Das mittlerweile 13. „Jahrbuch für Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft Österreich“ widmet sich dem Thema „Solidarität im Gesundheitssystem – Über die Notwendigkeit von Gesundheitskompetenz“. Es wurde am Dienstag vorgestellt.
„Vor einem Jahr standen wir hier und sagten: Da ist ein Licht am Ende des Tunnels. Aber das Licht am Ende des Tunnels war ein entgegenkommender Zug: die Omikron-Variante“, eröffnete Wolfgang Kaps, Geschäftsführer von Sanofi Österreich, die Podiumsdiskussion zur Präsentation des Gesundheitsjahrbuches 2021 am Dienstag in Wien. Es gebe „in Österreich noch unfassbar viel Luft nach oben“ an Präventionsmaßnahmen abseits von Lockdowns, meinte Patientenanwältin Sigrid Pilz. „Gesundheitskompetenz hat mehr Auswirkungen auf die Gesundheit, als das Gesundheitssystem: Wie viel ich trinke, rauche, esse und mich bewege – das sind Faktoren, die auch eine Rolle spiele, wie schwer man an Covid-19 erkrankt“, erklärte Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der Wirtschaftskammer, neben Sanofi Mitherausgeber des Jahrbuches.
„Gesundheitskompetenz ist eine Bringschuld“, präzisierte Patientenanwältin Sigrid Pilz mit einem Beispiel: Ein Schulsprecher wies sie darauf hin, dass es keine Broschüren gebe mit grundlegenden Informationen wie „Was tun, wenn ich infiziert bin?“, „Wie trage ich eine Maske richtig?“, „Wie funktioniert Aerosolübertragung?“. Stattdessen hätten Impfgegner vor Wiener Schulen „haarsträubende Folder“ verteilt. Ihr Fazit: „Man kann das Feld nicht einfach denen überlassen, die gewissenlos die Bevölkerung verhetzen wollen.“ Mit gut gemachten Infobroschüren „könnte man den Menschen Ängste nehmen, aber auch Handlungsorientierung geben – das wäre wichtig hinsichtlich Fake News“, betonte Pilz.
„Kursierende Falschmeldungen machen uns am meisten Sorgen“, meinte auch Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner an der MedUni Wien. „Hoch angesehene Institutionen sagen, der Mund-Nasen-Schutz wirkt. Aber wenn die Elfi Nowotny aus Simmering auf Facebook sagt: ‚Masken schaden mehr, als sie nützen‘, hat das teilweise mehr Bedeutung.“ Wie man die „Unerreichbaren“ erreiche, sei nach Ansicht Hutters jedoch „die falsche Frage“, das sei „vergebene Liebesmüh“. Die Frage sei viel mehr, wie man an die „schwer Erreichbaren“ komme. Dafür brauche es „gezielt aufsuchende Präventionsmaßnahmen“, die sozialen Verhältnisse berücksichtigend. „Sehr umständlich und mühsam, aber anders geht’s nicht“, erklärte Hutter.
Für eine transparentere, ehrlichere Kommunikation plädierte auch Cornelia Lass-Flörl, Direktorin des Instituts für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie an der MedUni Innsbruck: „Wir haben es mit einer ganz neuen Situation zu tun und man sollte den Mut haben, der Bevölkerung mitzuteilen, dass wir viele Dinge nicht wissen und immer einen Schritt hinterherhinken. Fakt ist, dass wir noch nicht wissen, wie es mit den Impfungen weitergeht, wie viele wir letztendlich benötigen werden.“ (rüm)