Der am Wochenende bekannt gewordene Rechnungshof-Rohbericht kam nicht überraschend, die Folgen könnten aber tiefgehend sein.
Der Rechnungshof-Rohbericht, der das Fehlen der Patientenmilliarde nach der Kassenfusion bemängelt, hat die Kritik an diesem Prestigeprojekt der einstigen türkis-blauen Koalition befeuert. Anstelle der von ÖVP und FPÖ damals versprochenen Einsparungen von einer Milliarde ergab sich ein Mehraufwand von knapp 215 Millionen Euro, stellten die Prüfer fest. Mit 1. Jänner 2020 wurden bekanntlich die 21 Sozialversicherungsträger auf fünf reduziert: Die neun Gebietskrankenkassen wurden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) zusammengelegt. Bauern und Unternehmer wurden in der neuen Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) vereint, die Beamten haben die Eisenbahner und den Bergbau zu Versicherungsanstalt für den öffentlichen Dienst, Eisenbahn und Bergbau (BVAEB) dazu bekommen. Die Pensionsversicherungsanstalt (PV) blieb ebenso bestehen wie die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA). Die damalige türkis-blaue Regierung versprach für die Reform nicht nur eine massive Reduktion der Kassenfunktionäre, sondern auch eine „Patientenmilliarde“.
Davon kann aber laut RH-Rohbericht keine Rede sein – im Gegenteil. Die Prüfer stellten stattdessen einen Mehraufwand von 214,95 Mio. Euro fest. Und auch die geplante Personalreduktion fand demnach bisher nicht statt. All das kommt nicht überraschend. Von Beginn an gab es Kritik, dass sich das nicht ausgeht. Auch ÖGK-Generaldirektor Bernhard Wurzer gab sich immer vorsichtig und bezeichnete die Zusammenlegung zwar als sinnvoll, aber die Patientenmilliarde als politische Vorgabe – zuletzt vor einem Monat im Apotheker-Krone-Interview. Dass sich die Opposition und die in den Kassen entmachteten Arbeitnehmer:innen jetzt auf den RH-Bericht freudig stürzen, ist wenig überraschend.
Die Frage ist nur, ob sie den Kassen, den Versicherten und den Stakeholdern damit etwas Gutes tun. Die Reform wird und kann wohl nicht rückgängig gemacht werden. Wer jetzt die fehlenden Einsparungen kritisiert, erhöht den Druck, dass tatsächlich gespart wird. Der Rechnungshof tappt nämlich in eine Falle von ÖVP und FPÖ, die in den Kassen tatsächlich sparen wollten und das nicht nur als Vorteil für die Patienten verpackten – eben die Patientenmilliarde –, sondern auch Neid schürten. Erinnern wir uns an die Aussage von Sebastian Kurz über die teuren Dienstwagen der Kassenfunktionäre, die später wiederlegt worden ist. Sollte aber tatsächlich den Patienten und Versicherten eine Milliarde zugutekommen, müssten die Ausgaben der Kassen steigen oder zumindest gleich bleiben und umgeschichtet werden.
Dabei hat der Rechnungshof erst vor zwei Jahren versprochen Gesundheitsausgaben nicht nach Spargedanken zu bewerten. Fast 20 Jahre hatten die Prüfer in regelmäßigen Abständen die Politik aufgefordert, die Zahl der Akutbetten und der Intensivbetten in den heimischen Spitälern zu reduzieren. Immer wieder wurde auf milliardenschwere Einsparpotenziale hingewiesen und eingemahnt, die Zahl der Betten doch auf den EU-Durchschnitt herunterzufahren. Befolgt wurden die Ratschläge nur ansatzweise. Das half uns dann während der Pandemie. RH-Sprecher Christian Neuwirth erklärte dazu im April 2020 reumütig: „Der Rechnungshof wird bei einigen Themen seine Ansätze neu bewerten. Schon seit Längerem steht – etwa auch im Bereich Gesundheit – nicht die Konzentration auf Einsparungen (zum Beispiel: Bettenreduktionen) im Vordergrund, sondern gemäß dem Prüfungsschwerpunkt Bürgernutzen die Frage, wie die Leistungen bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen.“ Beim Kassenprüfbericht scheint diese Einsicht bereits wieder vergessen.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Föderalismus gesundheitsschädigend ist und sich die Bundesländer in Gesundheitsfragen zunehmend als inkompetent erweisen. Es braucht endlich Transparenz über regionale Ausgaben, Erkrankungszahlen, Spitalsdaten und eine zentrale Steuerung. (rüm)