Die aktuelle wirtschaftliche Lage und die Situation der Krankenversicherung zeigen einmal mehr die Probleme des Gesundheitswesens. Es wird Zeit neue Wege zu gehen.
Die Krankenkassen geraten zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Ihre Reserven schrumpfen. Das liegt vor allem daran, dass die Gesellschaft älter wird, mehr Menschen aufgrund des Bevölkerungswachstums zu versorgen sind, aufwendigeren Behandlungen und neuen Technologien. Es sind aber nicht die Ausgaben, die so dramatisch steigen, es sind die Verluste, die zunehmen, weil die Einnahmen sinken: sie sind an Löhne und Gehälter gekoppelt und deren Volumen geht krisenbedingt durch steigende Arbeitslosenzahlen zurück. Die Folge: die ÖGK erwartet für heuer ein Minus von 800 Millionen Euro.
Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Rahmenbedingungen in Zukunft ändern werden. Die Prämien für private Krankenversicherungen steigen 2025 branchenweit um bis zu acht Prozent, schätzen Beobachter:innen. Für die öffentlichen Kassen ist eine solche Vorgangsweise tabu. Vielmehr wird von Lohnnebenkostensenkungen geredet. Wie sich das für die Kassen ausgehen soll, wird nicht beantwortet. Also steigt der Druck auf die Beschäftigten im System und jene Unternehmen, die Dienstleistungen und Produkte für das Gesundheitswesen zur Verfügung stellen. Dabei sind die heimischen Krankenversicherungsbeiträge international gesehen mit 7,65 Prozent äußerst niedrig.
Die Besteuerung von Unternehmensgewinnen ist weltweit schon seit Jahren im Sinkflug. „Fast alle Staaten haben ihre Körperschaftsteuersätze angesichts des internationalen Wettbewerbs im Laufe der letzten Jahre zum Teil drastisch gesenkt“, schreibt selbst die Wirtschaftskammer auf ihrer Website. Die Steuersätze für Unternehmen sanken global seit 1980 von rund 40 auf unter 25 Prozent und in der EU von 49 auf 21,5 Prozent. Im Vergleich mit anderen wichtigen EU-Industriestaaten zählt Österreich zu den Vorreitern beim Konzern-Steuerdumping. Sinken die Steuerbeiträge von multinationalen Konzernen und Vermögenden, zahlt die Mehrheit der Menschen den Preis dafür: in Form von höheren Einkommens- und Massensteuern sowie schlechteren öffentlichen Dienstleistungen, wie der Gesundheitsversorgung.
Nur mit Sparen und Effizienzsteigerungen wird es im Gesundheitswesen nicht gehen. Wir werden auch über neue Einnahmequellen reden müssen. Sie könnten über Steuern kommen, die dann von der jeweiligen Regierungszusammensetzung abhängen, oder auch aus einem Solidaritätsbeitrag von Unternehmen. Denn letztlich profitiert auch die Wirtschaft von Gesundheitsausgaben. Hören wir auf, Gesundheitsausgaben immer nur als Kosten zu sehen! Wird in Österreich mehr Geld für Straßenbau ausgegeben, nennt das ja auch niemand Kosten, sondern eine „Infrastrukturinvestition“. Doch die Beschäftigten im Gesundheitswesen müssen sich ständig dafür verteidigen, was sie kosten und welche Kosten ihre Arbeit verursacht. Dabei fließt jeder investierte Euro in den Gesundheitsbereich aufgrund der hohen Personalkosten durch mehr Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge wieder zurück in den öffentlichen Haushalt. Werden zum Beispiel niedrige Löhne angehoben, wird das zusätzliche Geld nicht gespart, sondern wieder ausgegeben. Das belebt die Wirtschaft nachhaltig und erhöht die Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen. (rüm)