In den kommenden Wochen ist RELATUS PHARM in den Bundesländern unterwegs und fragt, welche Herausforderungen es jeweils im Apothekenbereich gibt und wie versucht wird, ihnen zu begegnen.
Gerhard Kobinger, Präsident der Apothekerkammer Steiermark, erklärt im RELATUS-Ländertour-Interview, wie die Zusammenarbeit mit der Ärzteschaft im Bundesland funktioniert.
Die Ärztekammer Steiermark hat dieser Tage bei einer Pressekonferenz mehr Hausapotheken für Ärzt:innen gefordert. Was sagen Sie dazu? Das sind die üblichen falschen Argumente, wie in anderen Bundesländern auch: täglich grüßt das Murmeltier. Das ist nicht neu und es ist auch nicht richtig, dass es weniger Hausapotheken gibt. Es gibt etwa 155 ärztliche Hausapotheken in der Steiermark. Diese Zahlen sind seit fast zehn Jahren ziemlich gleich. Der Vorwurf, dass es einen „Vernichtungsfeldzug“ von den Apotheken gegen Hausapotheken gibt, ist hanebüchen und wieder einmal falsch. Im Normalfall liegen Ordination und Apotheke eh nebeneinander. Das ist auch gut so, denn für die optimale Versorgung der Wohnbevölkerung braucht es Arzt und Apotheker. Es gibt aber leider auch immer wieder Fälle, in denen Ärzt:innen extra in die sechs Kilometer entfernte, kleinere Nachbargemeinde ziehen, in der sie weniger Menschen betreuen, dafür aber eine Hausapotheke aufmachen können. Das ist wohl nicht im Sinne der Patient:innen.
Die Ärztekammer argumentiert damit, dass man mit Hausapotheke leichter auf Lieferengpässe reagieren kann und mit dem besseren Service für die Patient:innen. Diese Argumentation geht völlig an der Realität vorbei. Sie ist zudem nicht nur falsch, sondern geradezu fahrlässig, denn hier wird etwas versprochen, was defacto nicht möglich ist. Wenn etwas in Österreich nicht lieferbar ist, bekommt es weder der Arzt noch die Apotheke. Der entscheidende Unterschied ist: Die Apotheke hat etwa 20mal so viele verschiedene Arzneimittel lagernd und findet dadurch deutlich leichter ein wirkstoffgleiches oder ein wirkstoffähnliches Präparat. Prinzipiell kommen wir gut aus mit der Ärztekammer und an der Basis funktioniert auch die Zusammenarbeit mit den Ärzt:innen sehr gut. Gerade in Zeiten von Lieferengpässen bekommen die Ärzt:innen von uns laufend die Listen, was wir verfügbar haben. Das funktioniert gut. Wenn wir umgekehrt alle Patient:innen, wenn etwas nicht verfügbar ist, zurück zu den Ärzt:innen schicken, bricht das System zusammen. Ich würde daher diese Äußerungen der Ärztekammer als standespolitisches Säbelrasseln verbuchen.
Sie sprechen die Debatte über Aut Idem an? Es braucht für solche Fälle wohl eine Ausweitung des Notfallparagraphen. Wir wollen, dass dieser Paragraph erweitert wird, damit die Patienten auch größere Packungen bekommen. Gerade zu Randzeiten und am Wochenende, wenn Ärzte schwer oder nicht mehr erreichbar sind, würde das die Flexibilität bei der Versorgung der Bevölkerung deutlich verbessern. Denn es soll nicht vorkommen, dass die Patient:innen außerhalb der Ordinationszeiten ohne ihr Medikament nach Hause gehen müssen, obwohl ein wirkstoffgleicher Ersatz verfügbar ist. Der erweiterte Notfallparagraph dient der optimalen Patientenversorgung und ist die beste Vorgehensweise für alle Beteiligten, auch für Ärzte. Das Hauptproblem im Gesundheitswesen liegt für mich aber woanders.
Nämlich? Für mich ist viel schiefgelaufen bei der Einführung der eCard. Ich weise mich als Patient damit überall selbst zu und muss behandelt werden, ich kann auch mit einem Schnupfen in die Notaufnahme gehen. Da braucht es eine bessere Steuerung der Patientenströme durch das Gesundheitssystem, basierend auf einer neu gestalteten Gesundheitspyramide. Deren Basis bilden die österreichweit 1.400 Apotheken mit einem kompetenten und niederschwelligen Zugang. Wir Apothekerinnen und Apotheker sind die größten Zuweiser an die Ärzte. Für viele Menschen sind wir eine der wichtigsten Anlaufstellen im System. Allerdings muss dann im niedergelassenen Bereich in vernünftiger Zeit auch ein Arzt oder eine Ärztin erreichbar sein. Seit 20 Jahren höre ich von der Lotsenfunktion des Hausarztes. Es wird nur nicht gemacht und nicht bezahlt.
Ein anderes Thema, das viele Apotheker:innen beschäftigt, sind Nachtdienste. Wie sieht die Lage in der Steiermark aus? Wir bekennen uns gegenüber den Menschen aktiv zu unserer Verantwortung, das System durch das Leisten von Bereitschaftsdiensten aufrechtzuerhalten. Die Bereitschaftsdienste der öffentlichen Apotheken sind auch ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zu ärztlichen Hausapotheken, die derartige Leistungen nicht erbringen. Klar ist aber auch, dass es hier bedarfsgerechte Änderungen braucht, einige Anpassungen wurden auch schon vorgenommen. Das Problem ist, dass die BH die Verordnung für die Apotheken für das ganze Jahr macht und es enorme Unterschiede zwischen Ballungsraum und Land gibt. Wenn ich am Christtag in Graz Dienst habe, hab ich 200 Kund:innen. Am Land hab ich oft gar niemanden in einer Nacht. (Das Gespräch führte Martin Rümmele)