„Die Frage ist ja zunächst, was man mit der 4-Tage-Woche erreichen will“, erklärt Gabriele Gradnitzer, Managing Partner Partner und Head of Life Sciences & Healthcare Practice bei Amrop. 30 Stunden Arbeit, aber weiterhin das Gehalt für 40 Stunden wird sich ihrer Meinung nach für die Unternehmen nicht ausgehen, aber „40 Stunden auf 4 Tage aufzuteilen, ist zumindest bei einigen Firmen machbar und kann die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung durchaus erhöhen“, ist sie überzeugt. Das Modell könne somit Vorteile für Mitarbeiter:innen wie auch für das Unternehmen bringen und sei daher auf jeden Fall eine Überlegung wert, so Gradnitzer.
Generell zeige die Forschung, dass die Menschen ein bisschen weniger arbeiten wollen, berichtet auch Dr.in Martina Hartner-Tiefenthaler, Forschungsbereich Arbeitswissenschaft und Organisation, Institut für Managementwissenschaften, TU Wien: „Das betrifft aber nicht explizit die junge Generation, wie oftmals behauptet wird, sondern alle. Was Studien aus Großbritannien ebenfalls zeigen: Es kommt bei Arbeitszeitverkürzung zu keinem Produktionsverlust. Erklärt wird das so: Indem die Mitarbeitenden mehr Freizeit genießen, sind sie besonders motiviert und erholter, zudem fallen Leerzeiten im Verlauf des Arbeitstages weg.“ Sie ortet die Wurzel des Wunsches nach einer verkürzten Arbeitszeit auch darin, dass die mentale Gesundheit in den Pandemiejahren vermehrt ins Bewusstsein gerückt ist. Eine 4-Tage-Woche könne durchaus Vorteile für ein Unternehmen mit sich bringen, aber: „Es muss genau definiert werden, was man darunter versteht und wie das umgesetzt werden soll“, so Hartner-Tiefenthaler.
Die Frage ist auch, ob sich die Effekte über die Zeit hinweg verändern und Gewöhnungseffekte auftreten. Dieser Frage widmet sie sich gemeinsam mit Eva Zedlacher von der Webster Private University Vienna in dem Forschungsprojekt „Four is more!?“, das von der Arbeiterkammer Niederösterreich gefördert wird.
Für ihre Studie werden noch Unternehmen gesucht, die vor Kurzem auf eine 4-Tage-Woche umgestellt haben – bei Interesse findet man alle weiteren Informationen hier.
„Das Versprechen, nur noch 30 Stunden zum Gehalt von 40 Stunden zu arbeiten, kann in meinen Augen nicht gehalten werden“, zeigt sich auch Mag.a Monica Rintersbacher, Geschäftsführerin von Leitbetriebe Austria, skeptisch. Im Grunde bedeute dieses Modell, dass die Mitarbeiter:innen versprechen, dieselbe Leistung, die sie bisher in 40 Stunden erbracht haben, in Zukunft in 30 Stunden zu bewältigen – Rintersbacher ist skeptisch, dass dies längerfristig von Mitarbeitenden erfüllt werden könne. Allerdings gehe die Entwicklung generell in Richtung einer leistungsorientierten Arbeitswelt. „Dabei richtet sich die Honorierung nach Arbeitsleistung statt nach Arbeitszeit. Das geht aber auch nicht in jedem Job – und für die, bei denen das nicht möglich ist, brauchen wir andere Modelle für Bonifikationen“, so Rintersbacher.
Gerade Jugendliche und junge Erwachsene definieren sich nicht mehr über die Dauer ihrer Arbeit bzw. generell deutlich weniger über ihre Arbeit. Das zeigt auch die 2022 von Leitbetriebe Austria veröffentlichte Studie „Zukunft der Arbeit 2.0“: Die Bedeutung der Erwerbsarbeit ist im Wertesystem junger Menschen deutlich gesunken und rangiert unter den wichtigen Lebensbereichen gerade noch auf Platz 4. Nur knapp 77% der Befragten messen ihrem Beruf einen hohen Stellenwert bei. Familie, Hobbys/Freizeit und Freunde erreichen hingegen deutlich höhere Zustimmungsraten bis 87%. „Das ist eine große Herausforderung für Unternehmen! Eine ausgewogene Balance zwischen Arbeit und Freizeit muss daher ein selbstverständliches Unternehmensziel sein, um qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte zu finden und zu halten“, betont Rintersbacher.
Mehr Informationen:
www.leitbetriebe.at