Enorme Beratungskosten für Kassenfusionen

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Die Reform und Zusammenlegung der Sozialversicherungen und der ÖVP/FPÖ-Regierung sorgt weiter für Debatten. Anlaß ist nun eine Anfragebeantwortung zur Beraterhonoraren.

Vor dem Sommer hat ein Rohbericht des Rechnungshofs (RH) zur Krankenkassenreform unter der ÖVP-FPÖ-Regierung die Wogen hochgehen lassen. Jetzt könnte eine Beantwortung einer NEOS-Anfrage durch das Sozialministerium noch mehr Öl ins Feuer gießen. Laut Rechnungshof existiert die von der damaligen Regierung propagierte „Patientenmilliarde“, die direkt den Versicherten hätte zugutekommen sollen, nicht. Anstelle dieser Einsparung habe sich stattdessen ein Mehraufwand von 214,95 Millionen ergeben, kritisiert der Rechnungshof, in dem Bericht, der RELATUS vorliegt.

Kritisiert werden dort auch zweistellige Millionenbeträge für Beratungsunternehmen. Die Prüfer entdeckten Fälle, bei denen die Abrechnungen der Beratungsleistungen „unzweckmäßig und mangelhaft waren“: Hochpreisige externe Berater wurden dabei auch für einfache, auch intern erbringbare Tätigkeiten beauftragt, bemängelt der Rechnungshof. Wie sich jetzt zeigt, haben externe Berater von der Mega-Fusion noch kräftiger profitiert als bisher gedacht. Leistungen und Aufwände für Beratungen rund um die Zusammenlegung der Krankenkassen zwischen 2019 und Ende Juni 2022 schlugen laut Bericht mit 21,1 Millionen Euro zu Buche.

Wirklich spannend wird es jedoch in den Details: So hat sich etwa das Sozialministerium für die Beratung zur Reform mehr als 326.000 Euro ausgegeben. Rechtsgutachten kamen dabei unter anderem vom Sozialrechtsexperten Wolfgang Mazal. Der hatte, so APA-Berichte aus dem Jahr 2017, davor bereits für die ÖVP in der Untergruppe „Soziales & Konsumentenschutz“ das Regierungsprogramm von türkis-blau mitverhandelt. Bereits Anfang 2017 präsentierte der spätere Bundekanzler Sebastian Kurz noch als als Leiter der VP-Akademie einen „Innovationsbericht Sozial“. Laut APA hatte „eine Expertengruppe unter dem Sozialrechtler Wolfgang Mazal den Auftrag, den Sozialstaat neu zu denken.“

Für die Fusion der ÖGK fielen laut Anfragebeantwortung zwischen 2019 und März 2020 Beratungsleistungen in der Höhe von 6,8 Millionen an. Der Großteil davon mit knapp 4,5 Millionen für die Beratungsfirmen KPMG und Consulting AG. Von April 2020 bis 30. Juni 2022 – also bereits unter türkis-grün – sind weitere Aufwände in der Höhe von 14,25 Millionen angefallen – 12 Millionen davon für KPMG und Consulting AG. Allerdings hätte es sogar noch teurer kommen können: „Die ÖGK merkte in ihrer Stellungnahme an, dass durch rasche Implementierung der Projekte in die Linienstruktur das Integrationsprogramm mit März 2022 frühzeitig beendet werden konnte. Somit musste das ursprünglich beschlossene Budget nicht gesamt abgerufen werden. Hierdurch wurden zusätzliche Einsparungseffekte von rund 5 Mio. EUR erzielt“, teilt das Ministerium mit.

Im Jahr 2019 haben die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) – nunmehr die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS) – zusammen rund 1,9 Millionen Euro für Organisations- und Personalberatungen aufgewendet. Nach 2019 gab es keine durch die Neuorganisation bedingten Beratungsleistungen. „Es wurde auf Rahmenvereinbarungen mit der Consulting AG, Accenture und der HMP Beratungs GmbH zurückgegriffen.“ Bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) fielen 1,036 Millionen für Beratungsleistungen an – der Großteil mit knapp 665.000 für die Consulting AG. Beim Dachverband selbst wurden knapp 700.000 Euro ausgegeben. Mit rund 336.000 Euro ging nicht ganz die Hälfte als größter Brocken auch hier an die Consulting AG, 174.000 Euro gingen an Hewlett Packard.

Ende 2019 hatte der Verfassungsgerichtshof die Kassenfusion grundsätzlich abgesegnet. Allerdings wurden auch zahlreiche brisante Punkte aufgehoben – darunter viele Einflussbereiche des Sozialministeriums:

  • die Bestimmungen über den Eignungstest für die Funktionär:innen der Sozialversicherungsträger;
  • die Bestimmungen über die staatliche Aufsicht, soweit sich diese auch auf Beschlüsse bezieht, deren finanzielle Auswirkungen ein Ausmaß von 10 Millionen Euro innerhalb eines Kalenderjahres oder innerhalb von fünf Kalenderjahren übersteigt;
  • die Übertragung der Sozialversicherungsprüfung an die Abgabenbehörden des Bundes;
  • die Bestimmung, wonach die Aufsichtsbehörde die Beschlussfassung von Sozialversicherungsorganen zu bestimmten Tagesordnungspunkten vertagen lassen kann;
  • die Bestimmung, wonach die Hauptversammlung und der Verwaltungsrat der Sozialversicherungsträger bei Erlassung ihrer Geschäftsordnung an die vom zuständigen Bundesminister erlassene Mustergeschäftsordnung gebunden sind;
  • die Bestimmung, wonach das Zielsteuerungssystem der Sozialversicherungsträger dem Weisungsrecht des zuständigen Bundesministers unterliegt;
  • die Bestimmung, wonach der zuständige Bundesminister bestimmte Vorbereitungsaufgaben des Dachverbandes auf einen oder mehrere Versicherungsträger übertragen kann;
  • die Bestimmung, wonach der Vorsitzende des Überleitungsausschusses bestimmte Angelegenheiten dem zuständigen Bundesminister zur Entscheidung vorlegen kann, wenn ein Beschluss des Überleitungsausschusses nicht zustande kommt;
  • die Bestimmung, wonach der Vorsitzende des Überleitungsausschusses der Gruppe der Dienstgeber anzugehören hat;
  • die Bestimmung, wonach die Entsendung der Vertreter der Dienstnehmer in die Organe der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vorzunehmen ist. (rüm)