Vergleichbarkeit von Therapien und Therapiekosten

PHARMAustria: Was ist bei bestehenden gesundheitsökonomischen Bewertungen das Problem?

Dr. Wolfgang Tüchler, Axxess Healthcare Consulting: „Die derzeit etablierten Methoden der gesundheitsökonomischen Betrachtungen, mit denen die Kosteneffektivität von Therapien bewertet wird, stoßen in der Praxis an ihre Grenzen. Auch wenn ein Produkt in diesen gesundheitsöko­nomischen Überprüfungen ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis gezeigt hat und somit als kosteneffektiv gilt, gibt es einen wichtigen Faktor, der derzeit nicht berücksichtigt wird: Manche Therapien werden eher eingesetzt als andere, obwohl sie ­medizinisch vergleichbar sind und in gesundheitsökonomischen Modellen ähnliche Ergebnisse liefern.

Was versteht man in diesem Zusammenhang unter „Therapy Access“?

Tüchler: „Therapy Access“ bezeichnet den effektiven Zugang eines Patientenkollektivs zu einer Therapie. Theoretisch könnte ein Produkt nach der Zulassung und Klärung aller ökonomischen Fragen für das gesamte infrage kommende Patientenkollektiv eingesetzt werden. Das wäre dann ein hundertprozentiger Therapy Access. Es gibt aber andere Faktoren, die diesen Therapy Access limitieren, z.B. die Ressourcen eines Leistungserbringers: Oftmals kann man eine Therapie gar nicht so oft anwenden, wie es sinnvoll wäre oder wie es für Patient:innen gut wäre, weil die finanziellen und personellen Ressourcen nicht vorhanden sind – kein Leistungserbringer, kein Krankenhaus hat unlimitierte Ressourcen! Daher werden meist eher jene medizinisch gleichwertigen Therapien eingesetzt, die am wenigsten Ressourcen beim Leistungserbringer in Anspruch nehmen. Das heißt, wenn ich zum Beispiel eine Therapie habe, die aufgrund der längeren Verabreichungsintervalle, des einfacheren Nebenwirkungsmanagements oder der geringeren Anzahl von Kontrolluntersuchungen weniger ärztliche oder pflegerische Ressourcen benötigt, dann weist diese Therapie einen wertvollen Vorteil auf. Aber in den seltensten Fällen können Unternehmen diesen Vorteil für ihr Produkt auch wirklich nutzen, weil er nicht quantifiziert wird. Dieser Vorteil kann vom Anbieter, vom Pharmaunternehmen, daher gar nicht in die Diskussion eingebracht werden.

Wie kann der Therapy-Access-Faktor sichtbar gemacht werden?

Tüchler: Man kann diesen Vorteil mit einer sogenannten Prozesskostenanalyse quantifizieren. Dabei werden sämtliche Leistungen sowie die für die Leistungserbringung notwendigen Prozesse über den gesamten Behandlungsablauf erfasst. Wenn man so den gesamten Ablauf von zwei unterschiedlichen Therapien bewertet, kann man klar herauslesen: Therapie A benötigt x Stunden ärztliche Arbeit und y Stunden pflegerische Arbeit versus Therapie B. Dies schafft eine tatsächliche Vergleichbarkeit, bei der man mit realen Zahlen aus den Krankenhäusern und nicht mit auf Annahmen basierenden Modellen arbeitet, also sozusagen eine „Real Word Economic ­Evidence“. Es gibt Beispiele in der Literatur, die zeigen, dass eine bestimmte innovative Therapie bis zu 30% weniger Personal­ressourcen in Anspruch nimmt als eine konventionelle Therapie. Das ist gerade in Zeiten einer sehr angespannten Personal­situation in Krankenhäusern ein sehr ­wertvoller Faktor, den Unternehmen ­quantifizieren und transparent machen sollten.

Vielen Dank für das Gespräch!