Top-Pharmamanager kritisiert Österreichs Politik beim Thema Arzneimittelknappheit als „hilflos“. Er ortet vor allem die Preispolitik als Problem und regt Lösungen an.
Als „extrem beunruhigend“ bezeichnet Claudio Albrecht, der frühere CEO der Generika- und Consumer Healthcare-Konzerne STADA, Actavis und Ratiopharm, die aktuelle Diskussion um Arzneimittelknappheit, vor allem auch weil die angedachten Lösungen nicht funktionieren werden. Der gebürtige Tiroler sieht die gegenwärtige Situation „als Resultat einer Entwicklung, die nur die Arzneimittelausgaben im Fokus hat und nicht das Wohl des Patienten“, sagte er beim Praeveniere Gesundheitsforum in Alpbach. Österreichs Politik agiere „hilflos“.
Arzneimittelengpässe entstünden vor allem dadurch, dass die Preise für viele Arzneimittel so niedrig sind, dass viele Hersteller in Europa beschließen, nicht mehr zu produzieren. In manchen Ländern bekomme der Hersteller eines lebensrettenden Medikaments für einen ganzen Jahresbedarf, also etwa 720 Tabletten, den Gegenwert eines Cappuccinos. „Wenn ein Kaffee mehr kostet als ein Jahr Cholesterinsenker, dann ist denke ich alles gesagt“, erklärte Albrecht. Hier verkenne die Gesundheitspolitik völlig die Wertigkeit der Ware.
Ein weiteres Kostenthema sei die Wirkstoffproduktion. „Wir haben verabsäumt, strategisch wichtige Wirkstoffproduktionen in Europa zu halten. Sobald der Preisdruck auf Medikamente enorm zunimmt, suchen Hersteller Auswege und die führen unweigerlich zu Wirkstoffen aus China oder Indien. Heute hängen wir bei der Mehrzahl der Engpasspräparate am Tropf der Asiaten und können in Situationen wie Pandemien, Schiffshaverien oder Qualitätsmängel, kaum noch reagieren.“
Albrecht, der zu den international erfahrensten Pharmamanagern Österreichs zählt, fordert, dass Substitution in Österreich erlaubt beziehungsweise akzeptiert werde. „Der Apotheker soll selbst entscheiden dürfen, welches Produkt er dem Patienten aushändigt. Dabei kann es sich um das idente Präparat eines Originalherstellers handeln, das in einem anderen Land verfügbar ist oder um ein wirkstoffgleiches Medikament, das nach Patentablauf in Österreich von mehreren Herstellern angeboten wird.
Im ersten Fall handelt es sich um sogenannten Parallelimport. „Das hätte neben einer höheren Versorgungssicherheit noch dazu den Vorteil, dass man in einigen EU-Ländern zu niedrigeren Preisen einkaufen kann und dann das Produkt auch dementsprechend günstiger in Österreich auf den Markt kommt“, argumentiert Albrecht. „Parallelimport hilft den Sozialversicherungen bei noch patentgeschützten Produkten Geld zu sparen.“ Für weniger geeignet hält Albrecht die zur Zeit in Österreich diskutierten Maßnahmen wie den Aufbau von höheren Vorräten oder Exportverboten. „Einerseits ist die Lagerhaltung immer auch eine Frage des Risikos. Welches Produkt bevorrate ich zu welchen Mengen? Wer trägt die Kosten und das Risiko eines Ablaufs der Haltbarkeit?“ (rüm)