Gut ein Jahr nach seinem Rücktritt als Gesundheitsminister hat Rudolf Anschober (Grüne) am Montag ein Buch über Corona veröffentlicht. Über die Inhalte war bereits lange spekuliert worden.
Anschobers Amtszeit von Jänner 2020 bis zu seinem Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen im April 2021 war fast ausschließlich von der Pandemie geprägt. Gab es zunächst noch Lob für sein Krisenmanagement mit ruhigen, wenn auch ausschweifenden Erklärungen, drehte sich im Lauf der zähen Monate die Stimmung. Verordnungen missglückten, die Reibereien mit dem Kanzleramt nahmen zu, die Verhandlungen mit den Ländern zu Lockdowns und Impfungen waren mühsam, Drohungen von Maßnahmen-Gegnern standen auf der Tagesordnung. Zwei Kreislauf-Kollapse, schlechte Blutdruck-Werte, Tinnitus und Erschöpfung ließen Anschober schließlich das vorläufige Ende seiner politischen Karriere verkünden.
Dass er ein Buch schreiben will, hatte der 61-Jährige schon bei seinem Rücktritt angekündigt – am Montag ist das Werk nun erschienen. „Pandemia – Einblicke und Aussichten“ sei „die Summe meiner subjektiven Erfahrungen mit der Pandemie“, meint Anschober im Vorwort. Die Herausforderungen werden teils über fiktive Charaktere dargestellt, in „Berichten aus dem Maschinenraum“ werden aber auch Einblicke hinter die politischen Kulissen versprochen. Es handle sich nicht um eine „Abrechnung“, schreibt Anschober, sondern um den „Beginn einer Aufarbeitung“, die ihm auch selbst gut getan habe.
Das Buch soll Einblicke geben, wie Entscheidungen von Politikern vorbereitet und getroffen wurden, und auch, was aus seiner Perspektive abseits der medialen Berichterstattung passiert ist. Anschober beschreibt etwa, wieso er sich dank Landeshauptleuten und Bürgermeistern wie „Sisyphos“ fühlte, als es um die Verhängung neuer Maßnahmen ging. Doch auch die immer mühsamere Arbeit innerhalb der Bundesregierung nimmt breiten Raum ein: Anschober findet zunächst hier und da noch durchaus lobende Worte für den damaligen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), lässt aber freilich auch nicht unerwähnt, dass es in dessen Team nicht unbemerkt geblieben sei, „dass meine eigenen Beliebtheitswerte jenen des Bundeskanzlers immer näher kommen, der seit Jahren alle Rankings anführt“. Schließlich beklagt er in dem Buch „politische Spielchen“” und öffentlichen Dissens: „Kommt öffentliche Kritik, habe ich den Eindruck, dass sich Kurz wegduckt. Anstatt sich gegen die Welle der Kritik zu stellen oder von der Welle erfasst zu werden, surft er auf ihr.“ Selbstkritik ist kaum zu finden, dafür viele Erklärungen, dass die politischen Verhandlungen oft schwerfällig und Kompromisse unausweichlich gewesen seien.
Zwischen den „Berichten aus dem Maschinenraum“ kommen Erkrankte und Hinterbliebene anonymisiert zu Wort, außerdem hat Anschober anhand von Gesprächen in Österreich, Deutschland und der Schweiz drei fiktive Figuren entworfen – eine Oberärztin, eine Forscherin und eine Buchhändlerin, die in dem Buch durch ihre Arbeit und ihren Alltag während der Pandemie führen.
Schließlich verspricht der Ex-Gesundheitsminister auch eine „Strategie, wie wir diese Pandemie und jene, die in Zukunft auf uns zukommen, kontrollieren können“. Anschober vergleicht die Pandemie mit einem Brand und verweist darauf, dass die Feuerwehr gut vorbereitet sei, jeder im Ernstfall wisse, was zu tun sei, und Feuerwehrleute „nur gemeinsam, als Team“ erfolgreich seien. „Fatalerweise“ werde in der Pandemie aber ganz anders gehandelt, kritisiert Anschober. Deshalb plädiert er für einen gesamteuropäischen Pandemieplan. Nach einer Welle solle nicht vorschnell geöffnet werden, die Impfung müsse verstärkt eingesetzt und das Testsystem verbessert werden, auch sei eine zentrale Steuerung notwendig, lauten einige der Rezeptideen – sich die Details dazu zu überlegen, überlässt der frühere Minister allerdings der aktiven Politik. (red/APA)