Die Corona-Krise hat auch die heimischen Apotheken hart getroffen, sagt Jürgen Rehak, Präsident des Apothekerverbandes im RELATUS-Interview. Er übt Kritik an den Hilfen der Regierung und kündigt an, die „Politik an unsere Leistungen der vergangenen Wochen und Monate“ zu erinnern.
Nachdem der Start des Lockdown eine enorme Nachfrage bei den Apotheken gebracht hat, ging es danach bis jetzt bergab mit dem Umsätzen. Wie haben sich die Krise und die Maßnahmen wirtschaftlich auf die Apotheken ausgewirkt? Wir gehen von 150 bis 170 Apotheken aus, die durch die Coronakrise in massive wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, also von über zehn Prozent aller Betriebe. Finanzielle Einbußen mussten aber natürlich weit mehr Betriebe hinnehmen. Vor allem betroffen sind Apotheken in Einkaufszentren, Einkaufsstraßen und in Tourismusgebieten, die beinahe vollkommen um ihre Laufkundschaft umgefallen sind. Was nahezu alle Betriebe spüren: Die Umsätze mit Privatverkäufen, also alles was nicht über ein Rezept abgegeben wird, sind teilweise stark gesunken. Gleichzeitig mussten wir etliche Maßnahmen umsetzen, mit der wir die Sicherheit für unsere Teams und unsere Kundinnen und Kunden garantieren konnten. Auf eigene Kosten wohlgemerkt. Wir haben das natürlich gemacht, weil wir eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung haben. Wir sind da geblieben, als es eng wurde und haben uns nicht weggeduckt. Jetzt geht es darum, wie auch wir aus diesem Tal wieder herauskommen. Da werden wir die Politik an unsere Leistungen der vergangenen Wochen und Monate erinnern müssen.
Das klingt nach dem Ruf nach Unterstützungen? Ich bin da aber jetzt einmal vorsichtig. So manche Ankündigung hat ja besser geklungen, als sie bisher umgesetzt wurde. Der Apothekerverband bemüht sich um standesinterne Hilfestellungen und um Zugang und Erleichterungen für die allgemeinen Programme der Regierung. Hier geht es vor allem um Steuerstundungen, Entlastungen bei Tourismusabgaben, bei Mietverträgen oder der Entbürokratisierung von Kurzarbeit. Bei den Hilfsmaßnahmen ist jetzt zu sehen, dass es zwar wohlklingende Ankündigungen gibt, die Betriebe aber bei ihren Ansuchen in Bürokratie ersticken und viel zu lange auf Unterstützungsleistungen warten müssen. Das Motto muss also sein: Unterstützung jetzt, Bürokratie später.
Wie viele Corona-Infektionsfälle gab es insgesamt in Apotheken und mussten Apotheken deshalb zusperren? Glücklicherweise gab es nur eine Handvoll Betriebe in denen Coronafälle aufgetreten sind. Das zeigt, dass unsere Maßnahmen wirklich gut gegriffen haben. Angefangen beim raschen Umstellen auf zwei voneinander unabhängige Teams bis hin zu Schutzmaßnahmen wie Plexiglaswänden. Da haben wir nicht nur schnell reagiert, wir haben die Lage auch von Beginn an richtig eingeschätzt und uns entsprechend gerüstet.
Die Österreichische Gesundheitskasse kämpft mit steigenden Verlusten. Wird es zu Einsparungen im Arzneimittelbereich kommen? Ich würde vorschlagen: Warten wir einmal ab, ob und inwiefern sich diese Prognosen bewahrheiten. Was jedenfalls nicht passieren darf ist, dass die Budgetlücke zu Lasten der Arzneimittelversorgung geschlossen wird. Denn schon jetzt sehen wir als Billigpreisland für Arzneimittel, dass wir deswegen immer wieder von Lieferengpässen betroffen sind. Wird hier der Sparstift noch stärker angesetzt, würden sich diese Probleme weiter vertiefen. Wir haben ein funktionierendes System der Medikamentenversorgung und das darf keinesfalls in Gefahr gebracht werden.
Wie beurteilen sie generell die Maßnahmen der Regierung? Letztlich standen bei der Bekämpfung der Coronakrise zwei Wege zur Auswahl: Harte Einschränkungen des öffentlichen Lebens und dementsprechende wirtschaftliche Folgeschäden versus weniger harte Maßnahmen mit geringeren wirtschaftlichen Auswirkungen. Die Entscheidung Österreichs für den ersten Weg war gesundheitspolitisch sicher richtig. Wirtschaftlich haben wir dadurch aber jetzt enormen Aufholbedarf.
Das Interview führte Martin Rümmele