„Bei Apotheken gibt es nichts mehr zu sparen“

Ulrike Mursch-Edlmayr© Apothekerkammer

Wirtschaftsforscher:innen empfehlen der nächsten Regierung ein Sparpaket. Die Präsidentin der Apothekerkammer, Ulrike Mursch-Edlmayr, legt im Interview ihre Forderungen an eine neue Regierung vor.

Wirtschaftsfachleute fordern von der neuen Regierung ein Sparpaket. Die Krankenkassen erwarten bis 2028 kumuliert mehr als eine Milliarde Euro Verlust. Welche Folgen hat das für das Gesundheitswesen und speziell für den Arzneimittelbereich sowie die Apotheken? Die verkrampfte Suche nach Lösungen und die Diskussion über Kostensenkungen wird wohl wieder an Fahrt aufnehmen. Das Grundproblem ist: Gesundheitsausgaben werden oft nur als Kostenfaktor gesehen, nicht als Investition in die Gesundheit der Menschen. Bei den Apotheken gibt es jedenfalls nichts mehr zu sparen – es wurde alles optimiert im Erstattungsbereich. Wirtschaftlich stehen viele Apotheken schon jetzt mit dem Rücken zur Wand. Wir haben Kostensteigerungen beim Personal, den Mieten und der Energie. Im Gegensatz zu anderen Branchen können wir aber nichts an Endverbraucher weitergeben. Alle Entwicklungen und Regelungen im Arzneimittel-Bereich schlagen schon bei uns auf: wir haben Margenverluste im Kerngeschäft zu schultern und gleichzeitig eine Explosion bei unbezahlten Dienstleistungen und seit Jahren aufgrund Lieferengpässe einen erheblichen Mehraufwand. Das ist unternehmerisch äußerst herausfordernd und kann auf Dauer nicht gutgehen. Statt bei den Apotheken zu sparen, sollte man mit den Apotheken sparen.

Wie soll das gehen? Alles, was nicht medizinisch gelöst werden muss – Sichtwort Selbstmedikation – ist ein Vorteil für das System. Das kann noch standardisierter genutzt werden. Wir können und wollen einen Beitrag leisten bei Früherkennung, Prävention und der Stärkung der Gesundheitskompetenz. Zur Förderung von Vorsorgemaßnahmen und Früherkennung braucht es eine bundesweite Präventionsstrategie mit klaren Verantwortlichkeiten und einer Finanzierung aus einer Hand. Aufgrund ihrer gleichmäßigen Verteilung in ganz Österreich sind die öffentlichen Apotheken ein entscheidender Schlüssel zur gerechten Harmonisierung präventiver Leistungen. Wenn die Regierung die Strategie digital vor ambulant vor stationär verfolgt, ist das gut. Aber digital allein funktioniert nicht, es braucht auch eine Begleitung der Patient:innen im Sinne der Lenkung. Das können wir übernehmen.

In der zuletzt von Bund, Ländern und Kassen vorgelegten e-Healthstrategie kommen die Apotheken auf 68 Seiten aber nur einmal vor. Wie beurteilen Sie das? Wir kommen genau an der richtigen Stelle vor – und zwar wenn es um telemedizinische Angebote geht. Die Apotheken sind digitale Gesundheits-Pioniere. Es ist in großem Ausmaß der Apothekerschaft zu verdanken, dass seit 2022 alle Kassenrezepte in elektronischer Form als e-Rezept eingelöst werden können. Die eHealthstrategie Österreichs bildet eine gute Basis, um die zielgerichtete Digitalisierung des Gesundheitswesens voranzutreiben. Wir sehen unseren Auftrag im Bereich der Patientenstromlenkung, kombiniert mit digitalen Angeboten. Das schafft Versorgungssicherheit und spart Kosten. Die Verzahnung mit der Gesundheitshotline 1450 verbessert die Patientenlenkung. Die Frage ist, wie man den extramuralen Bereich entlasten kann. Denn Fakt ist: Es gibt künftig nicht mehr Ärzte. Wir müssen also Strukturen im Gesundheitssystem nutzen, die bestimmte Versorgungsaufgaben übernehmen können. Genau hier kommen die die Apothekerinnen und Apotheker ins Spiel. Unser noch ungenutztes Versorgungspotenzial ist enorm. Als Berufsstand haben wir mehrfach bewiesen, dass wir gemeinsam mit unseren Gesundheitspartnern die richtigen Antworten auf komplexe Herausforderungen finden. Unsere Versorgungsangebote liegen auf dem Tisch.

