Extreme Geldsorgen schwächen die Abwehr des Immunsystem und begünstigen psychische Erkrankungen. Expert:innen fordern eine Entstigmatisierung.
„Es gibt keine Gesundheit ohne seelische Gesundheit“, mahnt Beate Wimmer-Puchinger, Präsidentin des Österreichischen Verbandes für Psycholog:innen, und verweist damit auf die Dringlichkeit, etwas gegen Armut zu unternehmen – denn Armut mache die Seele krank. Laut Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich sind finanziell benachteiligte Menschen einem sechsmal höheren Risiko an einer Depression zu erkranken ausgesetzt. Das unterstreichen auch Daten aus der österreichischen Bevölkerung: Das unterste Fünftel bei der Einkommensverteilung weise die höchste Depressionsrate auf. Laut Forschungen im Fachbereich der „Psychologie der Knappheit“ wäre allein das Denken an Geldsorgen für die kognitive Leistung so schädlich wie eine Nacht ohne Schlaf. Und nicht nur das: Medizinischen Studien zufolge schwächt Armut die Abwehrkräfte des Immunsystems.
In Österreich ist derzeit beinahe jedes vierte Kind von Armut betroffen, was laut Erich Fenninger, Geschäftsführer der Volkshilfe, oft schon in jungen Jahren zu chronischen Erkrankungen führe. Die Expert:innen verlangen deshalb einerseits, die „Therapielücken zu schließen“ sowie eine Entstigmatisierung von Armut betroffenen Menschen. Es brauche aber vor allem universelle und niederschwellige Angebote für finanzielle benachteiligte Menschen. Sollten nur bedarfsgeprüfte Angebote zur Verfügung stehen, müsse darauf geachtet werden, die Menschen in einem geschützten Rahmen zu beraten – am besten kostenfrei und vor Ort. „Wer die Situation von Mindestsicherungs- und Sozialhilfebeziehern verschlechtert, Arbeitslose statt Arbeitslosigkeit bekämpft, Chancen im Bildungssystem für benachteiligte Kinder blockiert oder Niedriglohnjobs fördert, verschlechtert die Gesundheitssituation in Österreich“, betont Schenk. (kagr)