In den kommenden Tagen ist RELATUS PHARM in den Bundesländern unterwegs und fragt, welche Herausforderungen es jeweils im Apothekenbereich gibt und wie versucht wird, ihnen zu begegnen.
Heinz Haberfeld, Präsident der Apothekerkammer Niederösterreich, spricht im RELATUS-Ländertour-Interview über die teils schwierige Kommunikation zwischen Land und Apotheken.
Herr Haberfeld, mit welchen Herausforderungen haben und hatten Niederösterreichs Apotheker:innen zu kämpfen? Die wohl größte Herausforderung ist derzeit, die Arzneimittelversorgung bei Antibiotika aufrechtzuerhalten. Das betrifft aber nicht nur Niederösterreich. Wir bekommen nichts nachgeliefert im Moment und das wird sich in den nächsten Wochen noch verschärfen. Die Infektionswelle durch Grippe, RS-Viren und Covid spielen da eine große Rolle, vor allem deshalb, weil es auch zu bakteriellen Superinfektionen kommt. Es ist eine Tragödie, dass wir trotz einer großen Antibiotikaproduktion im Land mit Sandoz in dieser Situation sind.
Um die Produktion in Österreich zu fördern, wurden in den vergangenen Wochen immer wieder Preissteigerungen gefordert. Unterstützen Sie das? Das ist durchaus berechtigt. Österreich ist ein Arzneimittelbilligland. Auch für uns Apotheker:innen ist es eigentlich nicht mehr kostendeckend, Arzneimittelberatung anzubieten, Wechselwirkungen zu checken und aufzuklären – wenn die Pharmazeut:innenstunde 65 Euro kostet, zahlt sich das bei einer Margendeckung von 30 bis 50 Cent einfach nicht aus.
Zurück nach Niederösterreich: Welche Themen waren hier in letzter Zeit besonders präsent? Die PCR-Testungen im Zuge der Pandemie, also Screeningtests und Freitestungen, waren eine massive Herausforderung. Bis April 2022 hat es eine Abwicklung über die Sozialversicherungsträger gegeben, welche dann auf das Land übertragen wurde. Bis Ende März war nicht klar, ob das auch wirklich funktionieren wird. Da hat es am Anfang Brösel gegeben. Freitesten war anfangs nur in den Teststationen des Landes möglich. Bis dann entschieden wurde, dass diese Stationen geschlossen werden und die Apotheken das ebenfalls übernehmen sollen. Da gab es schon ein erfolgreiches Pilotprojekt und weitere Labors, die teilnehmen wollten. Die Problematik war aber die Schnittstelle mit dem Land, also die Übertragung der Testergebnisse. Diese Schnittstelle musste erst programmiert werden, dann gab es Probleme mit dem Auslesen der QR-Codes. Im Endeffekt hat es dann funktioniert, nur kam schon bald die nächste Problemstellung. Denn mit 1. Jänner dürfen Apotheken nur mehr beide Arten von Testungen anbieten, also Screening- und Freitestungen. Hier braucht jede Apotheke aber Einzelverträge, einmal für Screenings, einmal fürs Freitesten. Das war ein langes Hin und Her mit dem Land. Die endgültigen Verträge haben wir dann am 30. Dezember bekommen.
Man kann also sagen, die Zusammenarbeit mit dem Land Niederösterreich war etwas holprig? Die Zusammenarbeit mit dem Land war im Großen und Ganzen konstruktiv und bemüht. Ich würde mir aber wünschen, dass hier früher mit der Arbeit begonnen wird, wenn man sowieso schon weiß, dass die ursprünglichen Verträge limitiert waren und auslaufen würden. Die Betriebe brauchen ja auch eine Vorlaufzeit. Viele haben Mitarbeiter:innen gesondert für diese Tätigkeit eingestellt. Da stellt sich natürlich die Frage, ob diese Mitarbeiter:innen gekündigt werden müssen oder nicht.
Apropos Personal: Wie stark ist Niederösterreich vom Personalmangel betroffen? Das ist auch bei uns ein großes Problem. Bei 250 Betrieben fehlen ungefähr 80 Pharmazeut:innen. Das ist erheblich und auch bei den pharmazeutisch-kaufmännischen Assitent:innen gibt es einen deutlichen Mangel. Das betrifft nicht nur den ländlichen Raum, sondern auch die niederösterreichischen Städte. Das Problem ist, dass das Dienstausmaß zu gering ist. Wir haben so viele Pharmazeut:innen wie noch nie. Die meisten wollen aber nur 20 bis 30 Stunden arbeiten. Die „Work-Life-Balance“ wird vor allem bei den Jüngeren sehr ernst genommen, das macht es teilweise schwierig, Leute zu finden.
Was muss sich also ändern, um die Dienstzeiten abdecken zu können? Die Dienstgeber:innen müssen sich damit anfreunden, flexiblere Arbeitszeiten anzubieten. Man muss auch familienfreundlichere Rahmenbedingungen schaffen, vor allem für Mütter. Der Apothekensektor ist sehr frauen- und familienfreundlich, Pharmazeut:innen können zwischen 8 bis 40 Stunden für jedes Stundenausmaß beschäftigt werden, bei den Assistent:innen ist es im Grunde gleich. Das wird aber noch nicht überall so angeboten, hier müssen sich höchstwahrscheinlich die Unternehmer:innen dem Markt anpassen. (Das Interview führe Katrin Grabner)