Die REALTUS-Umfrage zur Wahl
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Der Countdown zur Nationalratswahl am 29. September läuft. Die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zählt zu den wichtigsten Zukunftsthemen. Relatus hat die Spitzenkandidat:innen nach ihren Ideen gefragt. Diesmal: Grüne-Chef und Vizekanzler Werner Kogler.
Unter Federführung der Grünen hat die amtierende Regierung eine Gesundheitsreform umgesetzt. Auf Basis des Finanzausgleichs stehen insgesamt 14 Mrd. Euro bis 2028 für Reformen in Gesundheit und Pflege zur Verfügung. Sind Sie zufrieden – reichen diese Mittel aus? Oder muss die nächste Regierung nachbessern? Für uns Grüne ist es eine zentrale Aufgabe der Politik, eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle Menschen unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort sicherzustellen. Deswegen muss unsere Gesundheitsversorgung auch weiter ausgebaut und finanziell abgesichert werden. Mit der Gesundheitsreform haben wir viel Geld in die Hand genommen und längst überfällige Reformschritte umgesetzt. So wurden viele Maßnahmen getroffen, um die Versorgung mit Haus- und Fachärzt:innen in ganz Österreich zu verbessern. Erstmals in der Geschichte wurden die Sozialversicherungen direkt mit mehr Geld ausgestattet. Damit hätten sie erstmals die finanziellen Mittel, um ihre Leistungen auszubauen. Gleichzeitig wurde eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, um Doppelgleisigkeiten zu beseitigen. Damit ist eine solide Grundlage für ein wieder sehr gut funktionierendes System geschaffen. Die begonnene Reform muss weitergeführt werden. Jetzt liegt es an den Beteiligten – Sozialversicherungen, Ländern – das gemeinsam Vereinbarte umzusetzen. Für uns gilt das Motto: e-card statt Kreditkarte.
Welche Top-3 Themen müssten vor diesem Hintergrund aus Ihrer Sicht jedenfalls im nächsten Regierungsprogramm stehen? Die Gesundheitsversorgung in Österreich muss weiter ausgebaut und abgesichert werden. Für eine nachhaltige und gerechtere Finanzierung unseres Gesundheitssystems wollen wir auch Einkünfte aus Kapitalerträgen verwenden, um notwendige Gesundheitsleistungen auszubauen. Weiters müssen Ärzt:innen durch Anreize wieder zurück ins öffentliche System geholt werden, damit sich die Versorgung mit Haus- und Fachärzt:innen überall wieder verbessert. Deshalb setzen wir uns weiter für mehr Primärversorgungseinheiten ein, damit Patient:innen mehr Leistungen angeboten bekommen und es Ärzt:innen ermöglicht wird, in interdisziplinären Teams zu arbeiten. Der Ausbau telemedizinischer Angebote schafft zudem niederschwellige medizinische Beratung und erspart Menschen für eine Erstdiagnose den Weg ins Spital. Außerdem wollen wir die bestmögliche Behandlung von Patient:innen und mehr Gesundheitsvorsorge, damit Menschen gar nicht erst krank werden – mit dem Ausbau von Vorsorgeuntersuchungen, Aufklärungsprogrammen und mehr kostenlosen Impfangeboten. Dafür braucht es aber auch eine Klärung der Zuständigkeiten. Und natürlich ist uns eine ökologische und klimaneutrale Ausgestaltung des Gesundheitssystems wichtig.
Apropos Zuständigkeiten: Würden Sie, wenn Ihre Partei nach der Nationalratswahl in Regierungsverantwortung wäre, das Gesundheitsressort in dieser Form belassen: Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz? Gesundheit ist immer auch eine soziale Frage. Ein gutes Gesundheitssystem sorgt dafür, dass niemand zurückgelassen wird und ist solidarisch finanziert. Wir sind dafür, dass die Kompetenzen Arbeit und Soziales wieder in einem Ministerium zusammengeführt werden. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sind neben der Mindestsicherung wichtige Bestandteile der sozialen Absicherung in Österreich. Für eine gute und umfassende Sozialpolitik müssen unserer Ansicht nach nicht nur diese beiden Ressorts wieder zusammengeführt werden, sondern auch Gesundheit und Pflege.
Gerade Frauen werden aktuell in vielerlei Hinsicht benachteiligt, wenn es um eine adäquate Gesundheitsversorgung geht und damit in gewisser Weise zurückgelassen. Sollte das Thema Frauengesundheit/Gendermedizin stärker in die Gesundheitspolitik der kommenden Jahre einfließen? Jede Frau hat das Recht auf ein gesundes Leben und wir brauchen Maßnahmen, um dieses Recht für alle Frauen in Österreich zu verwirklichen. Um die Gesundheit von Frauen nachhaltig zu verbessern, müssen wir in Zukunft verstärkt auf Gendermedizin setzen. Österreichs Bevölkerung besteht zu mehr als 50 Prozent aus Frauen. Dennoch wird in der Medizin und Forschung noch immer und zu oft der männliche Körper als Norm betrachtet. Das kann zu folgenschweren Fehldiagnosen und -behandlungen für Frauen führen. Auch in der Gesundheitspolitik finden geschlechtsspezifische Themen wie Menstruation, Verhütung, die reproduktive und sexuelle Gesundheit zu wenig Beachtung. Wir wollen einen Lehrstuhl für Gendermedizin an der Medizinischen Universität und mehr Schwerpunkte für gezielte Forschung etwa zu Endometriose sowie Verbesserungen im Bereich des Schwangerschaftsabbruchs. Auch Intersektionalität muss in der Gendermedizin mitgedacht werden, denn Alter, Ethnie, Behinderungen und die soziale Herkunft haben Auswirkungen auf Symptome, Diagnose und Behandlung von Frauen. (Das Interview führte Evelyn Holley-Spiess)