Aufregung in der Standesvertretung der Apotheker: Ausgerechnet der eigene Berater, eine führende Gesundheitsagentur, wirbt im Namen des Versandhändlers Shop Apotheke für eine Marktliberalisierung in Österreich. Der Apothekerverband stoppt alle Kontakte, die Apothekerkammer schweigt.
Supergau für die Standesvertretung der Apothekerschaft: Eine führende Gesundheitsagentur, welche die Österreichische Apothekerkammer, den Österreichischen Apothekerverband und den Oberösterreichischen Apothekerverband als wichtige Kunden führt, wirbt für den Versandriesen Shop Apotheke, der offenbar den Markt in Österreich aufbrechen will. In einem Schreiben an Gesundheitssprecher im Parlament bittet der Geschäftsführer der Consultingsparte der Gruppe im Namen der Shop Apotheke um einen Gesprächstermin. Der Inhalt: „Die Liberalisierung des Versandes von rezeptpflichtigen Medikamenten“ und der damit „einhergehende Bestellvorgang über hochqualitative und zertifizierte Onlineapotheken“ solle eine Konsequenz auf die Corona-Krise sein. Dadurch könnten vulnerable Gruppen, „wie zum beispielsweise älteren Personen in ihrem wohlverdienten Ruhestand oder Schwerkranke, dessen Immunsystem bereits ausreichend strapaziert wird und einem Virus nur wenig entgegenzusetzen haben“ geschützt werden. Das Schreiben liegt dem Onlineportal RELATUS PHARM vor. Mitgeschickt wird ein Strategiepapier.
Und dessen Inhalt dürfte den heimischen Apothekern so gar nicht gefallen. „SHOP APOTHEKE bietet jedermann die digitale Chance, zu den wichtigsten Heilmitteln beraten und zuverlässig mit ihnen versorgt zu werden“, heißt es da gleich zu Beginn. Und weiter: „Mit über 100.000 hochqualitativen Heilmitteln und weitere gesundheitsbezogenen Produkten, ausschließlich aus Österreich und Deutschland“, sei Shop Apotheke „ein sicheren Hafen in der ‚kontaktlosen‘ Versorgung.“ Während der Corona-Krise bräuchten fast 800.000 Menschen, die zu Risikogruppen gehören, „barrierefreien und niederschwelligen Zugang zu ihren Arzneimitteln. SHOP APOTHEKE berät ‚kontaktlos‘ mit rund hundert pharmazeutischen Mitarbeitern an sechs Tagen der Woche und garantiert eine Lieferung des Orginalpräparats innerhalb von 1 bis 2 Werktagen.“ Deshalb solle – so der Wunsch des Unternehmens – „die Zustellung rezeptpflichtiger Medikamente, zumindest temporär und besonders in Zeiten der Gefährdung durch COVID-19, auch in Österreich ermöglicht werden.“ Eine Marktöffnung also, die von den Apotheken gefürchtet und seit Jahren vehement bekämpft ist, wird nun von den eigenen Beratern forciert.
„Im Apothekerverband haben wir am 1.12. von diesem Umstand Kenntnis erlangt. Wir waren und sind nach wie vor schockiert und überrascht von dieser Vorgehensweise“, teilt Verbandspräsident Jürgen Rehak am Sonntag auf Anfrage von RELATUS PHARM mit. „Selbstverständlich haben wir umgehend überprüft, wo es geschäftliche Beziehungen zur Gruppe und ihren Unternehmungen gibt.“ Eine solche habe in einer Zusammenarbeit mit einem Verein im Rahmen eines Gesundheitsforums und bei der Entstehung eines Weißbuchs zur Zukunft des Gesundheitswesens bestanden. „Diese Zusammenarbeit haben wir umgehend voll umfänglich gestoppt. Andere geschäftliche Beziehungen zur Gruppe und ihren Teilunternehmungen gibt es nicht“, versichert Rehak: Der Oö-Apothekerverband habe – obwohl er auf deren Website genannt wird – keine Geschäftsbeziehung zur Gruppe. Oö-Verbandspräsident Präsident Thomas Veitschegger selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Apothekerkammer, die ebenfalls auf der Website geführt wird und deren Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr nicht nur regelmäßig bei Veranstaltungen der Agentur auftrat, sondern auch einen eigenen Lobbyingsalon mit dieser betrieben hat, gab bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme ab. Sie habe die Anfrage an die Pressestelle weitergeleitet, teilte Mursch-Edlmayr kurz und knapp per SMS mit. (rüm)
RELATUS KURZUMFRAGE: Wie beurteilen Sie die Situation, dass Standesvertretung und „Shop Apotheke“ den gleichen Berater haben?