Die Impfpflicht-Kommission warnt in ihrem 25-seitigen Bericht davor, dass im Herbst „sehr wahrscheinlich“ eine neue, möglicherweise massive Corona-Welle zu erwarten ist.
Die Expertenkommission spricht sich gegen eine sofortige Impfpflicht aus. Einer der Gründe: eine drohende weitere Welle im Herbst. Was wie ein Widerspruch klingt, hängt mit den Abständen der drei Impfdosen zur Vollimmunisierung zusammen. Ein späterer Start wäre wohl besser. Grundsätzlich wird festgehalten, dass die Impfung ein zentrales Element zur Bewältigung der Pandemie sei und eine Verpflichtung daher einen Nutzen hätte: „Die grundsätzliche Impfpflicht als probates Mittel zur Sicherstellung einer hohen Durchimpfungsrate ist prinzipiell weiterhin sinnvoll, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden“, heißt es in dem Bericht.
Allerdings hänge das ob und wann von mehreren Faktoren ab, etwa von der epidemiologischen Entwicklung, inwieweit die Immunität durch Impfung oder Erkrankung abnehme, der Wertigkeit von Therapien als möglichem Ersatz zur Impfung oder der weiteren Entwicklung der Impfakzeptanz. Aktuell würde die Pflicht jedoch wohl nicht allzu viel bringen, wenn man den Experten folgt: „Es ist nicht zu erwarten, dass eine allgemeine Impfpflicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen wesentlichen Einfluss auf die Belastung der medizinischen Infrastruktur durch Covid-19-Patienten zu nehmen imstande ist.“ Dazu helfe die Saisonalität, die Infektionszahlen wieder nach unten zu bekommen: „Auch dadurch wird ein momentaner Handlungsbedarf weniger plausibel.“
Nach Meinung der Experten wäre eine aktuelle Umsetzung der Impfpflicht rechtlich derzeit bloß bei Personen, die weder geimpft noch genesen sind, möglich. Dies kommt daher, dass eine dreifache Immunisierung bis zum Herbst nur bewerkstelligt werden kann, wenn bereits in nächster Zeit mit dem Impfen begonnen wird. Allerdings gebe es auch bei dieser Gruppe medizinische und rechtliche Argumente für ein Hinausschieben der Umsetzung der Impfpflicht, schreiben die Experten. Außerdem wäre auch bei einer zweifachen Immunisierung im Herbst bereits ein gewisser Schutz vorhanden. Jedoch warnt die Kommission davor, das Geschehen zu unterschätzen. Laut Modellierungen würde im Oktober nur noch ein zehnprozentiger Schutz vor einer Ansteckung und lediglich ein 35- bis 50-prozentiger gegen eine schwere Erkrankung bestehen. Daher brauche es eine weitere Schutzimpfung im Spätsommer oder Frühherbst.
Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat vor einem Anstieg der Corona-Zahlen bereits im Sommer gewarnt und die Beibehaltung weitreichender Schutzmöglichkeiten über den 20. März hinaus gefordert. „Wir müssen mit einer Sommerwelle rechnen“, sagte Lauterbach. Ärztepräsident Klaus Reinhardt rief dazu auf, möglichst überall im öffentlichen Raum weiterhin FFP2-Masken zu tragen. Lauterbach sagte, sowohl die Delta- als auch die Omikron-Variante seien so infektiös, dass es selbst bei gutem Wetter durch viele Kontakte und den nachlassenden Impfschutz wieder zu steigenden Infektionszahlen kommen könnte. (red)