilweise recht dramatisch. Egal, in welche Richtung man blickt – es ist die enorme Fragmentierung, die im Mediabereich schier erdrückend erscheint. Die Entwicklung geht von Massenmedien zu Massen von Medien. Und dies gilt nicht nur für die Online-Welt. Nach wie vor werden (in Österreich) mehr neue Printprodukte auf den Markt gebracht als eingestellt. Die Zahl der buchbaren TV-Sender steigt Jahr für Jahr und zu linearen Angeboten sind viele Streaming- und VOD-Angebote („Video on Demand“) dazugekommen. Auch der Bereich Audio erweitert sich permanent – zwar ist die Anzahl der buchbaren Radiosender mehr oder weniger stabil, umso dynamischer stellt sich hingegen die Entwicklung von digitalen Angeboten dar, die bei Audible beginnt und bei Spotify nicht endet. Selbst im Bereich OOH („Out of Home“) ändert sich vieles: Zum klassischen Plakat und City Light gibt es längst digitale Entsprechungen und Angebote (digitale Screens), die neue Herangehensweisen in der Planung erlauben.
Das Paradoxon vom veganen Steak gilt auch für die Mediaplanung: Auf der einen Seite wird die vegane oder vegetarische Lebensweise propagiert. Der Anteil der Veganer/Vegetarier liegt in Europa schon bei rund 10%. Gleichzeitig machen TV-Sendungen wie BeefBattle und andere Formate rund ums Braten und Grillen Quote. Klingt komisch, ist aber so. Der vielleicht größte aller Trends ist, dass es zu jedem Trend einen Gegentrend gibt. So wird das gedruckte Wort mit jeder „digitalen Ente“ wieder ein wenig wertvoller.
Der erwähnten großen Fragmentierung steht auch eine Konzentrationsbewegung gegenüber – siehe „The Big Four“: Google, Facebook, Amazon und Apple, die in ihrer Marktdominanz eigentlich schon längst ein Fall fürs Kartellgericht wären. So besinnen sich viele mit jedem Datenmissbrauch mehr darauf, dass es neben Digitalmedien noch echte Massenphänomene wie OOH gibt, die bezüglich Datenmissbrauch zu 100% sicher sind. Das vielleicht größte Paradoxon ist jedoch, dass die großen digitalen Player wie Amazon, Google und Facebook in ihrer eigenen Kampagnenführung und Kommunikation hauptsächlich auf die klassischen Medien Print, OOH und TV setzen, um ihre Messages an den Mann/die Frau zu bringen. Der geneigte Leser könnte jetzt berechtigt fragen: Und nun?
Nun, es gibt für keine Marke und für kein Produkt Gesetzmäßigkeiten, die sich uneingeschränkt übertragen lassen. Das „one size fits all“ wurde in den letzten zehn Jahren komplett abgeschafft. Denn jede Kampagne muss individuell maßgeschneidert werden – nicht zuletzt, weil wir heute auf Basis der Datenverfügbarkeit auch dazu in der Lage sind.
Daten sind DAS große Thema, das die Mediaplanung von heute prägt und auch die von morgen prägen wird. Dazu gehören Datenverfügbarkeit über Kunden und Kanäle, Daten zur Zielgruppe, Daten zur Customer Journey, Daten zu Touchpoints, Daten zur Performance etc. Schon längst müssen wir uns nicht mehr mit ein paar Daten zu Brutto- und Nettoreichweite begnügen und uns nicht nur auf Ad-Awareness, Brand-Awareness und Impact-Zahlen verlassen. Das Ökosystem hat sich um Views, Clicks, Likes, Shares und Sonstiges erweitert und auch die Wechselwirkung der Performancedaten zueinander spielt eine Rolle – KPIs („Key Performance Indicators“), wohin man blickt. Informationen, die dem Kunden schon früh Indikationen über Wirkung und Wechselwirkung von Aktivitäten geben und die Möglichkeiten für etwaige Kurskorrekturen eröffnen.
Es ist mir ein persönliches Anliegen, eine klare Trennlinie zwischen KPIs und ROI („Return on Investment“) zu ziehen. Denn die Ultima Ratio zum Thema Mediaplanung liegt nicht im KPI, sondern im ROI. Schlussendlich trifft der ROI die letztgültige Aussage darüber, ob eine Kampagne erfolgreich ist oder nicht. Erst wenn die Ladentür auf- und zugeht, die Anzahl der verkauften Produkte steigt und die Umsätze stimmen, kann über Erfolg und Misserfolg entschieden werden. Kosten sind, was Sie bezahlen. Wert ist, was Sie bekommen!
Natürlich gibt es auch Dinge, die heute noch so sind wie vor 30 Jahren. Das sind die großen Themen, mit denen sich Kunden auch heute noch beschäftigen sollten: Purpose, Produkt, Marke, Kommunikation und Kreation. Denn in der Rangreihe der Ziele des Kunden kommen die Mediaziele erst ein gutes Stück weiter hinten – nach den Unternehmenszielen, nach den Marketingzielen und nach den Kommunikationszielen. Sind die vorgelagerten Themen nicht sauber abgearbeitet, wird die Rettung nicht aus der Ecke der Mediaplanung kommen. Denn was Mediaplanung nicht kann, muss jedem klar sein: Mediaplanung macht aus einem schlechten Produkt kein gutes, aus einem falschen Preis keinen richtigen, aus der unvollständigen Distribution keine vollständige und aus der hingeschluderten Kreation keinen Cannes-Winner.
Beantworten Sie die folgende Frage für sich selbst: Wird eine schlechte/falsche Kampagne durch gute Mediaplanung besser oder noch schlechter? Auf keinen Fall besser, richtig. Gute Mediaplanung kommt also nur zur Geltung, wenn alle Zahnräder gut geölt ineinandergreifen – Punkt!
Keiner weiß besser als der Kunde, worauf es bei seiner Marke, seinem Produkt ankommt. Vertrauen Sie ein wenig auf Gefühl und Hausverstand! Speziell im Bereich Mediaplanung sind die Entwicklungen und Trends schnell, vielfältig und oft sehr komplex. Jede Woche, jeden Tag werden neue Themen durch den digitalen Äther geblasen. Die Chance, sich zu verzetteln, ist riesig. Setzen Sie 80% Ihrer Ressourcen auf verlässliche ROI-Bringer und 20% auf neue Versuche. Aber machen Sie diese Versuche kontinuierlich und evaluieren Sie sehr genau!
Vielen Dank für das Gespräch!