Der „Grüne Pass“ soll ab 19. Mai geimpften, genesenen und getesteten Personen Freiheiten bringen. Immer mehr Experten waren aber vor einer übereilten und fehlerhaften oder unvollständigen Lösung. Neben Fachverbänden der Wirtschaftskammer gehört auch die Ärztekammer zu den Kritikern.
So einfach, wie sich das Bundeskanzler Sebastian Kurz und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) den „Grünen Pass“ vorstellen, dürfte es offenbar doch nicht sein. Nachdem Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) davor gewarnt hat, dass die Gleichsetzung von Getesteten mit Geimpften die Impfbereitschaft senken könnte, kommen ähnliche Warnungen nun von der Ärztekammer. Telemedizin-Spezialisten warnen zudem, dass noch viele Fragen offen sind und fordern die Einbindung der Software-Industrie, wie dies beim eImpfpass der Fall war. Neben technischen Punkten gehe es auch um Datenschutzfragen. Unklar ist auch, woher die Information kommt, wer nach einer Covid-19-Erkrankung genesen ist.
Vertreter der Ärztekammer, der Österreichischen Gesellschaft für Telemedizin und E-Health (ÖGTelemed), sowie zweier Fachverbände der Wirtschaftskammer haben sich am Donnerstag gegen „österreichische Sonderlösungen“ bei der Umsetzung des geplanten „Grünen Passes“ ausgesprochen. In einem gemeinsamen Positionspapier hieß es, es brauche eine koordinierte EU-weite Regelung. Auch fordern die Verbände ihre Einbindung bei den Planungen. Das Positionspapier wurde von der ÖGTelemed, der Ärztekammer sowie den WKÖ-Fachverbänden Ubit (Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie) und FEEI (Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie) verfasst. Entscheidend sei, dass es „keinen Alleingang“ und „kein Vorpreschen“ Österreichs gibt, sagte Dietmar Bayer, Präsident der ÖG Telemed in einer Aussendung. Auch erwarte er, dass die Planung, Umsetzung und Ausrollung in enger Kooperation mit der Ärztekammer und der Softwareindustrie erfolgt. „Gerade beim Projekt eImpfpass hat diese Kooperation maßgeblich zur erfolgreichen Umsetzung in kurzer Zeit geführt“, sagte Bayer.
„Von zentraler Wichtigkeit ist, dass der Green Pass so einfach funktioniert wie ein Flugticket“, betonte Bayer. „Über einen Code auf dem Smartphone oder über einen Ausdruck muss auf einen Blick erkennbar sein, dass eine Person die Kriterien erfüllt und wie lange die Gültigkeit ist – ganz egal, ob sie getestet, geimpft oder genesen ist.“ Wichtig sei auch, „dass eine Offline-Prüfung der Nachweise möglich ist“, sagte Bayer. Schließlich müsse der Pass unabhängig von Netzausfällen und auch in Gebieten ohne Netzabdeckung funktionieren. Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres forderte eine Klärung der Frage, wer genesen ist: „Die Bestätigung, dass eine Person von Covid-19 genesen ist, kann nicht automatisiert, sondern nur durch eine Ärztin oder einen Arzt nach zuverlässiger Bestimmung der Antikörper erfolgen.“
Neben den medizinischen Empfehlungen seien auch ethische Aspekte zu berücksichtigen. „Es darf zum Beispiel keine Benachteiligung von Ungeimpften geben, solange nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht und nicht jeder impfbare Mensch die Möglichkeit hatte, eine Impfung zu bekommen“, betont Szekeres. Die Präsidenten der österreichischen Landesärztekammern haben zudem eine Lanze für die Impfung gebrochen. „Die Impfung ist der ‚Gold-Standard‘, um sicher zu sein“, betonte der Ärztekammerpräsident. Dass getestet, genesen oder geimpft gleichgesetzt werden, vermittle ein zum Teil trügerisches Sicherheitsgefühl. „Das ist die falsche Botschaft“, meinen die Ärztevertreter. Das gelte vor allem bei den Tests, die 48 Stunden gelten sollen. „Bei PCR-Tests, deren Auswertung länger dauert, ist eine 48-stündige Gültigkeit vertretbar“, sagte Szekeres. Bei den Antigen-Schnelltests sollte es aber ein 24-Stunden-Limit bei der Gültigkeit geben. Nur PCR-Tests würden tatsächlich richtige Ergebnisse liefern, Antigen-Schnelltests hingegen eine hohe Fehlerrate aufweisen. In Gastronomie oder Kultur hineintesten sei keine Alternative zur Impfung. (rüm)