Österreich öffnet im Kampf gegen die Pandemie ein neues Kapitel: In zwei Wochen beginnen erste Corona-Massentestungen. Doch die Bundesländer zeigen sich skeptisch. Es fehle an Personal und konkreten Konzepten, beklagen sie.
Am Wochenende vom 5./6. Dezember und somit zum Ende des harten Lockdowns können sich alle 200.000 Lehrer und Kindergartenbetreuer in Österreich testen lassen. Am Montag und Dienstag folgen dann 40.000 Polizisten. Kurz vor Weihnachten ist eine breit angelegte Testreihe für die gesamte Bevölkerung geplant. Die Teilnahme an all diesen Tests ist freiwillig. Die Regierung geht aber von einer großen Beteiligung aus und hat bereits sieben Millionen Antigen-Tests für 50 Millionen Euro bestellt, weitere Bestellungen sind in Planung. Zur Anwendung kommen Produkte der Firmen Roche (vier Millionen Tests) und Siemens (drei Millionen Tests). Zu Beginn des neuen Jahres ist eine zweite Massentest-Reihe im ganzen Land geplant, gab die Regierung am Freitag bekannt. Zudem erfolgt der Ausbau der Screening-Programme mit dem Schwerpunkt „Schutz der Alten- und Pflegeheime“. Es wurden bereits 315.000 Tests ausgeliefert, weitere drei Millionen sind für ein engmaschiges Testnetz in den Alters- und Pflegeheimen gesichert.
Die Landesgesundheitsreferenten forderen rasch ein entsprechendes Konzept und den parallelen Ausbau der Infrastruktur. „Mit der aktuellen, extrem belasteten Struktur von Personal über Logistik bis hin zu IT wird das nicht machbar sein“, sagte der Salzburger Landeshauptmannstellvertreter Christian Stöckl (ÖVP), derzeit Vorsitzender der Gesundheitsreferenten. So müsse sichergestellt werden, dass die Teststraßen in den Gemeinden, die Laborkapazitäten und die Logistik bis hin zum Contact Tracing ausgebaut werden. Zudem müssen die elektronischen Daten- und Meldesysteme verknüpft werden, damit eventuelle Corona-Cluster rasch erkannt werden können. „Wir werden alle Hände voll zu tun haben, diese Strukturen aufzustellen“, sagte Stöckl.
Auch für die steirische Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) stellen sich noch viele Fragen. „Wir müssen mehr wissen, um das gut koordinieren zu können.“ Wer nehme etwa die Abstriche? Welches Personal habe die Kompetenz, die Diagnose zu stellen? Wie gehe man mit dem Contact Tracing und den Absonderungsbescheiden um? „Es wird wohl nicht mehr möglich sein, für jeden positiven Fall eine behördliche Absonderung zu machen“, sagte Bogner-Strauß und schlug eine automatische Absonderung vor. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) betonte, dass die für die Massentests vorgesehenen Antigentests vor allem bei einem negativen Ergebnis eine gute Aussagekraft hätten. „Aber wir wissen, dass sie einen nicht zu vernachlässigbaren Anteil an falsch positiven Ergebnissen haben.“ So gebe es Berechnungen, dass – wenn die ganze Bevölkerung getestet wird – mit bis zu 50.000 falsch positiven und noch einmal 50.000 richtig positiven Ergebnissen zu rechnen sei. „Das heißt, in 100.000 Fällen müsste noch einmal ein PCR-Test zur Kontrolle gemacht werden.“ Wenn dann tatsächlich 60.000 oder 70.000 Menschen in Quarantäne geschickt werden müssen, brauche es eine Vorgehensweise, die auch rechtlich hält. Denn ohne Absonderungsbescheid gab es bisher etwa auch keine Abgeltung und Rückvergütung für Arbeitgeber, Arbeitnehmer mussten sich vielfach Urlaub nehmen. (red)