Gesundheitsminister Johannes Rauch hat den EU-Unterausschuss des Nationalrates über den Stand der Verhandlungen für die EU-Pläne informiert mit denen Engpässe behoben werden sollen.
Die Pläne der Europäischen Kommission zur Reform des Arzneimittelrechts und zu Maßnahmen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen standen dieser Tage auf der Tagesordnung des EU-Unterausschusses im Nationalrat. Die Abgeordneten erkundigten sich bei Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) nach dem Stand der Verhandlungen. Dieser befürwortet die angestrebten Ziele zur Erhöhung der Verfügbarkeit von Arzneien und betonte die Notwendigkeit einer gemeinsamen europäischen Beschaffungspolitik. Angesichts eines veränderten Umfelds, einschließlich der Lehren aus der COVID-19-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, soll wie berichtet der EU-Rechtsrahmen für Arzneimittel modernisiert werden. Dazu schlägt die Kommission eine Überarbeitung der EU-Arzneimittelvorschriften vor. Damit soll die Versorgungssicherheit gestärkt und so sichergestellt werden, dass alle Patient:innen in der EU ständigen Zugang zu sicheren, wirksamen und erschwinglichen Arzneimitteln haben. Zudem soll das Umfeld für Forschung, Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln verbessert werden. Weiters strebt die Kommission umweltverträglichere Arzneimittel an und priorisiert die Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen.
Konkret sollen zeitnahe Zulassungen gefördert und Unternehmen Anreize geboten werden, ihre Produkte in alle EU-Mitgliedstaaten einzuführen. Zur Verbesserung der Erschwinglichkeit von Arzneimitteln sollen unter anderem der frühere Markteintritt von Generika und Biosimilars sowie die Förderung der gemeinsamen Medikamentenbeschaffung beitragen. Arzneimittelengpässen soll unter anderem durch strengere Meldeverpflichtungen begegnet werden. Durch verstärkte wissenschaftliche Unterstützung, beschleunigte Bewertungsverfahren und eine verbesserte Behörden-Zusammenarbeit soll die Arzneimittelentwicklung beschleunigt und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Um die negativen Auswirkungen von Arzneimitteln auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit einzudämmen, soll die Umweltrisikobewertung gestärkt sowie ein einheitliches EU-Umweltrisikobewertungsverfahren für klinische Prüfungen mit genetisch veränderten Organismen eingeführt werden. Zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen sollen einerseits der Zugang zu bestehenden antimikrobiellen Mitteln sichergestellt und die Entwicklung neuer, wirksamerer Mittel gefördert werden.
Der Preisdruck bei Medikamenten sei in allen EU-Mitgliedsstaaten enorm hoch, sprach sich Rauch für eine gemeinsame europäische Verhandlungsposition und eine gemeinsame Beschaffung aus. Diese müsse aber – im Unterschied zur gemeinsamen Beschaffung in der COVID-19-Pandemie – transparent und öffentlich nachvollziehbar erfolgen. Auf nationaler Ebene wäre auch die Einführung einer Wirkstoffverschreibung sinnvoll, um die Situation zu entschärfen, meinte er. In der EU gebe es aktuell im internationalen Vergleich großzügige Schutzfristen, er befürworte deren Reduzierung. Kein Verständnis zeigte Rauch für Bedenken, wonach durch die neuen Regeln Wettbewerbsnachteile entstehen würden oder eine Abwanderung der Industrie zu befürchten sei.
Die Ziele der Reform seien grundsätzlich zu begrüßen, auf der Ebene der Details aber noch Diskussionen notwendig, betonte ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle. Petra Bayr (SPÖ) interessierte, wie durch die Reform sichergestellt werden kann, dass nicht „nationalstaatlich egoistische Maßnahmen“, wie zuletzt Exportverbote in der COVID-19-Pandemie, gesetzt würden und staatlich mitfinanzierte Medikamenteninnovationen auch für die Menschen verfügbar sind. Die einzelnen Staaten hätten unterschiedliche Positionen, es setze sich aber ein Verständnis für die Notwendigkeit eines Mindestmaßes an gemeinsamen Standards durch, meinte Rauch zu Bayr.
Die Kommission verfolge mit ihren Vorschlägen erstrebenswerte Ziele, verfehle aber die von ihr selbst gesteckten Zielsetzungen, kritisierte FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. Die Maßnahmen würden nicht zu einer Entlastung führen und seien teilweise widersprüchlich. Er forderte Anreize für die europäische Produktion, wie etwa erhöhte Erstattungspreise bei der Erfüllung bestimmter Vorgaben, und eine breit aufgestellte Vertriebskette mit einer Belieferungspflicht der Hersteller an den vollsortierten pharmazeutischen Großhandel. Weiters spricht sich die FPÖ in dem Antrag für die Beibehaltung des bisherigen Patentschutzes aus und fordert bei der Zulassungsverpflichtung neuer Arzneimittel in allen EU-Mitgliedstaaten „einen bewältigbaren bürokratischen Aufwand sowie ein definiertes europäisches Preisband.“ Der FPÖ-Antrag sei nicht im Sinne der Patient:innen, sondern vielmehr ein „Wünsch Dir was“ der pharmazeutischen Industrie und des pharmazeutischen Großhandels, kritisierte Ralph Schallmeiner (Grüne). Die Kosten pharmazeutischer Produkte seien die größten Preistreiber bei den Sozialversicherungen, nationale Lösungen seien nicht zielführend und es brauche deswegen ein gemeinsames europäisches Vorgehen. Die Sinnhaftigkeit des von der FPÖ geforderten europäischen Preisbands hinterfragte Fiona Fiedler (NEOS). Wie solle dies auf europäischer Ebene funktionieren, wenn es schon in Österreich nicht funktioniere, meinte sie. (rüm)