Mehr als 1,2 Millionen Menschen auf der Welt starben 2019 einer Schätzung zufolge unmittelbar an einer Infektion mit einem Antibiotika-resistenten Erreger. Zum Vergleich: 2020 gab es 1,9 Millionen Corona-Tote.
Antibiotika-Resistenzen gehörten zu den häufigsten Todesursachen weltweit, berichtet nun eine internationale Experten-Gruppe im Fachmagazin „The Lancet“. Die Forscher hatten für das Jahr 2019 Daten aus der Fachliteratur, aus Krankenhaus-Datenbanken, Überwachungssystemen und anderen Quellen zusammengetragen und diese analysiert. Über statistische Modellierungen prognostizierten die Wissenschafter die Krankheitslast für verschiedene Regionen, auch für solche, aus denen keine Daten vorlagen. Ergebnis: Mehr als 1,27 Millionen Menschen auf der Welt starben unmittelbar an einer Infektion mit multiresistenten Keimen. Bei 4,95 Millionen Todesfällen war eine solche Infektion demnach mindestens mitverantwortlich für den Tod.
Die nun vorliegende Analyse ist die bisher umfassendste. Insgesamt betrachteten die Forschenden 204 Länder und Regionen, 23 krankmachende Bakterien und 88 Kombinationen von Bakterien und Antibiotika. 4,95 Millionen Todesfälle standen der Studie zufolge in Verbindung mit einer Antibiotika-resistenten bakteriellen Infektion, auch wenn die direkte Todesursache womöglich eine andere war. 1,27 Millionen Menschen starben unmittelbar an einer Infektion mit einem resistenten Bakterium – ohne Resistenzen seien diese Todesfälle also vermeidbar gewesen. Zum Vergleich: 2020 starben an HIV/Aids geschätzt 680.000 Menschen, an Malaria 627.000, an Covid-19 rund 1,9 Millionen Menschen.
Zu Problemen mit Resistenzen kam es demnach besonders häufig bei Infektionen der unteren Atemwege. Diese allein verursachten 400.000 Todesfälle. Besonders viele Menschen starben auch infolge von Blutvergiftungen und Blinddarmentzündungen, weil die Infektion aufgrund resistenter Erreger mit Antibiotika nicht beherrschbar war. Zu den Keimen, die am häufigsten Probleme mit Resistenzen verursachten, gehörten Escherichia coli, Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae und Streptococcus pneumoniae. Allein der Krankenhauskeim MRSA verursachte demnach 100.000 Todesfälle.
„Diese neuen Daten legen das wahre Ausmaß des Problems antimikrobieller Resistenzen weltweit offen und sind ein klares Signal, dass wir jetzt handeln müssen“, sagte Mitautor Chris Murray von der University of Washington. „Wir müssen diese Daten nutzen, um den Kurs zu korrigieren und Innovationen voranzutreiben, wenn wir im Wettlauf gegen die Antibiotika-Resistenz die Nase vorn haben wollen.“ Ziel müsse sein, Infektionen weitgehend zu vermeiden durch verbesserte Hygiene oder durch Impfungen. Außerdem müsse der unangemessene Einsatz von Antibiotika – etwa bei viralen Infektionen, die grundsätzlich nicht auf Antibiotika ansprechen – reduziert werden. Neue Antibiotika müssten entwickelt und auf den Markt gebracht werden. (APA/red)