Braucht es Preiserhöhungen bei Medikamenten?
In der Diskussion um Versorgungsengpässe bei Arzneimitteln hat der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) eine Branchenanalyse vorgestellt, die aufhorchen lässt.
Die derzeitigen, multiple Krisen setzen auch den Unternehmen der pharmazeutischen Industrie in Österreich zu: Ukrainekrieg, Energiekrise, gestiegene Kosten durch die Inflation und gleichzeitig ein hoher Druck auf die Arzneimittelpreise. Die Auswirkungen dessen werden etwa bei den aktuellen Schwierigkeiten in der Arzneimittelversorgung sichtbar. Die Peter Hajek Public Opinion Strategies GmbH hat im Auftrag des Branchenverbandes Pharmig ein Branchenbarometer erstellt und dazu unter den Verbandsmitgliedern erhoben, wie sie die zukünftige Entwicklung des Pharmastandorts Österreich einschätzen.
„Der Trend der Umfrage zeigt, dass die Rahmenbedingen in Österreich eher durchschnittlich eingeschätzt werden. Einen Veränderungsbedarf und damit ein klares Verbesserungspotenzial am Standort sehen die befragten Geschäftsführenden insbesondere in den Bereichen Preisgestaltung, Erstattung sowie Förderung und Finanzierung von innovativen Arzneimitteln“, schildert Peter Hajek. Während dem wirtschaftlichen Umfeld generell ein positiver Befund ausgestellt wird, werden die mangelhafte Einbindung in die Gesundheitspolitik sowie die fehlende Inflationsanpassung bei Arzneimittelpreisen kritisch gesehen.
„Was wir brauchen ist, dass wir unsere Preise an die Inflationsrate anpassen können“, fordert Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Der Pharmaindustrie sei es in Österreich nicht gestattet, selbst die Preise anzuheben, sondern jedes Unternehmen müsse dann einen Antrag bei der Sozialversicherung stellen. Das sei ein mühsamer Prozess, der in der Regel negativ entschieden werde. Es brauche einen automatisierten Prozess, fordert Herzog. Die heimischen Pharmaunternehmen hätten in den vergangenen zehn bis 20 Jahren „unglaublich viel investiert“, etwa in Qualitätssicherung und Fälschungssicherheit, sagte Pharmig-Vizepräsident und Sigmapharm-CEO Bernhard Wittmann. Das habe sich nicht auf der Preisseite niedergeschlagen. „Preise, die zehn, 20 Jahre gleich bleiben, das funktioniert nicht“, betonte er. Herzog warnte davor, dass man im österreichischen Erstattungssystem auf den Preis pro Packung schiele, statt den gesamtgesellschaftlichen Nutzen zu betrachten.
„Schmerzmittel und Antibiotika kosten teilweise weniger als eine Wurstsemmel“, sagte Herzog. Das habe die Produktion in den asiatischen Raum verlagert. „Das halten wir für nicht gut“, so der Pharmig-Generalsekretär, der mehr einen „Lieferengpass“ als einen „Versorgungsengpass“ sah. „Wir tun gut daran, lokale Versorgungen aufzubauen“, erläuterte auch Wittmann. Es sei aber „nicht realistisch“, bei Arzneimitteln „alles“ nach Europa zurückzuholen.
Zuletzt hatte der Vorsitzende im Dachverband der Sozialversicherungen, Peter Lehner, im RELATUS-Podcast „Gesundheit argumentiert“ Preiserhöhungen zurückgewiesen. Das würde nur die Gewinne der Konzerne erhöhen, weil diese dann doch weiter in Billiglohnländern produzieren. Lehner forderte insgesamt aber bessere Rahmenbedingungen für die Industrie, um diese nach Europa zurückzuholen. Am Dienstag legte er im Ö1-Interview nach: Die Produktion sei nicht aus Europa nach Asien abgewandert, „weil es hier nicht möglich wäre, sondern es geht darum, die Gewinne zu maximieren. Das ist in der Wirtschaft normal.“ Die aktuelle Situation, was Verkühlungen, was Erkrankungen betrifft, sei zudem für Europa von der Industrie falsch eingeschätzt worden. (rüm)