ÖGB, Arbeiterkammer und ÖGK-Vertreter warnten am Dienstag vor massiven Einschränkungen für Versicherte durch die Kassenreform. Sie fürchten Selbstbehalte und längere Wartezeiten.
„Der Zugang zu einem fairen und gut funktionierenden Gesundheitssystem für alle kann durch den Umbau der Sozialversicherung gefährdet werden,“ betonte ÖGB-Vizepräsidentin Korinna Schumann in einer Pressekonferenz am Dienstag. Obwohl der Großteil der Mittel von Arbeitnehmern beigesteuert werde, würden in Zukunft Arbeitgeber über das Leistungsangebot entscheiden, kritisierte sie. Es sei zu befürchten, dass es für die Versicherten über kurz oder lang zu längeren Wartezeiten, aber auch zu Selbstbehalten kommen könnte. Ähnliche Bedenken äußerte auch Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein: „Rund 160.000 Arbeitgebern wird der gleiche Einfluss auf die Sozialversicherung von 7,2 Millionen Menschen gegeben wie den Versicherten selbst.“ Während die versicherten Arbeitnehmer, Pensionisten und Angehörige vor allem an einem hohen Leistungsniveau interessiert seien, „legen die Arbeitgeber vor allem auf niedere Sozialkosten und gute Geschäfte mit der Sozialversicherung Wert“, argumentierte Klein. Andreas Huss, Arbeitnehmer-Obmann in der Österreichischen Gesundheitskasse, bezeichnete die Situation als „kalte Enteignung“.
Die Wirtschaftsseite reagiert entsprechend verschnupft. „Seit 50 Jahren wird die Verschlankung der 21 Sozialversicherungsträger diskutiert. Mit dem neu geschaffenen 5-Träger-Model wird Österreich endlich einem modernen Gesundheitssystem gerecht. Die neuen Strukturen sind schlanker, effizienter und machen Österreichs Versicherungssystem zukunftsfit“, sagte der Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Kurt Egger. Die Weiterentwicklung der Selbstverwaltung sei ein wesentliches Element der Reform. Somit werde der Austausch zwischen sechs Arbeitgeber- und sechs Arbeitnehmervertretern in den neuen Verwaltungsräten auf Augenhöhe gewährleistet.
Für Aufregung zwischen GKK und Land sorgte indes in Niederösterreich die Ankündigung der Landespolitik, dass es eine Einigung über den Bau eines Primärversorgungszentrums mit drei Ärzten in Amstetten-Mauer in unmittelbarer Nähe des örtlichen Klinikums geben soll. „Mit uns hat niemand gesprochen. Das Land Niederösterreich hat keinen Kontakt mit uns aufgenommen“, sagte der scheidendes Obmann der NÖ-Gebietskrankenkasse, Gerhard Hutter. Da nahezu ausschließlich die NÖGKK als Finanzier einer solchen Einrichtung auftrete, zeigte sich Hutter von der Vorgehensweise der Politik überrascht: „Ich bin enttäuscht von Landesrat Eichtinger, der in unserem gemeinsamen Bestreben, die ärztliche Versorgung in Niederösterreich zu optimieren, bisher ein ausgezeichneter und ernstzunehmender Partner war.“ Gesundheitsversorgung dürfe kein Spielball für die Gemeinderatswahlen sein, spielte er auf die kommenden Wahlen an. (rüm)