Die EU bietet Corona-Impfstoffentwicklern Insidern zufolge nur einen teilweisen Schutz vor rechtlichen Risiken im Zusammenhang mit möglichen Nebenwirkungen an. Die aktuellen Vorbestellungen sollen generell wirtschaftliche Risiken beseitigen.
Da die potenziellen Corona-Impfstoffe wegen der Pandemie in Rekordzeit entwickelt werden, besteht ein höheres Risiko, dass sie unerwartete Nebenwirkungen haben oder möglicherweise nicht wirksam sind. Dieses Risiko könnte die Entwicklung bremsen, weshalb viele Staaten mit Vorbestellungen aus Risiken übernehmen. Die EU-Regierungen sind angesichts der gegenwärtigen außergewöhnlichen Umstände bereit, bestimmte Risiken der Unternehmen finanziell abzudecken, sagte nun ein EU-Vertreter. Die strengen Haftungsregeln der EU blieben jedoch bestehen. Danach haften Impfstoffhersteller und andere Unternehmen für ihre in der EU zum Verkauf stehenden Produkte, abgesehen von seltenen Fällen, in denen sie diese etwa nicht selbst in den Verkehr gebracht haben.
Die finanzielle Übernahme der Haftung ist ein wesentlicher Bestandteil der Gespräche der Arzneimittelhersteller mit Regierungen, die sich die noch in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe vorab sichern wollen. Die Haltung der EU zu Haftungsfragen könnte aber teilweise erklären, warum sie bisher hinter den USA bei der Sicherung potenzieller Corona-Impfstoffe hinterherhinkt. Das US-System sieht vor, dass die Regierung die Haftung für die Impfstoffe vollständig übernimmt und die Hersteller schützt. 30 Milliarden Dollar hat der US-Kongress für die Bekämpfung von COVID-19 bereitgestellt, einschließlich der Finanzierung der Impfstoffentwicklung und einer möglicherweise notwendigen Entschädigung. In der EU steht dagegen ein Notfallfonds von nur zwei Milliarden Euro parat, um die Impfstoffherstellern bei der Entwicklung und Haftungsfragen zu unterstützen.
Bisher hat die EU nur einen Liefervertrag über den Impfstoffkandidaten der britischen AstraZeneca und der Universität Oxford abgeschlossen. Dieser übernimmt die Haftung nur zum Teil und sieht vor, dass die Kosten geteilt werden, wie die belgische Arzneimittelbehörde über den Deal für alle 27 EU-Staaten erklärte. Die Frage über die Übernahme der Haftung bremste Insidern zufolge die Gespräche der EU mit dem US-Konzern Pfizer und dessen deutschem Partner BioNTech sowie mit Johnson & Johnson über deren Impfstoffprojekte. Der Europäischen Kommission zufolge sehen die Vorab-Kaufverträge vor, dass die Mitgliedstaaten die Hersteller von bestimmten Haftungsfragen freistellen. Näher wollte sich ein Vertreter der Kommission aber nicht äußern. Der europäische Verband der Impfstoffhersteller, der Firmen wie AstraZeneca, Pfizer, Sanofi, GlaxoSmithKline und CureVac vertritt, erklärte, man arbeite mit den zuständigen Behörden zusammen, um sich auf ein Kompensationssystem zu einigen, um „endlose Verzögerungen“ durch teure Rechtsstreitigkeiten mit ungewissem Ausgang zu vermeiden. (APA/red)