Tiroler, Steirer, Kärntner und Salzburger rittern derzeit scheinbar um das schlechteste Corona-Management. Die Tiroler kämpfen mit einer eigenen Virus-Mutation, die Steirer mit der Impfquote. Die Ampel-Kommission hat Wien indes wieder auf orange gestellt.
Erstmals seit Anfang November zeigt die Corona-Ampel eine andere Farbe als Rot. Die Corona-Kommission hat am Donnerstag beschlossen, Wien auf Orange zu schalten. Grund ist, dass die Bundeshauptstadt nunmehr seit etlichen Wochen die Kriterien dafür angesichts relativ niedriger Fallzahlen erfüllt. Einhellige Zustimmung, Wien besser zu stellen, gab es nicht, aber eine Mehrheit. Die türkis-geführten Ministerien für Inneres und Bildung enthielten sich nach Angaben der APA ebenso wie das Kanzleramt. Ebenso hielten es Nieder- und Oberösterreich und die Steiermark, allesamt VP-regiert. Die westlichen Bundesländer unterstützten dagegen wie die SP-geführten das grüne Gesundheitsministerium und die Experten die Orange-Schaltung.
Das Bundesland mit dem Bestwert, was die reine Fall-Inzidenz angeht, ist eigentlich aktuell das Burgenland vor Ober- und Niederösterreich. Bezieht man weitere Risikofaktoren ein, liegt Wien mit 65,6 am besten und damit schon recht nahe am Wunschwert der Regierung von 50. Interessant ist ein gesonderter Blick auf Tirol, über dessen Isolierung wegen der sich ausbreitenden, vermutlich infektiöseren und möglicherweise impf-resistenteren südafrikanischen Corona-Variante diskutiert wird. Problem-Bundesländer bleiben Kärnten und Salzburg, die bei der rohen Inzidenz mit 121,5 bzw. 178,7 deutlich abfallen. Bis auf Kärnten schaffen alle Länder eine positive Aufklärungsquote. Die meisten asymptotischen Fälle werden in Wien herausgefischt.
Deutliche regionale Unterschiede gibt es auch bei der Impfquote. Die Steiermark, Salzburg und Tirol sind Schlusslichter. In Oberösterreich haben immerhin 2,8 Prozent mit einem gemeldeten Hauptwohnsitz eine Corona-Impfung erhalten. In Vorarlberg und Kärnten sind es jeweils knapp 2,5 Prozent und in Wien 2,33 Prozent. Dagegen wurden in der Steiermark bisher nur 1,38 Prozent, in Salzburg 1,55 Prozent und in Tirol 1,66 Prozent der Einwohner geimpft. Kritik daran kommt auch der Ärztekammer in der Steiermark. Es gäbe keine Impfungen für zwei Spitäler – und bei Immunisierung niedergelassener Ärzte sei man Schlusslicht, sagt Ärztekammerpräsident Herwig Lindner. Das Land dementiert – gegen Impfstoffmangel sei man machtlos, ab Anfang März sollen die ersten über 80-Jährigen außerhalb von Heimen geimpft werden. Die Steiermark hatte allerdings besonders viele Infektionsfälle in Pflegeheimen. Dafür wurden zur Wochenmitte zahlreiche Fälle von Umgehungen des Lockdown in der Steiermark bekannt. Die „Kleine Zeitung“ berichtet von einem Fall in einem Skiort, wo 36 Zweitwohnsitze an einer Adresse angemeldet wurden. Im gesamten Bezirk Murau wurden sogar mehr als 700 Zweitwohnsitze binnen weniger Wochen angemeldet.
Tirol wiederum könnte – so unkte zuletzt der Kabarettist Robert Palfrader im ORF – das „Wuhan der Alpen“ werden. Die Verbreitung der südafrikanischen Mutation des Coronavirus in Tirol könnte tatsächlich zu einer Abschottung einzelner Gebiete führen. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass das ganze Land unter Quarantäne gestellt wird. Die Regierung prüft derzeit mit Experten alle Optionen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezeichnet die Situation in Tirol als „ernst“. Das Land Tirol hat, wie der Minister am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien sagte, noch am Mittwoch ein „sehr straffes Fünf-Punkte-Programm aufgestellt, mit dem die Situation genau untersucht werden soll“. Bis Sonntag werden die Ergebnisse noch einmal analytisch angesehen. Die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck vertrat in Interviews am Mittwoch die Ansicht, dass das Land Tirol angesichts des Auftretens neuer lokaler Corona-Varianten für einen Monat isoliert gehört. Die Beraterin der Bundesregierung übte scharfe Kritik am Land Tirol im Umgang mit den Corona-Mutanten und warnt vor einem „zweiten Ischgl“. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sprach sich gegen Maßnahmen aus –man könne bisher keine „exponentielle Ausbreitung“ der Mutationen feststellen, die Corona-Zahlen seien außerdem konstant.
Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat am Mittwoch eine Ausweitung der Testmöglichkeiten gefordert. Die Strategie müsse ausgebaut werden, sagte er in einer Aussendung. In Kärnten gibt es derzeit 25 Testlinien an zwölf Standorten. Selbst aktiv wird indes das Land Vorarlberg: es will das Angebot der kostenlosen Corona-Testmöglichkeiten ab kommendem Montag mehr als verdoppeln. Damit begegne man der landesweit stark steigenden Nachfrage, informierte Landesrat Christian Gantner (ÖVP) am Donnerstag. (red/APA)