Neben dem Wort Apotheken taucht in dem Papier erstmals in Österreich der Begriff „Gesundheitskiosk“ auf. Wissen Sie was damit gemeint ist? Wir werden die gesundheitspolitischen Herausforderungen nicht lösen, indem wir neue Begriffe in die Diskussion werfen oder neue Strukturen schaffen. Unser Gesundheitssystem ist komplex genug, es gibt ausreichend Akteure. Wir sollten darauf fokussieren, welche Aufgaben von bestehenden Strukturen sinnvoll und versorgungswirksam übernommen werden können. Gesundheitskioske fungieren als Beratungsstelle, sollen Zugang zur Versorgung gewährleisten, die Koordination verbessern sowie Gesundheitskompetenz fördern. Genau das machen die Apotheken tagtäglich – oft als unbezahlte Dienstleistung. Eine Apotheke ist aber kein Kiosk, sondern ein hochmoderner Gesundheitsnahversorger mit einer Fülle an Gesundheitsangeboten. Wir haben 1450 Apotheken in der Fläche über ganz Österreich verteilt. Maximal 20 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, brauchen medizinischen Support – für diese Personen kann ich in Zukunft möglicherweise direkt in der Apotheke über Telemedizin den Kontakt zu Ärzt:innen herstellen. In diesem Setting gibt es das nur in der Apotheke. Dieses Angebot von uns liegt allen Verantwortlichen vor. Das werden wir auch einbringen in Gesprächen mit einer künftigen Regierung. Was es für all diese Angebote aber dringend braucht, ist eine faire finanzielle Abgeltung. Alle Parteien haben im Vorfeld signalisiert, dass unsere Leistungen erstattet werden sollen. Wir werden das einfordern.

Bleiben wir gleich bei dem Thema: Welche Wünsche haben Sie an die kommende Regierung? Apotheken bieten institutionelle vorbeugende Sicherheit. Sie sind mit ihrer Infrastruktur und der fachlichen Expertise der Garant für eine qualitativ hochwertige und gerechte Daseinsvorsorge der Menschen. Damit die öffentlichen Apotheken ihren flächendeckenden Versorgungsauftrag jederzeit auf höchstem Niveau erfüllen und gezielt erweitern können, braucht es ein klares Bekenntnis der Politik zur Aufrechterhaltung dieser unverzichtbaren Infrastruktur. Auch die Arzneimittelhoheit in der Apotheke muss bleiben. Klar ist: In der Stärkung der Apotheken liegt ein zentraler Schlüssel, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern, das medizinische System zu entlasten und bestehende Versorgungslücken zu schließen. Darüber hinaus muss die Sozialversicherung mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, um die Leistungen, die es braucht, finanzieren zu können. Prävention und Gesundheitsförderung müssen ausgebaut werden, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung muss unter Einbeziehung digitaler Angebote von e-Healthstrategie gestärkt werden. Und klar: Impfen in Apotheken ist eine Frage der Zeit, das erwarten wir auch noch.

In unseren Umfragen beklagen Apotheker:innen den wachsenden Personaldruck in Apotheken – warum ist das so, welche Lösungen gibt es? Personaldruck haben alle Branchen aus unterschiedlichsten Gründen. Wir haben ein System mit vielen Teilzeitkräften und vielen Frauen. In der Pandemie haben Apotheken aufgestockt. Die Situation ist aber von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Gerade für kleinere Apotheken ist es schwieriger. Eventuell könnte man versuchen den Pool an Springern in den Bundesländern zu verbessern. Wir dürften denn Peek aber überschritten habe, es normalisiert sich wieder etwas. Wir müssen natürlich auch mehr ausbilden und uns um unsere Beschäftigten bemühen. Die Arbeit in der Apotheke ist spannend und abwechslungsreich, die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen erhöhen die Attraktivität. Genau das müssen wir noch stärker publik machen. (Das Interview führte Martin Rümmele)